Politik

Merkel: EU muss Verantwortung für Flüchtlinge aus Griechenland übernehmen

Die Türkei holt keine Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurück. Angela Merkel fordert daher erneut deren Verteilung in der EU. Österreich lehnt die Öffnung der Balkanroute weiter ab. Unklar bleibt, wie die mehr als 35.000 Flüchtlinge verteilt werden sollen.
10.03.2016 14:15
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Eine Woche vor dem nächsten EU-Gipfel herrscht Uneinigkeit in der Union über die Rolle der Türkei in der Flüchtlingskrise und den Umgang mit tausenden an der griechisch-mazedonischen Grenze gestrandeten Migranten. Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner machte am Donnerstag deutlich, dass die Balkanroute für Flüchtlinge geschlossen bleibe und ihr Land so lange wie nötig an nationalen Grenzkontrollen festhalte. Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte dagegen nationale Alleingänge und forderte die EU auf, die Verantwortung für die in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge zu übernehmen. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos warnte vor einer Katastrophe für die Menschen im griechischen Grenzort Idomeni.

Die EU-Innenminister berieten in Brüssel auch über das geplante Abkommen mit der Türkei zum Stopp der Migrationsströme, das am kommenden Donnerstag beim EU-Gipfel beschlossen werden soll. Mikl-Leitner nannte es äußerst fragwürdig, wenn die Türkei die EU mit einer Wunschliste konfrontiere und Visa-Befreiungen in Aussicht gestellt bekomme, nachdem kurz zuvor eine regierungskritische Zeitung unter Zwangsverwaltung gestellt worden sei. „Da stelle ich mir schon die Frage, ob wir unsere Werte letztendlich über Bord werfen.“ Auch aus dem EU-Parlament hatte es am Mittwoch Kritik an den Plänen gehagelt, die eine Visa-Befreiung für Türken ab Juni, eine Aufstockung der EU-Finanzhilfen und die direkte Übernahme von Syrern aus den türkischen Flüchtlingslagern vorsehen.

Die Türkei hat am Donnerstag hingegen angekündigt, entgegen der Zusage doch nicht alle Flüchtlinge von den griechischen Inseln zurückholen. Die Türkei werde nur jene zurücknehmen, die „ab einem bestimmten Datum“ illegal auf die griechischen Inseln gelangen. Es könne sich dabei höchstens um Zehntausende handeln, nicht jedoch um Hunderttausende oder gar Millionen.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere forderte vor den Beratungen mit seinen EU-Kollegen, die Kritikpunkte lösungsorientiert und nicht destruktiv abzuarbeiten. In Deutschland kämen immer weniger Flüchtlinge an und die Vereinbarungen mit der Türkei leisteten einiges dafür, dass das auch so bleibe. Am Mittwoch reisten nach Angaben der Bundespolizei nur 125 Migranten in Deutschland ein, der zweitniedrigste Tageswert in diesem Jahr.

Kanzlerin Merkel kritisierte in einem MDR-Radio-Interview, dass die einseitigen Grenzschließungen Österreichs und der Balkanländer Deutschland zwar weniger Flüchtlinge bringe, zugleich aber den EU-Partner Griechenland in eine schwierige Situation bringe. Dagegen hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk den Balkanstaaten am Mittwoch dafür gedankt, die Route für Migranten geschlossen zu haben.

Zugleich blieb die Zukunft für mehr als 35.000 Flüchtlinge unklar, die infolge der Grenzschließungen in Idomeni gestrandet sind. Das dortige Flüchtlingslager versinkt nach heftigen Regenfällen im Schlamm. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn nannte die Bilder von dort scheußlich und forderte, die Lage zu verbessern. De Maiziere sagte, er habe gehört, dass die griechischen Behörden vor Ort mittlerweile neue Unterkünfte angeboten hätten. „Es ist nicht zu viel verlangt von den Flüchtlingen, dass sie in bessere Unterkünfte gehen als in die schlechten, in denen sie bisher sind.“ Die EU hat Griechenland bis zu 700 Millionen Euro an Nothilfe zur Versorgung der Flüchtlinge im eigenen Land zur Verfügung gestellt.

Trotz der verschärften Einreisebestimmungen in Europa wagen Migranten weiterhin die Fahrt über die Ägäis. Dabei kamen nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Dogan in der Nacht fünf Menschen ums Leben, darunter ein Baby. Die aus Afghanistan und dem Iran stammenden Menschen hätten versucht, mit einem Schnellboot die griechische Insel Lesbos zu erreichen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Landtagswahlen Baden-Württemberg 2026: AfD liegt vor den Grünen – eine Partei gewinnt noch mehr
09.05.2025

Die AfD überholt erstmals laut Insa-Umfrage die grüne Partei in Baden-Württemberg, die seit 13 Jahren regiert und die größte...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Kunstmarkt: Familienangelegenheiten im Auktionshaus Lempertz - und was Unternehmer davon lernen können
09.05.2025

Lempertz in Köln ist das älteste Auktionshaus der Welt in Familienbesitz. Isabel Apiarius-Hanstein leitet es in sechster Generation. Erst...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung – Ghettobildung nimmt zu
09.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie auf Rekordkurs nach starkem Quartalsgewinn – und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag zugelegt – und im Handelsverlauf ein neues Jahreshoch erreicht. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU schlägt zurück: Diese US-Produkte stehen nun im Visier von Brüssel
09.05.2025

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Liste von US-Produkten veröffentlicht, auf die im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Daimler-Sparprogramm: Was plant Daimler Truck in Deutschland?
09.05.2025

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck strebt an, seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhöhen und hat sich mit dem...

DWN
Panorama
Panorama Endlos-Hitze droht im Sommer: Wetterextreme betreffen jüngere Generationen erheblich stärker
09.05.2025

Endlos-Hitze droht im Sommer - diese Schlagzeile geistert an diesem Freitag durch die Medien. Klar ist, dass die Folgen der globalen...

DWN
Technologie
Technologie Datenfalle USA: Warum viele Unternehmen in Gefahr sind - ohne es zu merken
09.05.2025

Viele Unternehmen übertragen täglich Daten in die USA – und merken nicht, dass sie damit in eine rechtliche Falle tappen könnten. Das...