39 Prozent der Autobesitzer sind sich nicht bewusst, dass vernetzte Funktionen in ihren Fahrzeugen vorhanden sind. Das belegt eine aktuelle Studie von BearingPoint Institute und TNS unter mehr als 3.700 Befragten. Fast 60 Prozent der Teilnehmer geben hingegen an, dass vernetzte Technologien ihre Kaufentscheidung beeinflusst haben. Für knapp ein Drittel waren sie sogar ein ausschlaggebender Beweggrund für den Kauf. Die Studie zeigt, dass vernetzte Technologien zunehmend interessanter werden, insbesondere Navigations- und Fahrassistenzfunktionen sowie In-Car-Entertainment.
Trotz dieser Tendenzen auf Verbraucherseite tun sich Automobilhersteller noch schwer, mit vernetzten Technologien neue Einnahmequellen zu erschließen, die Kundenbindung zu stärken und die Markenbekanntheit zu steigern. Diese „offene Tür“ ist eine willkommene Chance für neue Marktteilnehmer wie etwa Uber oder Apple, die bereits in Infotainment- und Geo-Location-Funktionen investieren, um ihren Marktanteil in diesem Bereich zu sichern.
Laut der Studienautoren müssen die Automobilhersteller schnell handeln, wenn sie nicht von den großen Tech-Unternehmen überholt werden wollen. Smartphones integrieren bereits Unterhaltungs- und Navigationsfunktionen mit bestehenden On-Board-Systemen, wie Apples CarPlay und die von Google unterstützte Open Automotive Alliance. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die Hersteller daher Möglichkeiten finden, mit Technologieunternehmen zu kooperieren oder in sie zu investieren. So haben es vor kurzem Audi, BMW und Daimler gemeinsam getan: Mit dem Kauf der Nokia/Microsoft HERE-Karten- und Navigationsplattform haben sie das Tech-Produkt für ihre Zwecke genutzt und dadurch sogar funktional aufgewertet.
Laut Studie ist es für die Akzeptanz und Nutzung vernetzter Technologien erfolgsentscheidend, die Kunden während des Verkaufsprozesses mit den neuen technischen Möglichkeiten vertraut zu machen. 48 Prozent der Nutzer vernetzter Technologien im Auto sagen, dass ihnen die Funktionen im Detail vorgeführt wurden. Auch Testfahrten werden in diesem Zusammenhang immer wichtiger. BearingPoint zufolge müssen Automobilhersteller ihre Händler und Mitarbeiter in diesem Bereich umfassender schulen, denn in der Umfrage haben sich viele Kunden über die fehlenden Kenntnisse der Händler in Bezug auf vernetzte Funktionen unzufrieden geäußert.
„Vernetzte Fahrzeuge sind der Beginn einer neuen Ära in der Automobilindustrie. Die Hersteller müssen sich weg von einer primären B2B-Ausrichtung hin zu einem B2C-Geschäftsmodell bewegen. Dadurch haben sie die Möglichkeit und die Chance, direkte Beziehungen zu ihren Kunden aufzubauen. Auch der Verkauf von physischen Produkten wird vom Vertrieb digitaler Dienstleistungen abgelöst oder zumindest wesentlich ergänzt. Was Qualität und Nutzerfreundlichkeit der vernetzten Funktionen betrifft, macht die Studie deutlich, dass die deutschen Premium-Automobilhersteller bisher führend sind. Um hiervon jedoch letztlich profitieren zu können und sich einen Marktvorteil zu verschaffen, müssen die Hersteller alles daran setzen, ihre Kunden mit diesen neuen Technologien vertraut zu machen. Nur so können sie Begeisterung an deren Nutzung wecken“, so Matthias Loebich, globaler Leiter Automotive bei BearingPoint.
Winfried Hagenhoff, Geschäftsführer Mobilitätsforschung bei TNS Infratest unterstreicht: „Das Herausarbeiten und praktische (im Wortsinne) 'Erfahren' der Vorteile der vernetzten Technologien ist der Schlüssel zum Markterfolg. Der unmittelbare Kundennutzen muss noch greifbarer werden - in allen erlebbaren Dimensionen der Vernetzung - seien es Fahrzeugsicherheit, Entertainment, Navigation oder Convenience-Assistenzfunktionen. Damit steigt dann auch die bisher nur moderat ausgeprägte Zahlungsbereitschaft für neue vernetzte Dienste.“
Zwischen Juli und September 2015 wurden in zehn Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Niederlande, Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen) über 3.700 Personen befragt, die Smartphone-Nutzer sind und ein Auto mit vernetzter Technologie besitzen, diese aber nicht zwangsläufig nutzen. Pkw von elf Automarken konnten berücksichtigt werden.