Politik

Abschiebung von Flüchtlingen beginnt ohne Gewalt-Szenen

Die erste Massen-Abschiebung von Flüchtlingen und Migranten aus Griechenland in die Türkei verlief am Montag überraschend ruhig. Proteste gab es vor allem von Aktivisten, die gegen die Aushebelung der Menschenrechte auf die Straße gingen.
04.04.2016 15:11
Lesezeit: 2 min

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An Bord von drei Schiffen sind am Montag im Zuge des umstrittenen Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei die ersten Flüchtlinge aus Griechenland abgeschoben worden. Nach amtlichen griechischen Angaben brachten zwei Fähren 136 Menschen von der Ägäisinsel Lesbos zum türkischen Festland, weitere 66 Menschen wurden von der Insel Chios abgeschoben.

Unter den Abgeschobenen befanden sich hauptsächlich Menschen aus Pakistan und Afghanistan ohne Asylantrag. Unter ihnen waren aber auch zwei syrische Flüchtlinge, die "aus persönlichen Gründen" kein Asyl beantragten, wie der Koordinator der griechischen Regierung für Migrationspolitik, Giorgos Kyritsis, mitteilte.

Um der Abschiebung zu entgehen, beantragten zuletzt viele Flüchtlinge Asyl in Griechenland. Laut dem UN-Flüchtlingskommissariat erklärten mehr als

2000 Flüchtlinge auf Lesbos ihre Absicht, Asyl zu beantragen.

Auf Lesbos und Chios protestierten Aktivisten gegen die mit Hilfe griechischer Polizisten vorgenommene Abschiebung der Flüchtlinge, doch verlief die Aktion nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex "sehr ruhig".

Dutzende Demonstranten solidarisierten sich mit den Flüchtlingen. Sie riefen Parolen wie "Freiheit", "Keine Abschiebungen" und "Nieder mit dem schmutzigen Deal". In der türkischen Hafenstadt Dikili ging die Polizei gegen zwei Demonstranten vor, die zur Begrüßung der Abgeschobenen ein Spruchband aufgespannt hatten.

Gemäß dem zwischen der Türkei und der Europäischen Union geschlossenen Abkommen sollen alle nach dem 20. März in Griechenland eingetroffenen Flüchtlinge abgeschoben werden, die kein Asyl in Griechenland beantragten oder deren Anträge abgelehnt wurden.

Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melissa Fleming, mahnte im SWR, jeder Einzelne müsse angehört werden und die Chance bekommen, einen Asylantrag zu stellen, sonst dürfe er nicht zurück in die Türkei gebracht werden. Es mangele aber "dramatisch" an Personal, um die Fälle zu bearbeiten.

Die Bedingungen seien folglich nicht so, dass Menschen bereits in die Türkei zurückgeführt werden könnten.

Nach Berechnung von AFP sollen insgesamt rund 6000 Flüchtlinge aus Griechenland abgeschoben werden - laut der griechischen Nachrichtenagentur ANA allein bis Mittwoch 750. Die Türkei baut derzeit Aufnahmelager an der Küste gegenüber von Lesbos und Chios auf sowie ein größeres Flüchtlingslager im Inland. Die EU schickte zur Unterstützung der Aktion Sicherheitskräfte, Dolmetscher und Asylentscheider. Allein Frankreich entsandte 200 Polizisten.

Im Gegenzug für jeden zurückgeschickten Syrer hat die EU zugesagt, einen anderen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf legalem Wege aufzunehmen - bis zu einer Obergrenze von 72.000. In Hannover trafen am Montag 32 syrische Flüchtlinge an Bord von zwei Flugzeugen aus Istanbul ein.

Menschenrechtsaktivisten übten weiter heftige Kritik an dem Flüchtlingsdeal zwischen der EU und Ankara. "Das ist ein rechtswidriger Akt der Unmenschlichkeit", erklärte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. In Griechenland existiere "kein rechtsstaatliches Asylverfahren", und die Türkei sei "kein sicherer Drittstaat, der Flüchtlinge schützt". Die stellvertretende Europa-Direktorin von Amnesty International, Gauri Vangulik, warnte auf Lesbos vor "einer der verheerendsten Episoden der europäischen Asylpolitik".

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), verteidigte dagegen die Vereinbarung als "Schlag gegen das Schlepperwesen".

Zudem würden die syrischen Flüchtlinge in der Türkei gut behandelt, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Im Sender N24 kritisierte Schulz die mangelnde Einheit der EU-Staaten in der Flüchtlingsfrage. Wenn sich alle Mitgliedstaaten an der Bewältigung des Problems beteiligen würden, gäbe es "keine Krise" sagte er.

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