Nigel Farage hat seine Rede im EU-Parlament nach dem Austritts-Referendum in zwei Teile geteilt: Im sachlichen Teil warb Farage für eine vernünftige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU nach dem Austritt. Er empfahl, mit Großbritannien ein Freihandelsabkommen ohne Zölle zu schließen. Eine solche Vereinbarung nach dem Austritt der Briten aus der EU sei "vernünftig, pragmatisch und realistisch", sagte der Politiker von der Unabhängigkeitspartei Ukip. Denn ohne ein solches Abkommen wären die wirtschaftlichen Folgen für die EU-Staaten "weit schlimmer als für uns".
Durch den Austritt aus der EU könnte London den Zugang zum EU-Binnenmarkt verlieren. Allerdings arbeitet das Parlament in London bereits an Alternativen - und strebt eine Lösung nach Schweizer oder norwegischem Vorbild an. Farage sagte, die Wiedereinführung von Zöllen würde in der Autobranche "hunderttausende Jobs deutscher Arbeiter in Gefahr bringen". Handel ohne Zölle sei dagegen "förderlich für beide Seiten" und biete die Grundlage dafür, dass Großbritannien und die EU in Zukunft "die besten Freunde der Welt" sein könnten.
In seinem unsachlichen Teil attackierte Farage die EU-Parlamentarier: Er sagte den ihn mit Protesten überschüttenden Abgeordneten, dass keiner von ihnen jemals in seinem Leben einer wirklichen Arbeit nachgegangen sei. Keiner der Parlamentarier habe jemals auch nur einen einzigen Arbeitsplatz geschaffen.
Farage selbst kann für sich beanspruchen, mindestens einen Arbeitsplatz geschaffen zu haben: Er beschäftigt seine Ehefrau als Assistentin - auf Kosten der EU-Steuerzahler. Farage hatte in der Nacht des Referendums für Erstaunen gesorgt, als er als erster und einziger einen Sieg der EU-Befürworter verkündete - eine Falschmeldung, wie sich allerdings erst nach mehrere Stunden herausstellte. Farage berief sich bei seiner Aussage auf befreundete Finanzkreise. Ob Farage oder seine Freude in der Zeit zwischen der lancierten Falschmeldung und dem offiziellen Ergebnis Wetten laufen hatten, ist nicht bekannt. Jeder, der in dieser Zeitspanne auf einen Brexit oder gegen das britische Pfund gewettet hat, hat satte Spekulationsgewinne eingefahren.
Farage wirbt als EU-Abgeordneter seit Jahren für den Austritt aus der Union. Er sagte, zu Beginn seiner Zeit in Brüssel sei er von den anderen Abgeordneten ausgelacht worden. "Jetzt lachen Sie nicht mehr", sagte er im Parlamentsplenum. Die Volksabstimmung sei ein "erdbebenartiges" Ereignis. Und er sei sicher: "Das Vereinigte Königreich wird nicht der letzte Mitgliedstaat sein, der die Europäische Union verlässt."
Der skurrile Auftritt von Farage war der Höhepunkt einer eher beschämenden Sitzung des EU-Parlaments. EU-Präsident Martin Schulz musste während Farages Rede seine Gegner mehrfach daran erinnern, dass es das Wesen der Demokratie sei, seinem Gegner wenigstens zuzuhören.