Politik

Erdogan gewinnt erste Runde gegen Böhmermann

Der türkische Präsident Erdogan hat vor dem Hamburger Landgericht einen ersten Erfolg gegen Jan Böhmermann errungen.
17.05.2016 19:08
Lesezeit: 2 min
Erdogan gewinnt erste Runde gegen Böhmermann
Jan Böhmermann. (Screenshot: Dailymotion)

Das Landgericht Hamburg hat auf Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine einstweilige Verfügung gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann erlassen. Böhmermann (35) darf den größeren Teil seines Gedichts „Schmähkritik“ damit nicht wiederholen, wie das Gericht am Dienstag mitteilte. Das Gedicht hatte Böhmermann am 31. März in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragen.

Bei dem Beschluss geht es um Gedichtspassagen, die Erdogan nach Einschätzung des Gerichts angesichts ihres schmähenden und ehrverletzenden Inhalts nicht hinnehmen müsse (Az.: 324 O 255/16). Im Fall einer Zuwiderhandlung drohen nach Angaben des Gerichts ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Somit hat Erdogan die erste Runde gewonnen.

Das Gericht habe zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers abwägen müssen, hieß es zur Begründung. In Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter finde ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung handele oder die Menschenwürde angetastet werde. Böhmermanns Gedicht überschreite diese Grenze in bestimmten Passagen, die schmähend und ehrverletzend seien, so das Landgericht.

Die übrigen Teile setzten sich in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Das türkische Staatsoberhaupt trage politische Verantwortung und müsse sich auch harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen. Hinzunehmen sei auch, dass Böhmermann sich in satirischer Form über den Umgang Erdogans mit der Meinungsfreiheit lustig mache.

Der Anwalt des türkischen Staatspräsidenten, Michael von Sprenger, teilte dazu mit: „Das Gericht hat festgestellt, dass die Äußerungen im „Gedicht“ zweifelsohne schmähend und verletzend sind und es sich nicht um eine Geschmacksfrage handelt.“ Der Anwalt Jan Böhmermanns, Christian Schertz, kommentierte die Entscheidung so: „Wir halten den Gerichtsbeschluss in der konkreten Form für falsch, wenngleich er insbesondere die Aussagen, die den Umgang von Erdogan mit der Meinungsfreiheit in der Türkei betreffen, für zulässig erachtet hat.“

Das Gericht gehe richtigerweise davon aus, dass es sich bei dem Gedicht um Kunst und eine Satire handle. Es mache dann aber den Fehler, bestimmte Aussagen solitär herauszugreifen und zu verbieten, die es als herabwürdigend empfinde. „Das geht im Bereich der Kunstfreiheit nicht“, argumentierte Schertz.

Es sei außerdem nicht berücksichtigt worden, dass Böhmermann erklärt habe, das Gedicht sei einzeln betrachtet eine Schmähung und nicht erlaubt. Er habe sie sich damit ausdrücklich nicht zu eigen gemacht. Zu dieser Spezialität des Falls biete die Beschlussbegründung keine differenzierten Ausführungen, teilte Schertz mit. „Wir werden daher auch hier Rechtsmittel prüfen und gegebenenfalls auch überlegen, Herrn Erdogan zur sogenannten Hauptsacheklage aufzufordern, um notfalls eine Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht zu erwirken.“

Die aktuelle Entscheidung zum Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Böhmermann ist nach Angaben eines Landgerichts-Sprechers unabhängig von den Verfahren, die Böhmermann auf Grundlage des Paragrafen 185 wegen Beleidigung und des Paragrafen 103 wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes noch drohen können.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rüstungskonzern KNDS übernimmt Alstom-Werk in Görlitz und sichert Arbeitsplätze
05.02.2025

Der Rüstungskonzern KNDS übernimmt das Alstom-Werk in Görlitz. In einer feierlichen Zeremonie unterzeichneten die Unternehmen eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Investments 2025: „Gold ist der beste Maßstab für den Wert von Bitcoin, den wir haben“
05.02.2025

Bitcoin-ETFs, politische Entscheidungen und die Goldkorrelation bestimmen die Spielregeln für Bitcoin 2025. Was das für Anleger bedeutet,...

DWN
Immobilien
Immobilien Mehr KfW-Fördermilliarden - auch durch Heizungsgesetz
05.02.2025

Bei der politisch umstrittenen Förderung klimafreundlicher Heizungen verzeichnet die staatliche KfW seit Jahresende 2024 einen merklichen...

DWN
Panorama
Panorama Elf Tote in Schweden: Was ist passiert?
05.02.2025

Nach einer Schießerei an einer Erwachsenenbildungseinrichtung in Schweden bleiben viele Fragen offen. Mindestens elf Menschen starben,...

DWN
Politik
Politik Viererrunde bei RTL: Scholz, Merz, Weidel und Habeck im TV-Schlagabtausch
05.02.2025

Die klassische TV-Schlacht zwischen zwei Kanzlerkandidaten gerät in die Kritik. RTL reagiert und lädt Scholz, Merz, Weidel und Habeck zu...

DWN
Panorama
Panorama USA wollen Gazastreifen übernehmen
05.02.2025

Donald Trump will den Gazastreifen übernehmen und wirtschaftlich entwickeln. Dafür soll das vom Krieg gezeichnete Gebiet erst geräumt...

DWN
Politik
Politik Wagenknecht knüpft politische Zukunft an Wahlerfolg
05.02.2025

BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht kämpft um den Einzug in den Bundestag – und knüpft daran ihre politische Zukunft. Mit einem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Firmen verstärken Investitionen in Mittel- und Osteuropa
05.02.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass immer mehr deutsche Unternehmen überlegen, ihre Produktion nach Mittel- und Osteuropa zu verlagern....