Politik

In der EU wächst der Widerstand gegen Merkels Flüchtlings-Plan

In der EU wächst der Widerstand gegen den Plan von Angela Merkel, die Flüchtlinge in die Türkei abzuschieben. Während die Merkel-Leute plötzlich die Türkei als Musterland in Sachen Menschenrechte loben, äußern andere Staaten ernste Bedenken. Auch wegen der Balkan-Route gibt es Streit zwischen der EU und Merkel.
11.03.2016 00:39
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der geplante Flüchtlingspakt zwischen der Europäischen Union und der Türkei stößt zunehmend auf Kritik. Der UN-Menschenrechtskommissar bezeichnete die geplanten Massenabschiebungen aus Griechenland am Donnerstag als „illegal“. Auch Österreich, Belgien und Luxemburg äußerten Vorbehalte. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Kanzleramtsminister Peter Altmaier (beide CDU) verteidigten dagegen die geplante Vereinbarung.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Raad al-Hussein, warnte in Genf, „kollektive und willkürliche Abschiebungen“ von Flüchtlingen in die Türkei wären „illegal“. Einreisebeschränkungen ohne Prüfung der einzelnen Flüchtlinge seien eine „Verletzung internationalen und europäischen Rechts“. Am Dienstag hatte sich bereits UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi „zutiefst besorgt“ über die Pläne gezeigt.

Die Türkei hatte Anfang der Woche angeboten, alle neu ankommenden Flüchtlinge aus Griechenland zurückzunehmen. Für jeden abgeschobenen Syrer soll die EU dabei einen der 2,7 Millionen Syrer in der Türkei auf legalem Weg aufnehmen. Im Gegenzug fordert Ankara weitere Hilfen, Visafreiheit für seine Bürger und die Eröffnung neuer Kapitel bei den EU-Beitrittsverhandlungen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) machte deutlich, dass aus Griechenland abgeschobene Syrer keine Möglichkeit erhalten sollen, über das Umsiedlungsprogramm legal aus der Türkei nach Europa zu kommen. Ziel sei es, das „Geschäftsmodell der Schlepper kaputt zu machen“, sagte er beim Innenministertreffen in Brüssel.

Neben Zeid äußerten aber auch mehrere EU-Regierungen Kritik an den Plänen. Der Plan müsse „juristisch, politisch, aber auch menschlich“ geprüft werden, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Die Türken seien „sehr entfernt von den Werten und Prinzipien Europas“, sagte der belgische Innenminister Jan Jambon mit Blick auf einen EU-Beitrittswunsch der Türkei.

Sie stelle sich „die Frage, ob wir unsere Werte letztendlich über Bord werfen“, sagte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Es sei „äußerst fragwürdig“, wenn Ankara eine regierungskritische Zeitung unter Zwangsverwaltung stelle und nun mit Visafreiheit belohnt werde. Pressefreiheit ist wichtiger denn je.

Kanzleramtschef Altmaier sagte der „Welt“, die Türkei sei als Partner in der Flüchtlingskrise verlässlicher als einige EU-Staaten. Daher sei es richtig, mit ihr zusammenzuarbeiten. Die Türkei habe sich in dieser Lage „europäischer verhalten als so manches Land in Europa“. Der aktuelle Plan biete „die konkrete Chance, die Flüchtlingskrise zu lösen, ohne unsere humanitären Ansprüche aufzugeben“.

Merkel verteidigte die geplanten Hilfen von sechs Milliarden Euro für die Türkei als „fairen Interessenausgleich“. Zu den Erfolgsaussichten eines EU-Beitritts der Türkei äußerte sie sich in der „Mitteldeutschen Zeitung“ dagegen zurückhaltend. „Der Beitrittsprozess wird ergebnisoffen geführt. Wir sind weit davon entfernt, wesentliche Verhandlungskapitel zu schließen“, sagte Merkel. „Das alles braucht noch sehr viel Zeit.“

Die jüngsten Spannungen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Gipfelchef Donald Tusk haben Besorgnis im Kreis der EU-Partner ausgelöst. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte am Donnerstag in Brüssel, in der derzeitigen Lage sei es wichtig, zusammenzustehen und „Zerknirschungen“ an der Spitze der EU zumindest nicht nach außen hin zu zeigen. Gemeinsam müsse man daran arbeiten, „dass Herr Tusk und auch Frau Merkel sich noch immer wohl fühlen in dem Verein, der Europäische Union genannt wird“, kommentierte Asselborn.

Die Kanzlerin und der EU-Ratspräsident hatten zuletzt unter anderem über den Kurs der EU in der Flüchtlingskrise gestritten. In den Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels am vergangenen Montag ließ Tusk gegen den Willen Merkels einen Satz schreiben, mit dem die Balkanroute für „geschlossen“ erklärt wurde. In der Endfassung fehlte diese Formulierung. Sie wurde durch den kryptischen Satz „Bei den irregulären Migrationsströmen entlang der Westbalkanroute ist nun das Ende erreicht“ ersetzt.

Tusk ließ es sich am Tag nach dem Gipfel nicht nehmen, die Balkan-Route erneut für geschlossen zu erklären – nicht ohne eine unübersehbare Genugtuung, denn die Slowenen und Kroaten setzten sich über die Forderung Merkels hinweg, die Grenzen offen zulassen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Währungsunion DDR: Der teure Preis der D-Mark-Euphorie
27.06.2025

Als die D-Mark kam, war die Euphorie groß – doch der Preis dafür war hoch. Innerhalb weniger Monate brach ein ganzes Wirtschaftssystem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa tankt grün – doch reicht das für die Verkehrswende?
27.06.2025

Der Verbrauch alternativer Kraftstoffe in Europa boomt – doch hinter den Rekordzahlen bleibt vieles fraglich. Ist das echter Klimaschutz...

DWN
Politik
Politik Von der Leyens Deal mit der Rechten: Was das für den Green Deal heißt
26.06.2025

Die Green Claims-Richtlinie sollte Greenwashing in Europa beenden. Doch Ursula von der Leyen lässt das Projekt fallen – auf Druck von...

DWN
Finanzen
Finanzen Panzer oder Chips: Europas Rüstungsaktien überholen Tech-Aktien
26.06.2025

Rüstungsaktien überflügeln Tech-Aktien – Europas Waffenhersteller sind an der Börse teurer als Nvidia & Co. Doch wie lange kann das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die Pleitewelle rollt: Rekordstand bei Firmeninsolvenzen
26.06.2025

Die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland steigt auf ein Zehnjahreshoch – trotz abgeflauter Dynamik. Besonders betroffen sind der...

DWN
Finanzen
Finanzen Verbraucher sparen lieber, als ihr Geld auszugeben
26.06.2025

Die Deutschen halten ihr Geld zusammen – trotz besserer Konjunkturaussichten. Eine neue Studie zeigt: Aus Angst vor wirtschaftlicher...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leica mit Rekordumsatz: Kamera-Pionier setzt auf Smartphone-Erfolg
26.06.2025

Leica wächst weiter: Mit einem Rekordumsatz im Rücken und einer traditionsreichen Geschichte treibt der Kamera-Hersteller seine Expansion...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse: Bundestag beschließt Verlängerung bis Ende 2029
26.06.2025

Die Mietpreisbremse soll weitere vier Jahre gelten – doch sie ist umstritten wie eh und je. Während der Eigentümerverband sie für...