Politik

Aus für Hamburg Freezers: US-Besitzer will nicht mehr investieren

Mit einer großen Spendenaktion wollen die Fans die Hamburg Freezers retten. Rund 1,2 Millionen Euro binnen vier Tagen kommen zusammen. Der Besitzer zeigt sich jedoch unnachgiebig und beendet sein Engagement.
26.05.2016 10:23
Lesezeit: 2 min

Erst Schreie, dann Tränen, schließlich muss eine zusammengebrochene Frau von Sanitätern behandelt werden. Die Nachricht vom Aus des Eishockey-Erstligisten Hamburg Freezers hatte die rund 150 vor der Geschäftsstelle wartenden Fans in Verzweiflung gestürzt. Freezers-Chef Uwe Frommhold verkündete den Menschen den Scharfrichterspruch von US-Besitzer Anschutz Entertainment Group (AEG) mit zittriger Stimme: «Wir werden keine Lizenz für die kommende Saison beantragen. Es tut mir unendlich leid», sagte er kurz vor Mitternacht. Um 24.00 Uhr endete am Dienstag die Lizenzantragsfrist. Die seit 2002 existierenden Freezers sind Geschichte.

Die Hoffnung war so groß, berichtet die dpa: Rund 1,2 Millionen Euro sind bei den beispiellosen Spendenaktionen via Internet und durch Klinkenputzen bei Unternehmen gesammelt worden. Bei der Internet-Plattform Fairplaid zahlten bis Ende des sogenannten Crowdfundings 3319 Menschen 532 952 Euro ein. Insider behaupten, das sei die bislang größte Internet-Spendenaktion in Deutschland. Wer möchte, erhält seine Spende zurück. Ansonsten werden Verwendungszwecke gesucht.

Die Initiatoren um Freezers-Kapitän Christoph Schubert und den zweimaligen Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste aktivierten binnen vier Tagen zahlreiche Hamburger und viele Prominente in Deutschland. «Wir haben aus 0,1 % einen Berg geschaffen», befand Fürste. Die Resonanz war riesig, das Ende traurig. Scheinbar ungerührt sagte AEG: Schluss! «Freezers sein ist eine Lebenseinstellung und endet nicht, weil irgendwer das sagt», betonte Fürste dennoch trotzig.

Nicht einmal die Aussicht, dass ein möglicher Hauptsponsor zehn Jahre lang 550 000 Euro pro Saison zahlen wollte, konnte die AEG umstimmen, klagte Schubert via Facebook. «Eine echte Chance wurde weder uns noch den Hamburg Freezers gegeben», kritisierte er die AEG.

Die Amerikaner mit ihrem weltumspannenden Unternehmen aus der Sport- und Unterhaltungsbranche und ihrem Milliarden-Umsatz wollten das Haushaltsloch bei den Freezers mit der Spende nicht mehr stopfen. Sie hätten es aber zumindest deutlich verringern und den Rettern einen einjährigen Aufschub bei der Käufer-Suche gewähren können. Wollten sie aber nicht. Rund 2,5 Millionen Euro soll das Defizit alljährlich betragen. Daran änderte auch der viertbeste Zuspruch in der DEL von 9022 Zuschauern pro Heimspiel in der Barclaycard-Arena, die AEG ebenfalls besitzt, nichts.

«Leider haben wir keinen strategischen Partner gefunden, der die Freezers übernimmt und AEG von der Aufgabe befreit hätte, zwei Teams in einer Liga zu betreiben», ließ AEG-Europa-Präsident Tom Miserendino via Pressemitteilung wissen. Neben den Freezers finanziert das Unternehmen auch die erfolgreicheren Eisbären Berlin.

Miserendino bezeichnete die Resonanz auf das Crowdfunding und die Unterstützung aus der Wirtschaft als «wirklich erstaunlich». Doch die «erhebliche Unterdeckung des Budgets» wäre geblieben, monierte er. Seit 2011, als AEG schon einmal den Hamburger Club schließen wollte, wurde ein Käufer gesucht. Aber keiner biss an. Was in fünf Jahren nicht gelang, musste in sechs Tagen trotz leidenschaftlichen Engagements vermutlich erst recht scheitern. Aber die gewaltige Solidarität sollte ein Signal zum Neustart sein.

Nach Olympia-Aus, Untergang der HSV-Bundesliga-Handballer und dem wirtschaftlich begründeten Abstieg der Hamburger Volleyball-Frauen von der Bundes- in die 2. Liga muss die Hansestadt die nächste Schlappe verkraften. «Innensenator Andy Grote hat mit allen telefoniert. Die Drähte haben geglüht. Wir haben das getan, was die Stadt tun kann als Türöffner und Vermittler. Ein finanzielles Engagement der Stadt ist ja leider nicht möglich», sagte Grotes Sprecher Frank Reschreiter am Mittwoch. Denn die Hansestadt darf keine Steuermittel zur Finanzierung des Profisports einsetzen.

Die Freezers-Spieler suchen jetzt neue Vereine, den rund 20 Angestellten der Geschäftsstelle droht die Arbeitslosigkeit. Die Deutsche Eishockey Liga will erneut mit 14 Teams antreten. Ein Kandidat sind die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven. Auch die Konkurrenten sind geschockt: «Wir werden Euch und Eure großartigen Fans vermissen», kondolierten die Ice Tigers aus Nürnberg.

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