Deutschland

WDR ignoriert Kritik: Nur 23 Bürger ärgern sich wirklich über Schönenborn

Lesezeit: 2 min
31.12.2012 00:32
Der WDR will bei „genauer Beobachtung“ festgestellt haben, dass die 1.000 beim Sender eingegangenen Kommentare zu Jörg Schönenborns „GEZ = Demokratie-Abgabe“ nur von 230 Nutzern geschrieben worden seien. 23 Nutzer hätten acht oder mehr Beiträge geschrieben. Die Mitteilung zeigt: Man kann Gebührengelder auch zum Nachzählen und zum Überprüfen der IP-Adressen verwenden.
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Der Chefredakteur des WDR Fernsehens, Jörg Schönenborn, hat die GEZ als eine „Demokratie-Abgabe“ bezeichnet (mehr zu dieser skurrilen Selbsteinschätzung – hier). Die Aussage hat zu einer Welle der Empörung geführt. Weil die meisten Deutschen keine öffentlich-rechtlichen Fernsehsender betreiben, wurde der Protest im Internet geäußert.

Den WDR lassen die Vorwürfe keinesfalls kalt: Vom deutschen Steuerzahler entlohnte Mitarbeiter des Senders beschäftigen sich offenbar akribisch mit den Kritikern – und kommen zu einem erstaunlichen Ergebnis. Die Welt berichtet: „Aus WDR-Kreisen erfuhr die ,Welt‘, dass auf Schönenborns Text rund 1000 Kommentare direkt an den WDR gegangen seien. Bei genauer Betrachtung zeige sich allerdings, dass diese Kommentarbeiträge von nur 230 Nutzern geschrieben worden seien, von denen etwa ein Zehntel acht oder mehr Beiträge geschrieben hätten.“

Wenn man also den „Zählungen“ des WDR glauben möchte, sind es in Deutschland gerade mal 23 Leute, die sich wirklich über die Überhöhung der GEZ als Fundament der Demokratie aufregen. Wie der WDR eigentlich „genau beobachtet“, wer welchen Kommentar geschrieben hat und wie das verifiziert wird, ist eigentlich auch eine interessante Datenschutz-Frage. Eigentlich kann dies nur geschehen, indem man die IP-Adressen der Nutzer speichert und vergleicht. Solche Akribie mag manchen Privatsphären-Fanatiker aufregen – im Dienste der Erhaltung der deutschen Demokratie sollte man jedoch den Fleiß und den unbedingten Einsatzwillen der WDR-Mitarbeiter würdigen.

Mit dieser Zählweise muss man geradezu zwangsläufig zu dem Schluss kommen, den Jörg Schönenborn der Welt referiert: „Zum Ton in den Internetforen ist zu sagen, dass wir ein Land mit verschiedenen Öffentlichkeiten sind. Im Internet können sich ganz unterschiedliche, mitunter auch kleine Gruppen Gehör verschaffen.“ Schönenborn selbst sagte, dass der WDR, anders als die 23 Kritiker im Internet, über „repräsentative Umfragen“ verfüge, denen zufolge der WDR „bei den allermeisten Menschen in Nordrhein-Westfalen ein sehr hohes Renommee“ genießt. Für den Mann, der stets die Tausendstel-Prozentpunkte bei Wahlen verliest, ist das eine recht vage Aussage.

Überhaupt sieht Schönenborn vor allem ein großes Mißverständnis: „Meine Formulierung von der Rundfunkgebühr als ,Demokratie-Abgabe‘ möchte ich keinesfalls als Selbstüberhöhung verstanden wissen. Im Gegenteil, ich sehe uns bei unserer Arbeit vielmehr in einer dienenden Funktion gegenüber der Demokratie und der Gesellschaft.“

Hier wäre nun zu fragen, ob vielleicht die 23 Kritiker nicht wirklich etwas falsch gelesen haben: Vielleicht wollte Schönborn in seinem Aufruf zu Solidarität anregen, dass alle Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Sender künftig ihrerseits eine Demokratie-Abgabe zahlen sollten. Das wäre eine wahrhaft dienende Haltung, der größter Respekt zu zollen ist.

Für diese Lesart spricht auch, dass der Text von Schönenborn offenbar irrtümlich im Internet veröffentlicht wurde. Er war nämlich, wie der WDR behauptet, „keine tagesaktuelle Reaktion auf die Debatte um die Umstellung der GEZ-Gebühren in den Sozialen Netzwerken“, sondern sei ein Schulungspapier „für die ARD-Mitarbeiter zur internen Diskussion gedacht gewesen“ und „erst danach auch öffentlich zugänglich gemacht“ worden.

Weil wir aber schon bei Schulung sind: Die öffentlich-rechtlichen Sender sollten aufhören, Kritik, die im Internet geäußert wird, reflexartig als „Shitstorm“ zu denunzieren. Es handelt sich um Kritik im Rahmen des verfassungsmäßig garantierten Rechts auf freie Meinungsäußerung. Schönenborn sagt, was er von diesem Recht hält: „Zum Ton in den Internetforen ist zu sagen, dass wir ein Land mit verschiedenen Öffentlichkeiten sind. Im Internet können sich ganz unterschiedliche, mitunter auch kleine Gruppen Gehör verschaffen.

Es mag schon sein, dass es dem Staatsfunk nicht passt, dass sich „ganz unterschiedliche, mitunter auch kleine Gruppen Gehör verschaffen können“. Das hatte vor gar nicht allzu langer Zeit auch den Herren Mielke und Honecker nicht gepasst. Jemand, der die Verteidigung der Demokratie mit so viel Pathos in eigener Sache betreibt, sollte wissen: Demokratie ist, wenn sich kleine Gruppen, die anders denken als das Establishment, Gehör verschaffen können. Vielleicht sollte man eine Abgabe einführen, die dafür verwendet wird, Grundkurse in Demokratie für die Intendanten und Chefredakteure von ARD und ZDF abzuhalten. Denkbares Motto für die Kurse: „Bei uns sitzen Sie in der ersten Reihe!“


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