Finanzen

Bank-Runs verhindern: EU treibt gemeinsame Banken-Haftung voran

Die Euro-Gruppe bereitet trotz des massiven Widerstands aus Deutschland die Einführung einer gemeinsamen Einlagensicherung vor. Bis zum Jahresende soll eine grundsätzliche Einigung erreicht sein. Bundesfinanzminister Schäuble arbeitet offenkundig an einer Lösung mit, um Bank-Runs im Falle einer Banken-Krise zu verhindern.
14.06.2016 01:26
Lesezeit: 3 min

Die EU treibt einem Zeitungsbericht zufolge trotz Skepsis aus Deutschland das geplante EU-Einlagensicherungssystem voran, wie Reuters meldet. Das System wird nun mit einem Fachbegriff versehen und heißt ab sofort Edis. Am kommenden Freitag sollten die Euro-Finanzminister einen ersten Fortschrittsbericht zur gemeinsamen Bankenhaftung Edis beschließen, berichtete das Handelsblatt. Dem zehnseitigen Bericht zufolge strebe Eurogruppen-Chef Dijsselbloem an, dass sich die Finanzminister der Mitgliedsstaaten bis Jahresende über Edis einigen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lehnt das Projekt in der Öffentlichkeit als Ganzes ab – vornehmlich geht es ihm aber allerdings darum, die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Volksbanken aus dem Haftungsverbund auszuklammern.

Finanzexperten halten eine gemeinsame Einlagensicherung in Europa im Prinzip für richtig. Damit könnten Bank-Runs, wie sie während des vergangenen Jahres aufgrund von Unsicherheit über die Qualität der nationalen Sicherung in Griechenland auftraten, vermieden und eine höhere Stabilität des Gesamtsystems gewährleistet werden.

Der Fall Griechenland zeigt aber auch, wieviel noch zu tun ist, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, so Hans-Joachim Dübel von der Finanzberatung Finpolconsult. Dort habe der Staat alleine für die vier Großbanken 25 Milliarden Euro, finanziert durch die Eurozone, durch Verluste aus Rekapitalisierungen und damit faktisch für Einlagensicherung angehäuft. Das Geld dürfte auch für die europäischen Steuerzahler verloren sein, egal, wie lange man die entsprechenden Schulden des griechischen Staates streckt. Eine Einlagensicherung existiere damit bereits zwar de-facto in der Eurozone, aber die zu sichernden Einlagen wiesen ein viel zu hohes Risikoprofil auf, um versicherbar zu sein.

Dies liege, so Dübel, an zwei Faktoren: Erstens habe man bereits 2010 im griechischen Fall den Auslandsinvestoren der griechischen Banken, die für die Entstehung der griechischen Kreditblase den größten Teil der Verantwortung tragen, durch die Übernahme der Finanzierungen der griechischen Banken durch die EZB den Exit ohne Verluste erlaubt. Dies zeigten die Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ. Nicht einmal der über Jersey Trusts weitgehend im Ausland vertriebene Nachrang sei bei der ersten Rekapitalisierung 2012 ernsthaft beschnitten und dessen Reste selbst noch bei der Rekapitalisierung 2015 bevorzugt worden. Auf diese Art und Weise maximiere man die Verluste bei den lokalen Einlagen, da die neuen EZB-Forderungen stets hoch gesichert und sogar, wie insbesondere der zyprische Fall zeigt, faktisch super senior (dh. allen anderen Forderungen vorrangig) seien.

Zweitens sei, je größer das Problem der EZB-Bailouts der Auslandsinvestoren werde, ein neues Sicherungssystem nur mit entsprechend höherem Risikopuffer, sprich höherer Aktivaqualität, zu realisieren. Dies widerspreche aber diametral der Realität in den ‚Peripherieländern‘, die unter den Nachwirkungen vorangegangener Kreditblasen litten: Hier müsse man Staaten, Haushalte und Unternehmen vor der Installierung einer gemeinsamen Sicherung erst entschulden, anstatt mit Niedrigzinspolitik die hohen Schuldenstände zum Dauerzustand zu machen. Alternativ hätte man eine weit stärker inflationäre Politik fahren müssen, die Deutschland aber aus historischen Gründen nicht toleriere.

Die Grundproblematik der spontanen EZB-Interventionen im Bankensektor mit ihren nachteiligen Wirkungen auf die Einlagensicherung sei, so Dübel zufolge, bislang nicht wirklich angegangen worden. Gleichzeitig sperrten sich die Fiskalpolitiker, allen voran Bundesfinanzminister Schäuble, gegen durchgreifende Entschuldungsaktionen und ermutigten die EZB so entgegen aller Rhetorik weiter zu ihrer Politik. In dieser Situation habe eine europäische Einlagensicherung, die tatsächlich gemeinschaftlich Risiken trägt, kaum eine Chance.

Die beiden deutschen Großbanken haben wohl kein sonderliches Interesse an einer europäischen Einlagensicherung. Die Deutsche Bank muss bereits relativ strikte Eigenkapitalbestimmungen erfüllen. Wenn es zu einem Ernstfall kommt, hat das Institut vergleichsweise hohe abschreibungsfähige eigene Mittel zur Verfügung. Die Commerzbank hat zwar Probleme, Altlasten abzubauen, kommt damit aber voran. Deutsche Banken, so Dübel, sind außerdem nicht sonderlich internationalisiert, weshalb kein dringendes Interesse an einer europäischen Sicherung bestehe. Bei österreichischen, französischen oder italienischen Banken sei das anders.

Die EU-Kommission hatte im November angekündigt, schrittweise einen Fonds einzurichten, der bei Bankenschieflagen europaweit Einlagen bis zu 100.000 Euro absichert. Dagegen erhob sich Widerstand: Zuletzt hatte sich ein breites Bündnis der deutschen Wirtschaft gegen eine europäische Einlagensicherung stark gemacht. Die Initianten befürchten einen Vertrauensverlust der Sparer – weil deren Einlagen im Notfall zur Absicherung ausländischer Banken verwendet werden könnten. Als Reaktion darauf hatte die EU erklärt, die Pläne zu überdenken. In der Öffentlichkeit wurde seitdem stets der Eindruck vermittelt, dass das Thema vom Tisch sei.

Dem Kommissionsvorschlag zufolge könnte der Fonds mit qualifizierter Mehrheit und damit auch gegen den Willen Deutschlands beschlossen werden. Dijsselbloem signalisierte nun, ein Mehrheitsbeschluss reiche nicht. Vielmehr könne die Finanzierung besser „in einer gut ausgearbeiteten zwischenstaatlichen Vereinbarung“ geregelt werden. Diese sei dann nur mit Zustimmung aller beteiligten Staaten möglich.

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