Politik

Türkei bestellt deutschen Botschafter wegen TV-Satire ein

Lesezeit: 2 min
29.03.2016 00:05
Die Türkei hat den deutschen Botschafter einbestellt, weil eine deutsche TV-Satire offenbar das Missfallen von Präsident Erdogan erregt hat. Auch EU-Diplomaten haben den Zorn Erdogans auf sich gezogen, weil sie bei den Prozessen gegen kritische Journalisten anwesend waren.
Türkei bestellt deutschen Botschafter wegen TV-Satire ein
Eine Ausschnitt aus dem Erdogan-Song des WDR. (Screeshot: Youtube)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Türkei  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das türkische Außenministerium hat einem Spiegel-Bericht zufolge den deutschen Botschafter wegen eines satirischen TV-Beitrags einbestellt. Der Diplomat musste sich demnach bereits am vergangenen Dienstag in einem längeren Gespräch rechtfertigen. Dabei sei es um eine knapp zweiminütige Satire aus einer NDR-Sendung über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegangen, berichtete der Spiegel. Das Auswärtige Amt wollte sich dazu nicht äußern.

Am Wochenende hatte Erdogan Diplomaten scharf kritisiert, weil sie einen Prozess gegen zwei prominente Journalisten besucht haben. Das entspreche nicht dem diplomatischen Protokoll, sagte Erdogan bei einem Treffen von Geschäftsleuten in Istanbul. Das Verfahren gegen die beiden Journalisten wegen Spionage hat im Ausland für viel Aufmerksamkeit und Kritik gesorgt.

Am Samstag sagte Erdogan vor Wirtschaftsvertretern in Istanbul: «Wer sind sie? Was haben sie dort zu suchen? Dies ist nicht ihr Land, dies ist die Türkei.» Diplomaten dürften sich nur in ihren Vertretungen frei bewegen, ergänzte Erdogan.

Besonders kritisierte Erdogan den britischen Generalkonsul Leigh Turner, der sich auf Twitter an der Diskussion um den Prozess beteiligte und ein Foto teilte.

Mehrere Diplomaten, darunter Turner und der deutsche Botschafter Martin Erdmann, hatten am Freitag in Istanbul den Beginn des Prozesses gegen die Journalisten Can Dündar und Erdem Gül beobachtet. Ihnen wird unter anderem Spionage und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Dündar ist Chefredakteur der Zeitung «Cumhuriyet», Gül deren Hauptstadt-Büroleiter.

Die Kontroverse um die Teilnahme der Diplomaten spitzte sich am Montag zu, als Erdogan direkt auf eine Twitter-Nachricht Turners reagierte. Dieser hatte geschrieben, die Türkei entscheide selbst, was für ein Land sie sein wolle. Erdogan erklärte auf einer Veranstaltung in Istanbul, damit sei eine Grenze überschritten worden. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sagte er: «Wenn diese Person noch immer ihren Dienst in der Türkei fortführen kann, ist das unserem Edelmut und unserer Gastfreundschaft zu verdanken.» Woanders würden Diplomaten, die ein solches Benehmen an den Tag legten, nicht einen Tag länger geduldet.

Auch Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte die Prozess-Teilnahme der Diplomaten kritisiert. Anadolu berichtete unter Berufung auf Diplomatenkreise, das türkische Außenministerium habe sich bei einigen ausländischen Vertretungen wegen der Teilnahme ihrer Diplomaten beschwert. Wie genau die Beschwerde aussah, war zunächst unklar. Auch eine Bestätigung des Außenministeriums lag zunächst nicht vor.

Hintergrund der Anklage gegen Dündar und Gül ist ein Bericht der «Cumhuriyet» aus dem vergangenen Jahr über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien. Den Journalisten droht lebenslange Haft. Erdogan, der gegen Dündar und Gül persönlich Anzeige erstattet hatte, sowie der türkische Geheimdienst MIT treten als Nebenkläger auf.

Der Prozess hatte internationale Kritik ausgelöst. Die Organisation Reporter ohne Grenzen und Menschenrechtsorganisationen fordern eine Einstellung des Verfahrens, das aus ihrer Sicht politisch motiviert ist.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Umweltbewusst und günstig: Hondas Leasing-Modell für die elektrifizierten Fahrzeuge von Honda

Der Managing Director der Honda Bank Volker Boehme spricht mit den DWN über die neuesten Entwicklungen im Leasinggeschäft für die...

DWN
Politik
Politik Bund der Steuerzahler: Die Schuldenbremse ist unverzichtbar
01.12.2023

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, hält die Schuldenbremse in ihrer gegenwärtigen Form für unverzichtbar. Im...

DWN
Politik
Politik Israel jagt Hamas mit Superbombe
02.12.2023

Die Vereinigten Staaten haben Israel hundert sogenannte Blockbuster-Bomben geliefert, mit denen Israel die Terroristen der Hamas in den...

DWN
Politik
Politik Haushaltskrise: Wo Finanzminister Lindner den Rotstift ansetzen will
02.12.2023

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat erstmals konkretisiert, in welchen Bereichen er Einsparungen für möglich hält, um die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Die Verwalter des Wohlstands sind mit ihrem Latein am Ende angekommen
02.12.2023

In Deutschland und Österreich sinkt die Wirtschaftsleistung. Was ist passiert? Welche geheimnisvollen, bösen Mächte sind da am Werk,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Europas Petrochemie steht mit dem Rücken zur Wand
01.12.2023

Die petrochemische Industrie in Europa gerät in schweres Fahrwasser. Wenn von Seiten der Politik nicht rasch und grundlegend...

DWN
Finanzen
Finanzen Anleger ignorieren Warnungen der EZB, wetten auf Zinssenkung
01.12.2023

Entgegen allen Warnungen der EZB wetten die Märkte auf baldige Zinssenkungen. Damit stellen die Geldpolitik auf eine harte Probe. Gibt...

DWN
Finanzen
Finanzen Raus aus den Schulden – Wie mit Kreditkarten-, Immobilien- und Konsumschulden umgehen?
02.12.2023

Gerade in der aktuellen Wirtschaftslage steigt für viele Menschen das Risiko einer Überschuldung enorm, da Zinsen steigen, Arbeitsplätze...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche Banken fordern ein Comeback der Verbriefungen
01.12.2023

Nachdem schon Commerzbank-Chef Knof ein Ende ihrer Stigmatisierung gefordert hat, macht sich nun auch Deutsche-Bank-Chef Sewing für...