Politik

Frankreich muss wegen Protesten Treibstoff-Reserven nutzen

Frankreich greift derzeit wegen der anhaltenden Proteste gegen die geplanten Wirtschaftsreformen auf seine strategischen Treibstoffreserven zurück. Sechs der acht Raffinerien des Landes stehen still oder arbeiten eingeschränkt.
25.05.2016 12:07
Lesezeit: 2 min

Wegen der Blockade von Raffinerien und Treibstofflagern aus Protest gegen die umstrittene Arbeitsrechtsreform spitzt sich die Lage in Frankreich zu: Die Regierung greift inzwischen auf strategische Reserven zurück, um eine Versorgung des Landes mit Treibstoff sicherzustellen, wie Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies am Mittwoch in Paris sagte. Während die Regierung weitere Blockaden räumen ließ, ist inzwischen auch die Stromversorgung durch die Proteste betroffen - sogar ein Atomkraftwerk.

Der Rückgriff auf die im ganzen Land verteilten strategischen Treibstoffreserven erlaube die schnelle Belieferung bestimmter Regionen, die von der Blockade von Depots betroffen seien, sagte Vidalies. Genutzt wurden seinen Angaben zufolge bislang die Reserven für drei Tage - insgesamt gibt es Reserven für 115 Tage. Der Präsident des Erdöl-Industrieverbandes Ufip, Francis Duseux, sagte dem Sender RMC, aus den strategischen Reserven würde seit „zwei Tagen“ geschöpft. „Die Lage ist angespannt.“ Schuld seien aber auch die Verbraucher: „Wir füllen alle unsere Tanks, weil wir Angst haben.“ In manchen Gegenden werde derzeit drei- bis fünfmal mehr Benzin und Diesel gekauft als sonst.

Aus Protest gegen die geplante Arbeitsrechtsreform in Frankreich blockieren Gewerkschaftsaktivisten schon seit Tagen Erdölraffinerien und Treibstoffdepots und streiken in den Anlagen. Sechs der acht Raffinerien des Landes stehen wegen der Proteste still oder arbeiten nur mit verminderter Leistung. Das hat zu Engpässen bei der Versorgung mit Diesel und Benzin geführt. Vielen Tankstellen geht der Sprit aus, an den Zapfsäulen bilden sich seit Tagen lange Schlangen. Verkehrsstaatssekretär Vidalies sagte, allein im Großraum Paris seien inzwischen „etwas mehr als 40 Prozent aller Tankstellen in Schwierigkeiten“.

Staatschef François Hollande versicherte am Mittwoch nach Angaben von Regierungssprecher Stéphane Le Foll, es werde alles unternommen, „um eine Versorgung der Franzosen und der Wirtschaft sicherzustellen“. Bislang seien bereits „elf Lager befreit worden“. So räumte die Polizei am frühen Mittwochmorgen die Blockaden vor einem Treibstoffdepot im nordfranzösischen Douchy-les-Mines, dabei kam auch ein Wasserwerfer zum Einsatz.

Neben der Benzinversorgung droht auch die Stromversorgung unter den Protesten zu leiden. Die Gewerkschaft CGT, die an der Spitze der Protestbewegung steht, hat zu Streiks in Atomkraftwerken aufgerufen. Erste Stromausfälle gab es bereits in Nantes und Marseille.

Im Atomkraftwerk im rund 100 Kilometer südöstlich von Paris gelegenen Nogent-sur-Seine beschlossen die Mitarbeiter eine Blockade und eine Drosselung der Stromproduktion, wie ein CGT-Vertreter sagte. Ein am Dienstag wegen eines technischen Problems heruntergefahrener Reaktor solle nicht wieder hochgefahren werden. Gegen die geplante Arbeitsrechtsreform, mit der Hollande im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit unter anderem die 35-Stunden-Woche lockern und betriebsbedingte Kündigungen erleichtern will, gibt es schon seit Wochen teils heftige Proteste. Am Donnerstag ist ein erneuter landesweiter Protesttag geplant.

Bei der Staatsbahn SNCF wurde am Mittwoch gegen die Reformpläne und für eine Bewahrung der derzeitigen Arbeitsbedingungen im Unternehmen gestreikt. Die Auswirkungen des Streiks blieben aber begrenzt. Die anhaltenden Proteste lassen auch Befürchtungen mit Blick auf die am 10. Juni in Frankreich startende Fußball-EM wach werden. Laut einer in der Tageszeitung Le Parisien veröffentlichten

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett: Was wir von seinem Rückzug wirklich lernen müssen
10.05.2025

Nach sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway verabschiedet sich Warren Buffett aus dem aktiven Management – und mit ihm...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber kaufen: Was Sie über Silber als Geldanlage wissen sollten
10.05.2025

Als Sachwert ist Silber nicht beliebig vermehrbar, kann nicht entwertet werden und verfügt über einen realen Gegenwert. Warum Silber als...

DWN
Technologie
Technologie Technologieinvestitionen schützen die Welt vor einer Rezession
10.05.2025

Trotz der weltweiten Handelskonflikte und der anhaltenden geopolitischen Spannungen bleibt die Nachfrage nach Technologieinvestitionen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Starbucks dreht den Spieß um: Mehr Baristas statt mehr Maschinen
10.05.2025

Starbucks gibt auf die Maschinen auf: Statt weiter in teure Technik zu investieren, stellt das Unternehmen 3.000 Baristas ein. Nach...