Politik

Köln: Sexuelle Nötigung nicht erwiesen - Freispruch für Algerier

Lesezeit: 2 min
07.05.2016 01:30
Ein Verdächtiger der Kölner Silvesternacht wurde vom Vorwurf der sexuellen Nötigung freigesprochen. Er wurde wegen Hehlerei zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Keine der 429 Anzeigen wegen Sexualstraftaten hat bisher zu einer Verurteilung geführt.
Köln: Sexuelle Nötigung nicht erwiesen - Freispruch für Algerier

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Zwei Stunden nach Prozessbeginn verkündet das Kölner Amtsgericht sein Urteil gegen den Angeklagten: Für den Vorwurf der versuchten sexuellen Nötigung gibt es keine Beweise. Es kann nicht als erwiesen angenommen werden, dass der 26-Jährige zu einer Gruppe von Männern gehörte, die eine Frau am Kölner Hauptbahnhof eingekreist, begrapscht und bedroht hatten. Der Prozess am Freitag offenbarte das Dilemma, in dem Ermittler und Gerichte stecken, wenn es um die Aufklärung der sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht in Köln geht.

«Die Vorwürfe aus der Anklage haben schwer gewogen», sagt Richter Frank Altpeter bei der Urteilsbegründung laut dpa-Korrespondetenbericht. «Wenn sie sich erwiesen hätten, wäre hier eine andere Strafe herausgekommen.»

Laut Anklage sollte der Algerier zu einer Gruppe von etwa zehn Männern gehören, die ihr Opfer zwei bis drei Minuten umzingelten und «in sexueller Motivation» am Gesäß und der Taille anfassten. Nur weil die Frau sich ihre Handtasche vor die Brust presste, sei es den Tätern nicht gelungen, sie auch dort zu berühren. In dem Getümmel soll der 26-Jährige ihr das Handy aus der Jacke gezogen haben.

Nun sitzt die 54-Jährige auf dem Zeugenstuhl. «Wir haben in der Bahnhofsvorhalle auf die Anzeigetafel geguckt. Plötzlich war ich von einer starken Traube von Herren umgeben», schildert sie. Sie sei eingekeilt gewesen und betatscht worden. Sie habe das als sehr bedrohlich empfunden. «Da waren plötzlich überall Finger an mir, fremde Hände», erzählt die Frau.

«Ging es den Tätern Ihrer Meinung nach um die sexuelle Berührung, oder war das ein Ablenkungsmanöver, um Sie bestehlen zu können?», fragt der Richter. «Das kann ich nicht beantworten», sagt die Zeugin. «Kommt Ihnen einer der beiden Angeklagten bekannt vor?» - Die 54-Jährige schaut dorthin, schweigt sekundenlang, dann: «Nein.»

Bei der Polizei hatte man ihr vor einiger Zeit Fotos von verschiedenen Personen vorgelegt, darunter ein Bild des 26-Jährigen. Damals hatte die Frau ihn noch «mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 70 Prozent» identifiziert. Jetzt nicht einmal mehr das. Der Vorwurf der sexuellen Nötigung sei nicht nachzuweisen, räumt die Staatsanwältin daraufhin in ihrem Plädoyer ein.

Und was ist mit dem Handy, das der Frau an Silvester gestohlen und später bei dem Angeklagten gefunden wurde? Der Verteidiger erläutert, sein Mandant habe das Mobiltelefon nach Silvester für 40 Euro in einem arabischen Café von einem Tunesier gekauft, dessen Namen er nicht kenne. Die Frau hat das Fehlen des Handys erst bemerkt, nachdem sie aus dem Gewühl entkommen war.

Ähnlich verläuft der Prozess gegen einen zweiten Angeklagten, dem Raub vorgeworfen wird, weil er einer Frau ihr Handy gestohlen haben soll. Die 51-Jährige schildert zwar anschaulich, wie sie in einer riesigen Menschenmenge von ihrem Ehemann getrennt und ihr Handy geklaut worden sei - doch wann genau und von wem, das kann sie nicht sagen.

Was bleibt? Die beiden Angeklagten hatten im vergangenen Dezember eine Autoscheibe eingeschlagen und versucht, Wertgegenstände aus dem Wagen zu stehlen. Dabei wurden sie auf frischer Tat ertappt, vor Gericht gestanden sie die Tat.

Am Ende der Verhandlung steht für beide Männer eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung wegen Hehlerei und gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls. Da gegen die Männer, die in Untersuchungshaft saßen, ein Abschiebehaftbefehl vorliegt, müssen sie allerdings erst mal ins Gefängnis zurück.

Mehr als 1100 Anzeigen sind im Zusammenhang mit Silvester bei der Kölner Staatsanwaltschaft eingegangen, 492 davon wegen Sexualstraftaten. Bislang wurden neun Angeklagte unter anderem wegen Diebstahls verurteilt - noch keiner wegen eines Sexualdelikts.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Anzeige
DWN
Ratgeber
Ratgeber Sichere Mobilgeräte für Ihr Business: Das Samsung Security Ecosystem

In vielen Unternehmen sind Smartphones und Tablets längst zum unverzichtbaren Arbeitsmittel geworden. Je nach Einsatzgebiet sind die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Mineralreiche Staaten werden sich ihrer Marktmacht bewusst – doch ein Kartell ist weiterhin keine Option
21.09.2023

Wenn auch das Zeitalter der fossilen Energieträger bei weitem noch nicht abgelaufen ist, so nimmt die Bedeutung von Alternativen in...

DWN
Politik
Politik Ende der Geduld: Polen stoppt Waffenlieferungen an Ukraine
21.09.2023

Polen will die Ukraine nicht mehr mit Waffen versorgen und sich stattdessen auf die eigene Aufrüstung konzentrieren. Ist damit der Weg...

DWN
Finanzen
Finanzen Yuan überholt Dollar in Chinas Außenhandel
21.09.2023

Der Yuan baut seinen Vorsprung auf den Dollar in Chinas Außenhandel aus – Symptom strategischer Verschiebungen im Handel- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation gebannt? Schweiz lässt Zinsen unverändert
21.09.2023

Die Schweiz hat überraschend auf eine Zinserhöhung verzichtet, auch weil die Inflation zuletzt niedrig war. Weitere Anhebungen könnten...

DWN
Politik
Politik Steuereinnahmen steigen deutlich, aber Geld ist schon verplant
21.09.2023

Die Steuereinahmen von Bund und Ländern lagen im August knapp 9 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Doch dies ist in der Haushaltsplanung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Additive Fertigung: Wo Deutschland an der Spitze steht
20.09.2023

In einer Zeit, in der Deutschland auf fast allen Feldern zurückzufallen scheint, meldet das Europäische Patentamt (EPA) Hoffnungsvolles:...

DWN
Politik
Politik Steigende Preise bei Munition belasten NATO-Staaten
20.09.2023

Die höheren Militärausgaben bringen nicht automatisch mehr Ausrüstung und Munition, warnt ein hochrangiger NATO-Beamter. Denn die Preise...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutsche Erzeugerpreise fallen in Rekordtempo
20.09.2023

Die deutschen Erzeugerpreise lagen im August 12,6 Prozent niedriger als noch ein Jahr zuvor, als die Energiepreise durch die Decke gingen....