Gemischtes

Staatsanwalt ermittelt gegen Winterkorn und VW-Chef Diess

Lesezeit: 2 min
20.06.2016 10:03
Jetzt gerät auch das Top-Management bei VW ins Visier der Justiz. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-Konzernchef Winterkorn und VW-Markenchef Diess eingeleitet. Der Verdacht: Marktmanipulation.

Mehr zum Thema:  
Auto >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Auto  

Im Abgas-Skandal bei Volkswagen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen möglicher Marktmanipulation gegen Ex-VW-Boss Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess. Gegen die Manager liegt ein Anfangsverdacht vor, die Finanzwelt zu spät über den aufgeflogenen Abgas-Skandal informiert zu haben und so wichtige Informationen für Anleger unterdrückt zu haben.

Auslöser des Ermittlungsverfahrens ist eine Strafanzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte. Sie wacht über die Pflicht von börsennotierten Unternehmen, die Finanzwelt mit sogenannten Adhoc-Mitteilungen rechtzeitig über wichtige Themen zu informieren.

Die Staatsanwaltschaft nannte Ex-VW-Chef Winterkorn als Beschuldigten und sprach darüber hinaus von einem weiteren damaligen Vorstandsmitglied. Nach dpa-Informationen handelt es sich dabei um VW-Markenschef Diess. Es geht bei den jetzigen Ermittlungen um den Umgang mit der Affäre kurz vor deren Auffliegen, nicht um Vorgänge rund um das Entstehen der Manipulationen, die schon rund zehn Jahre zurückreichen.

Mit dem jüngsten Verdacht erreichen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erstmals die Top-Etage des Autobauers. Die Anklagebehörde sieht genügend Anhaltspunkte dafür, dass der Autobauer womöglich zu spät «über die zu erwartenden erheblichen finanziellen Verluste des Konzerns» informiert haben könnte.

Der Anfangsverdacht der Marktmanipulation geht allerdings über den bloßen Zeitverzug hinaus: Laut Wertpapierhandelsgesetz ist eine Marktmanipulation unter anderem dann gegeben, wenn «unrichtige oder irreführende Angaben» gemacht oder Umstände verschwiegen werden, die zum Beispiel den Kurs einer Aktie erheblich beeinflussen können. Wird die Öffentlichkeit also bewusst nicht informiert, kann laut Gesetz eine Marktmanipulation vorliegen. «Eine Marktmanipulation im Sinne dieser Strafnorm des Wertpapierhandelsgesetzes kann nur vorsätzlich begangen werden», betonte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe.

Volkswagen sieht in den jüngsten Vorwürfen keine Hindernisse für den geplanten Ablauf der Hauptversammlung an diesem Mittwoch. «Die Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Braunschweig vom heutigen Tage führt keine neuen Tatsachen beziehungsweise Erkenntnisse über eventuelle schwerwiegende Pflichtverletzungen der nunmehr beschuldigten Vorstandsmitglieder an», teilte der Konzern mit. VW plant, bei dem Anteilseignertreffen Vorstand und Aufsichtsrat für das Jahr 2015 zu entlasten. An der Basis für dieses Vorhaben änderten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nichts, hieß es.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte bisher im Diesel-Skandal bereits gegen 24 mutmaßlich Beteiligte, gegen 17 davon wegen der Stickoxid-Software-Manipulationen, gegen 6 im Zusammenhang mit falschen CO2- und Verbrauchsangaben und zuletzt auch gegen einen Mitarbeiter, der zu einer Datenlöschung aufgerufen haben soll.

Die Diesel-Affäre kochte anfangs als Problem bei der Pkw-Kernmarke hoch und wurde dort bei Vorstandssitzungen auch besprochen. Diess lenkt die Kernmarke seit dem 1. Juli 2015.

Oberstaatsanwalt Ziehe sagte, er könne noch nicht absehen, wie lange das Ermittlungsverfahren dauere. «Wir müssen die Beteiligten jetzt natürlich anhören und weitere Zeugen vernehmen», sagte er. Die Staatsanwaltschaft betonte: «Ob sich der genannte Anfangsverdacht verdichtet oder entkräften lässt, hängt von dem Ergebnis der erforderlichen weiteren Ermittlungen ab.» Es gelte wie immer die Unschuldsvermutung.

Der niedersächsische Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD) begrüßte die Untersuchung: «Für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wird die Staatsanwaltschaft ihre Gründe haben. Die zügige Durchführung der Ermittlungen und ein zügiger Abschluss liegen im allseitigen Interesse.» Er warnte vor voreiligen Schlüssen.


Mehr zum Thema:  
Auto >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.