Finanzen

Krise: Deutsche Bahn will Lokführer durch Roboter ersetzen

Die Deutsche Bahn befindet sich in einer Krise: die Umsätze gehen zurück, Werke stehen vor dem Aus und bis zu 200 Züge sollen verkauft werden. Trotz Schulden in Milliardenhöhe investiert das Unternehmen nun verstärkt in selbstfahrende Züge. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer ist empört.
10.06.2016 20:36
Lesezeit: 4 min

Die Deutsche Bahn kann den Abwärtstrend nicht stoppen und verschärft ihren Sparkurs. Zwischen Januar und März machte der Staatskonzern einen Umsatz von 9,75 Milliarden Euro, wie Unterlagen zeigen, die der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorlagen. Selbst im verlustreichen Vorjahr waren es noch 160 Millionen Euro mehr. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) lag mit 384 Millionen Euro um rund 50 Millionen Euro unter Vorjahr. Der Trend setzte sich auch im April fort. Neben den Kürzungsplänen im krisengeschüttelten Schienen-Güterverkehr stehen nun auch ein Viertel der rund 100 Instandhaltungswerke vor dem Aus. Ferner plant das Staatsunternehmen den Verkauf von fast 200 Lokomotiven an den japanischen Toshiba-Konzern, der damit ins Geschäft mit dem Lok-Verleih in Europa einsteigen will.

Die Bahn hatte im vergangenen Jahr erstmals seit zehn Jahren mit 1,3 Milliarden Euro wieder einen Verlust ausgewiesen. Verantwortlich war vor allem die Güterbahn, wo Abschreibungen von rund einer Milliarde Euro anfielen. Bahnchef Rüdiger Grube wechselte mehrere Vorstandsmitglieder aus und steht nun selber unter Druck. Sein Vertrag läuft 2017 aus und müsste deshalb bald verlängert werden. Für dieses Jahr hat er wieder einen Gewinn versprochen.

Der Negativ-Trend spiegelt sich auch in den Transportleistungen des Konzerns wider, der in diesem Jahr auf ein Vierteljahrhundert mit dem Flaggschiff ICE zurückblicken kann: Während sich dank vieler Sonderangebote die Passagierzahlen im Fernverkehr trotz der Bus-Konkurrenz stabil zeigen, leidet das Gütergeschäft weiter. Im ersten Quartal rutschte die Frachtleistung von DB Cargo um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr ab und auch die internen Plan-Vorgaben wurden verfehlt, wie die Reuters vorliegenden Unterlagen zeigen. Die Frachtleistung - also Tonnen kombiniert mit gefahrenen Kilometern - schlug sich so auch im Betriebsergebnis nieder: Die Güterbahn blieb in Deutschland und europaweit in den roten Zahlen. Der Marktanteil des einstigen Monopolisten sackte auf rund 60 Prozent ab.

DB Cargo will nun radikal umbauen und auf unprofitable Transporte verzichten. So sollen 215 Güterbahnhöfe nicht mehr angefahren werden, über 100 weitere deutlich seltener. Zudem sollen bei DB Cargo rund 3000 der etwa 19.000 Stellen in Deutschland wegfallen. Ab 2018 will man so wieder auf Wachstumskurs kommen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG hält das Konzept jedoch für nicht überzeugend. In der nächsten Woche will sich der Aufsichtsrat des Konzerns daher in einer Sondersitzung mit dem Thema befassen.

Entlastung für die Sparte soll Unternehmenskreisen zufolge nun durch den Verkauf von knapp 200 Güter-Lokomotiven an den japanischen Toshiba-Konzern kommen. Der Preis für die überwiegend älteren Loks betrage 70 Millionen Euro, hieß es. Toshiba wolle damit einen Pool für Lokomotiven einrichten, um diese an Bahnen in ganz Europa zu verleihen. Ein großer Kunde wird die DB Cargo selbst sein, die Loks zurückleast. Die Bahn äußerte sich zwar nicht direkt zum Geschäft, bestätigte aber: „DB Cargo plant im Rahmen eines Kooperationsprojekts, den Lieferantenmarkt für Güterzug-Loks weiterzuentwickeln.“ Das Konzept habe zum Ziel, flexibel auf Mengenschwankungen reagieren zu können.

Die Güterbahn ist nicht der einzige Problemfall im Konzern: Die internationale Logistik Schenker (Lkw, Schiff, Flugzeug) litt in den ersten Monaten des Jahres unter dem schwächeren Dollar, der die Einnahmen in Euro schrumpfen ließ. Zudem verliert die Bahn zunehmend Aufträge der Länder für den Regional- und Pendlerverkehr. Dies hat auch Folgen für die insgesamt rund 100 Instandhaltungswerke.

Bei 20 bis 30 bestehe „deutlicher Handlungsbedarf“, heißt es in Bahn-Dokumenten. Fünf weitere habe man bereits geschlossen. Bis zu 30 Werke müssten nun einer „Einzelfall-Analyse“ unterzogen werden. Fast alle Werke litten unter schwindender Auslastung, obwohl man auch für andere Bahnen arbeite, heißt es in den Papieren. Dies könne aber nicht den Verlust an Aufträgen aus dem eigenen Unternehmen abfangen.

Nachdem sich die Bahn zunächst auf Anfrage nicht zu den Werken äußern wollten, erklärte sie später: "Es gibt bisher keine Entscheidungen für weitere Schließungen." Angesichts verlorener Ausschreibungen sei es aber notwendig und vernünftig, die Auslastung der Werke auf den Prüfstand zu stellen und nach Verbesserungen der Lage zu suchen.

In der Fahrzeug-Instandhaltung arbeiten insgesamt etwa 8400 Beschäftigte. Die Werke teilen sich auf in die sogenannte schwere Instandhaltung für umfassende Reparaturen und Umbauten von Loks und Waggons sowie in die betriebsnahe Instandhaltung für kleinere Reparaturen in Werkstätten.

Aufgrund des schwindenden Gewinns kann die Bahn ihre Investitionen in den Konzernumbau und mehr Service mit besserer Pünktlichkeit nicht mehr aus eigener Kasse bezahlen. Die Schulden der Bahn werden daher dieses Jahr auf fast 20 Milliarden Euro klettern. Um einen Anstieg darüber hinaus zu verhindern sollen Teile des internationalen Fracht- und Personenverkehrs verkauft werden. Darüber will der Aufsichtsrat im Herbst entscheiden.

Trotz oder gerade wegen der schwierigen Geschäftslage, investiert die Bahn in selbstfahrende Züge: Spätestens 2023 werde die Bahn so weit sein, „dass wir in Teilen unseres Netzes vollautomatisch fahren können“, sagte Bahnchef Rüdiger Grube der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Freitag. In Nürnberg fahren seit 2008 vollautomatische U-Bahnen, auch andere Länder haben bereits Erfahrungen mit fahrerlosen Zügen. Die Lokführergewerkschaft läuft gegen Grubes Vorstoß allerdings Sturm.

Zwar sei das Fahren ohne Lokführer in einem komplexen Schienensystem mit Regional-, Fern- und Güterzügen „schwieriger als bei einer U-Bahn“, räumte Grube ein. „Aber es ist möglich.“ Die ersten Pilotprojekte liefen bereits, bei der Erzgebirgsbahn sei ein Testfeld aufgebaut worden. De facto experimentiert die Deutsche Bahn bereits seit längerem mit fahrerlosen Zügen.

Grube setzt darauf, dass die Arbeitnehmervertreter die Pläne mittragen. „Auch Betriebsräte und Gewerkschaften erkennen, dass sich durch die Digitalisierung die Welt verändert.“ Wenn die Schiene wettbewerbsfähig sein solle im Vergleich mit der Straße, könne der Bahnvorstand bei der Digitalisierung nicht nur zusehen. „Wir wollen aber die Kunden mit moderner Technik begeistern.“

Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, reagierte ungehalten auf den Vorstoß. Er kriege „nur die kalte Wut“, sagte er dem Sender hr1. „Wenn Herr Grube nichts anderes zu tun hat, als von der Zukunft zu fabulieren, aber die Gegenwart nicht organisieren kann, dann gibt's eine drauf“, sagte er mit Blick auf die Probleme der Deutschen Bahn. „Unsere Lokführer fahren normalerweise pünktliche Züge.“

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sieht beim fahrerlosen Zug vor allem „noch viele technische und vor allem rechtliche Fragen ungeklärt“, wie ein Sprecher erklärte. Nicht alles, was technisch machbar sei, werde auch von den Kunden akzeptiert. „Bahnfahren hat immer auch etwas mit Vertrauen und damit mit dem Menschen zu tun“, betonte er.

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