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11.05.2016 11:01
Aldi Süd reagiert auf das veränderte Kaufverhalten der Kundschaft. Der Discounter präsentiert jetzt eine „Filiale der Zukunft“. Das große Thema heißt Digitalisierung.

Die Deutschen geben mehr Geld fürs Essen aus. Bis Ostern stiegen die Umsätze der Supermärkte um 3,8 Prozent - und sogar die Discounter legten um 2,9 Prozent zu und sind damit heute dick im grünen Bereich, wo vor zwölf Monaten noch ein rotes Minus stand, wie der Markforscher GfK feststellte. Aldi, Lidl und Co. stehen gewaltig unter Druck - billig allein reicht schon lange nicht mehr. Wie bei Aldi Süd eine Filiale der Zukunft aussieht, will der Marktführer am Mittwoch im Münchner Vorort Unterhaching zeigen.

Wohin die Reise geht, ist aber schon klar, so die dpa. Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern bringt die Kundenwünsche auf den Punkt: Billig, frisch, schnell. Aber das ist noch nicht alles: Die Masse der Kunden wird zunehmend anspruchsvoller und erwartet mehr, sagt Marketingexperten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU. Allerdings sind nur die wenigsten bereit, hierfür mehr zu zahlen.

Das klingt nach der Quadratur des Kreises. Nirgendwo in Europa ist der Konkurrenzkampf auf dem Lebensmittelmarkt so hart wie in Deutschland; die Deutschen zahlen für Lebensmittel so wenig wie kaum ein anderer Europäer. Das liegt letztlich am enorm hohen Marktanteil der Discounter - rund 40 Prozent, das ist weltweit einmalig, erklärt Fassnacht. In Großbritannien oder den USA liege der Anteil der Discounter unter 10 Prozent. Aldi und Lidl sind Effizienzmaschinen.

Aber die Discounter haben in den vergangenen Jahren Marktanteile verloren, die Supermärkte um die Ecke haben dazugewonnen. Rewe, Edeka und Co. sind mit eigenen Billigangeboten, weit größerer Auswahl und mehr Service besser auf die sich wandelnden Kundenwünsche eingegangen. Jetzt rüsten die Discounter auf.

Aldi und Lidl bieten Frischfleisch und Fisch sowie backfrisches Brot aus dem Automaten. Das Bio-Sortiment wächst, ebenso das für vegetarische und vegane Lebensmittel. Nach Lidl hat auch Aldi viele Markenartikel ins Sortiment genommen, von Nivea und Pampers bis Coca Cola und Red Bull. Damit wollen die Unternehmen junge, markenaffine Kunden in die Läden locken und und Stammkunden den zusätzlichen Gang in den Supermarkt überflüssig machen.

Dass noch mehr geht, zeigt Aldi seit einigen Monaten in Kirchseen bei München. Die Filiale erstrahlt in neuem Design, mit viel Tageslicht, breiten Gängen, aufgeräumten Regalen, viel Holz. Obst und Gemüse werden präsentiert wie an einem Marktstand. Über Display kann der Kunde Rezepte samt den nötigen Zutaten aufrufen. Es gibt eine Snack-Kühltheke, einen Kaffeeautomaten samt Sitzbank sowie Kundentoiletten.

Wenn nicht Aldi drauf stünde, könnte es fast auch schon ein Rewe oder Edeka sein, sagt Handelsverbandsmann Ohlmann: Die Unterschiede zwischen Discounter und Supermarkt verschwimmen. Aber die Discounter experimentierten noch. Ob das flächendeckend kommt, ist offen.

Aldi habe Nachholbedarf und passe sich dem Trends an, meint GfK-Experte Wolfgang Adlwarth. Der Kunde wolle schnell und günstig einkaufen in einer angenehmen Atmosphäre. Er will heute nicht mehr zwischen ollen Paletten runkrabbeln. Aber es gibt Grenzen.

Die Inszenierung des Obst- und Gemüseangebots sei nicht vergleichbar mit der in einem Supermarkt, sagt Adlwarth. Und WHU-Marketingexperte Fassnacht betont, zu viel Annäherung wäre auch schlecht. Sie dürfen ihre DNA als Discounter nicht verlieren. Man kann sich auch zu chic machen. Wenn Aldi moderner erscheine und Geld investiere, damit sich die Verbraucher wohl fühlten, sei das grundsätzlich richtig: Die Kunden erwarten mehr als früher. Eine Kundentoilette sei gut, ein Kaffeeautomat gerade noch vertretbar - aber nur ein Automat, ohne Bedienpersonal. Und dass Waren weiterhin in Kartons im Regal stehen, sei ebenfalls stimmig: Aldi bleibt ein Discounter.

Lidl dagegen spreche von der Optimierung des Einkaufserlebnisses und nähere sich schon zu sehr den Supermärkten an: Damit riskieren sie ihren Markenkern, warnt Fassnacht. Wenn das weitergehe, entfernen sie sich zu sehr von ihren Wurzeln. Denn: Die Leute gehen zum Discounter, weil er in ihren Augen günstig ist.

Auch Adlwarth warnt die Billig-Anbieter, ihr Konzept zu verwässern. Wenn die Konjunktur sich drehe und die Verbraucher wieder vor allem billig einkaufen wollten, dürften Aldi, Lidl, Netto und Penny nicht zu weit weg sein von ihrem Discount-Image.

Ein Sprung stehe bei allen Anbietern gemeinsam an, sagt Ohlmann: Das große Thema heißt Digitalisierung.» In einem durchschnittlichen Supermarkt würden heute Preisschilder für 25 000 Artikel von Hand ausgeschrieben. In Zukunft sind elektronische Etiketten an den Regalen. Die Filiale kann sofort reagieren, wenn der Konkurrent die Milch 3 Cent billiger verkauft. Displays an den Regalen informierten bald über Herkunft und Verwendung der Waren, es gebe WLAN. Der Einkaufswagen spiele den Einkaufszettel per App auf. An der Kasse erfasst ein Lesegerät, was im Korb liegt, und der Kunde zahlt bargeldlos per Smartphone oder Fingerabdruck. Dann steht kein Kunde mehr in der Warteschlange. Es wird sich durchsetzen, was schneller ist, sagt Ohlmann voraus.

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