Die deutsche Industrie hat im Mai wegen schwächelnder heimischer Nachfrage überraschend wenige Aufträge erhalten. Die Bestellungen verharrten auf dem Niveau des Vormonats, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Anstieg von 1,0 Prozent gerechnet, nachdem es im April noch einen Rückgang von 1,9 Prozent gegeben hatte.
Das unerwartet schwache Abschneiden geht auf die Binnennachfrage zurück, die um 1,9 Prozent schrumpfte. Die Auslandsaufträge nahmen dagegen um 1,4 Prozent zu. Das lag vor allem an den guten Geschäften mit den Euro-Ländern, die um 4,0 Prozent wuchsen. Die Bestellungen aus dem Rest der Welt nahmen um 0,3 Prozent ab. Der Anteil der Großaufträge war diesmal unterdurchschnittlich.
Die Hersteller von Maschinen und anderen Investitionsgütern erhielten im Mai 1,9 Prozent mehr Aufträge. Die Bestellungen für Vorleistungsgüter nahmen dagegen um 2,9 Prozent ab, die von Konsumgütern fielen um 0,4 Prozent.
Die Chefvolkswirte urteilen:
ALEXANDER KRÜGER, BANKHAUS LAMPE:
"Die stagnierende Auftragsentwicklung im Mai ist eine klare Enttäuschung. Auch mit Blick auf die Vorjahresrate zeigt sich, dass in der Industrie momentan nicht viel los ist. Der Juni-Wert steht zwar noch aus, gegenüber dem ersten Quartal wird der Auftragseingang aber mit hoher Wahrscheinlichkeit schrumpfen. Dies hat nichts mit Brexit-Nachwehen zu tun, sondern ist das Ergebnis der schon länger lediglich verhalten wachsenden Weltwirtschaft."
DIRK SCHLOTBÖLLER, DIHK:
"Die Aufträge entwickeln sich weiterhin kraftlos. Abgesehen von einzelnen monatlichen Ausreißern stagnieren die Bestellungen seit mittlerweile zwei Jahren. Selbst bei den Inlandsbestellungen treten wir auf der Stelle - trotz der guten Konsumkonjunktur. Mögliche Auswirkungen des Brexit-Referendums sind kurzfristig nicht zu erwarten."
THOMAS GITZEL, VP BANK:
"Festzuhalten bleibt: Es gab schon bessere Tage, aber auch schon schlechtere Tage für die deutsche Industrie. Grund zum Wehklagen besteht aber nicht. Die wirtschaftliche Erholung in der Euro-Zone hilft dem produzierenden Gewerbe über die schwache weltwirtschaftliche Entwicklung teilweise hinweg."
Viele Alternativen hat Deutschland nicht, zumal die geopolitische Lage die Spielräume einengt. Die Russland-Sanktionen schlagen bei der Entwicklung durch: Die geringeren Bestellungen aus dem Inland (-1,9 %) und aus dem Nicht-Euroraum (-0,3 %) wurden durch kräftige Auftragseingänge aus den Ländern des Euroraums (+4,0 %) kompensiert
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich vor einigen Tagen bereits vorausschauend für mehr europäische Rüstungsprojekte ausgesprochen und dafür eine Lockerung der Exportrichtlinien gefordert. "Mit unserem Rüstungsexportkontrollregime sind wir nicht europatauglich", sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD. "Wenn wir in bestimmten Punkten europäische Lösungen wollen, muss jeder bereit sein, auch wir, einige nationale Regelungen ein Stück weit danach überprüfen zu lassen, was denken eigentlich die anderen", fügte Schäuble hinzu.
Der Minister bekräftigte seine Forderung, Europa besser zu vermitteln. Es gehe darum, klar zu machen, welche Dinge nur Europa lösen könne. "Das müssten wir dann beweisen." Europa müsse schnell sichtbare Ergebnisse liefern, etwa im Zusammenhang mit dem Zustrom von Flüchtlingen. Angesichts der Krisen vor der Haustür Europas und der Bedrohung durch den islamistischen Extremismus sei eine gemeinsame Verteidigungs- und Rüstungspolitik dringend notwendig. Der Minister schlug vor, dass einige Länder - etwa Deutschland und Frankreich - hier vorangingen. "Ein paar Rüstungsprojekte gemeinsam wären schon ein Schritt in die richtige Richtung."
Bereits im Vorjahr sind die Rüstungsexporte drastisch gestiegen.