Politik

Heuchelei: CDU warnt vor Denunzianten und denunziert selber

Die CDU warnt vor Denunziationen im Internet. Das ist gut so, denn Denunziationen vergiften den politischen Diskurs. Allein: Die CDU agiert mitunter genau nach dem Muster, das Kauder zu Recht für verwerflich hält. Sie sollte ihre Methoden überdenken, um sich nicht dem Vorwurf der Heuchelei auszusetzen.
06.03.2016 15:53
Lesezeit: 3 min

Der Fraktionschef der CDU, Volker Kauder, hat sich mit einem berechtigten Anliegen zu Wort gemeldet. Er warnt vor Denunziationen im Internet. Für das Magazin Sonntag schreibt Kauder laut AFP:

Internet und soziale Medien wie Facebook seien oft Bühnen für die Herabwürdigung anderer und für vorsätzliche Desinformation. „Es wird nicht nur geschimpft. Es wird beleidigt, gedroht und gelogen, dass sich die Balken biegen“, kritisierte Kauder.

Gerüchte würden gestreut und Tatsachen verdreht, beides mit einer so schnellen und massenhaften Wirkung wie noch nie, schrieb der CDU-Politiker. Es sei „dann für manchen offenbar kein weiter Weg mehr dahin, auf Demonstrationen Galgen zu zeigen, an denen Politiker hängen“.

Das sind schöne Worte – allein, uns fehlt der Glaube, dass es die CDU wirklich ernst meint. Denn die CDU entspricht in ihrer täglichen Pressearbeit leider nicht immer den hehren Ansprüchen, die Kauder an den politischen Diskurs stellt.

Ihr Generalsekretär Peter Tauber versendet beispielsweise gerne Tweets, in denen er die DWN verunglimpft.

Der CDU-Generalsekretär macht dabei genau das, was Kauder kritisiert: Er verdreht Tatsachen, um Gerüchte zu streuen. So bezeichnete er die DWN einmal als „Aluhut“, was sich dem normalen Menschen zwar nicht erschließt, aber im politischen Neusprech wohl heißen soll: Die haben nicht alle Tassen im Schrank. Grundlage war ein Artikel auf den DWN, in dem ein Interview der BBC zitiert wurde. Der Artikel war 1:1 eine Reuters-Meldung. Als ein Twitterer Tauber auf diesen Umstand aufmerksam machte, antwortete Tauber lapidar: „Trotzdem immer aus dem Zusammenhang gerissen. Keine seriöse Quelle.“

Wie schreibt Kauder so schön:

„Internet und soziale Medien wie Facebook seien oft Bühnen für die Herabwürdigung anderer und für vorsätzliche Desinformation.“

Da hat er recht. Und leider gibt es immer wieder Partei-Funktionäre, die das Internet genau zu diesem Zweck missbrauchen. Sie sind auch nicht willens, in einen Dialog einzutreten.

Die Redaktion der DWN hatte mit dem Generalsekretär Kontakt aufgenommen und wollte mit ihm sprechen: Denn die Behauptung von Tauber, der Artikel sei „aus dem Zusammenhang gerissen“, war schlicht falsch. Wir hätten uns trotzdem dafür interessiert, den „Zusammenhang“ zu kennen, in dem die CDU den im Artikel beschriebenen Sachverhalt sieht: In der BBC hatte nämlich der französische Premier Manuel Valls erklärt, dass Frankreich nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen werde als zugesagt. Mit diesem Interview hätte der CDU klar sein müssen, dass Merkel in der EU nicht mehr auf Frankreich setzen kann, was die von ihr propagierte Verteilung der Flüchtlinge anlangt. Wir wollte dem CDU-Generalsekretär die Gelegenheit geben, seine Position in einem Interview darzustellen.

Doch mehrere telefonische Versuche der Kontaktaufnahme blieben erfolglos. Auf eine Email erhielt wir schließlich die Antwort von Dr. Jochen Blind, einem der Pressesprecher: „Ein Interview mit Herrn Dr. Tauber ist terminlich leider nicht möglich.“ Auch unsere nachfolgenden Versuche, den Generalsekretär zu erreichen, blieben erfolglos: Es gab keine Antwort. Der Versuch der DWN, die Position der CDU zu veröffentlichen, endete in der Gesprächsverweigerung. Selbst unsere Bitte, uns in den Verteiler für die Presseaussendungen aufzunehmen, ist bis heute unbeantwortet geblieben.

Volker Kauder fordert in seinem Beitrag im Hinblick auf den Journalismus laut AFP: „Qualität beginne mit dem Bemühen, den Sachverhalt, über den berichtet werden soll, eingehend zu prüfen und so ausgewogen wie möglich darzustellen.“

Dreimal ja, Herr Kauder. Aber was soll ein Medium machen, wenn es im „Bemühen, den Sachverhalt, über den berichtet werden soll, eingehend zu prüfen und so ausgewogen wie möglich darzustellen“, keine wie immer geartete Antwort von der Parteizentrale erhält? Und gilt dieser Anspruch nicht auch für die Parteifunktionäre, die mittlerweile eifrig über Twitter und Facebook agieren – und manchmal eben auch agitieren?

Mit der Gesprächsverweigerung schaden sich die Parteien übrigens selbst: Valls hat seine Ablehnung zur Aufteilung der Flüchtlinge bei der Münchner Sicherheitskonferenz bekräftigt. Schließlich hat Präsident Hollande Merkel in Paris persönlich mitgeteilt, dass Frankreich nicht mehr als die 30.000 Flüchtlinge aufnehmen werde, die Paris bereits zugesagt hatte. Hätten die CDU-Presseleute Blind&Tauber die Meldung auf den DWN ernstgenommen und die Botschaft vernommen, statt den Boten zu denunzieren, sie hätten ihrer Vorsitzenden empfehlen können, sich eine entsprechende Strategie zu überlegen.

Hinter der von der CDU praktizierten Gesprächsverweigerung steht eine besonders unangenehme Strategie: Einem Medium wird vorgeworfen, es spinnt sich irgendwelche unseriösen Theorien zusammen. Wenn das Medium dann versucht, ins Gespräch zu kommen, duckt man sich weg und antwortet einfach nicht. Danach kann man umso schöner behaupten, dass das Medium nicht alle Tassen im Schrank hat und Dinge aus dem Zusammenhang reißt.

Kauder schreibt im Sonntag: „Gute Zeitungen funktionieren wie eine Stiftung ,Wahrheitstest‘ und dienen damit der Demokratie.“ Das klingt gut, kann aber nur funktionieren, wenn sich die Parteien diesem „Wahrheitstest“ nicht entziehen und ihre Energie damit verschwenden, vergiftete Waren in Form von Denunziationen in Umlauf zu bringen. 

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