Finanzen

Banken-Krise in Italien wird zur Gefahr für Finanz-System in Europa

Der frühere EZB-Banker Lorenzo Bini Smaghi fordert, die italienischen Krisenbanken mit europäischen Steuergeldern zu retten. Das Beharren Deutschlands auf dem Verbot der Staatsfinanzierung könnte sich zu einer Gefahr für das gesamte europäische Finanzsystem auswachsen.
07.07.2016 01:44
Lesezeit: 3 min

Der Chef der französischen Großbank Société Générale spricht sich dafür aus, die schwelende Bankenkrise in Italien mit Steuergeldern zu bekämpfen. Im derzeit schwierigen Marktumfeld, so der frühere EZB-Banker und heutige Chef der französischen Großbank Société Générale, Lorenzo Bini Smaghi, in einem Interview mit Bloomberg, sollten die bestehenden EU-Regeln zur Stützung und Abwicklung von Banken hinterfragt und Ausnahmen ergriffen werden. Diese sogenannten Bail-In-Regeln sehen vor, dass Banken zuerst durch ihre Gläubiger und Aktionäre gestützt werden müssen, bevor der Steuerzahler einspringen muss.

Die Aussagen von Lorenzo Bini Smaghi sind besonders bemerkenswert, weil er viele Jahre in der EZB gedient hat. Er musste seinen Sitz in der EZB aufgeben, weil Mario Draghi zum Chef der EZB ernannt wurde und nicht zwei Italiener in der Leitung der Europäischen Zentralbank sitzen sollten. Die EZB hat die aktuelle Krise der italienischen Banken befeuert, weil sie von der Monte dei Paschi gefordert hatte, ihre massiven faulen Kredite loszuwerden. Italiens Premier Matteo Renzi hat daraufhin Draghi heftig kritisiert - weil dieses in seiner Zeit als Generaldirektor im italienischen Finanzministerium nicht rechtzeitig die Notbremse gezogen habe.

„Der gesamte Bankenmarkt steht unter Druck. Wir haben Regeln zum Schutz von öffentlichen Geldern angenommen; diese Regeln müssen vor dem Hintergrund eines Marktes bewertet werden, der vor einer Krise steht, um zu entscheiden, ob Aussetzungen der Regeln angewandt werden müssen“, sagte Bini Smaghi.

Europas Finanzindustrie stehe vor einer Systemkrise, falls die Regierungen der EU nicht akzeptieren, dass Steuergelder ein wichtiges Instrument zur Sanierung der Geldinstitute darstellen. Jegliche Intervention solle so schnell wie möglich erfolgen, wird er von Bloomberg zitert. Er deutete außerdem an, dass es nicht ausreiche, sich nur auf italienische Steuergelder zu beschränken. „Was wir brauchen ist eine europäische Lösung. Bislang hatten wir nur nationale Vorstöße. Wir brauchen eine klare Unterstützung.“ An den Aktienmärkten ist die von Bini Smaghi erwähnte Systemkrise schon im Gange – seit Jahresbeginn haben die Aktien von Banken der Eurozone bereits um rund 40 Prozent nachgegeben. Allein seit dem EU-Referendum in Großbritannien Ende Juni verloren Italiens Banken etwa ein Drittel ihres Börsenwertes.

Tatsächlich erscheint eine gesamteuropäische Koordination nötig zu sein, um das Grundproblem – die wenig wettbewerbsfähige Wirtschaft Italiens – zu beheben. „Italien wird sein Bankenproblem nicht alleine lösen können. Doch erneut Steuergeld in sieche Banken zu stecken ist der falsche Weg. Nur durch eine Stabilisierung der italienischen Wirtschaft kann der Teufelskreis aus schwacher Wirtschaftslage und wackelnden Banken durchbrochen werden. Zusätzliche Investitionsimpulse von europäischer Ebene können helfen, den Teufelskreis aus schwacher Wirtschaftsentwicklung und maroden Banken zu überwinden, damit aus dem Problem einzelner italienischer Banken nicht ein Problem der ganzen Eurozone erwächst“, schreibt der Finanzexperte Gerhard Schick.

Ein anderer Grund für den Ruf nach einer gemeinsamen Lösung in Europa dürfte darin liegen, dass es in Italien um weit höhere Summen geht, als offiziell zugegeben wird. Allein die italienischen Banken sollen offiziell 150 Milliarden Euro benötigen. Banken-Experten haben für die Deutschen Wirtschafts Nachrichten ausgerechnet, dass diese Summe nicht reichen wird: Sie rechnen mit 565 Milliarden Euro. Und sagen, dass auch diese Summe noch steigen könnte – bis auf 1.000 Milliarden Euro. Völlig unklar ist außerdem, inwieweit ausländische Banken aufgrund der geschäftlichen Verflechtung mit italienischen Geldhäusern im Risiko stehen.

Auch Italiens Regierungschef Renzi drängt auf Ausnahmen der bestehenden Regeln, um die akute Schieflage des italienischen Bankensektors und insbesondere die schwer angeschlagene Banca Monte die Paschi di Siena zu stabilisieren. Deutschland und die EU-Kommission haben sich diesen Vorschlägen jedoch widersetzt. Auch der Chef des europäischen Krisenfonds ESM, Klaus Regling, tritt selbst unter den gegebenen Umständen für eine konsequente Beibehaltung des lange verhandelten Bail-in-Regimes ein. Dieses böte Italien immer noch viele Lösungswege, sagte Regling zu Bloomberg.

Andere Beobachter stimmen dieser Sicht nicht zu: das Bail-In-Prinzip sei hilfreich, wenn einzelne Banken in einem ansonsten gesunden Marktumfeld von der Insolvenz betroffen wären. Dann könnte es langfristig zu einer Disziplinierung der Anleger und Investoren kommen, die sich genau überlegen, in welche Bank sie investieren. In einer Situation, in der das gesamte System auf der Kippe stehe, hätten die Regeln dagegen negative Auswirkungen.

Es ist nicht verwunderlich, dass gerade die italienische Politik gegen eine Beteiligung der Gläubiger und Aktionäre mobilmacht. Denn diese sind in Italien vor allem die Privathaushalte, deren Belastung in verschiedener Hinsicht politisch heikel ist: dadurch sinken die Chancen auf eine Wiederwahl beträchtlich. Noch problematischer ist, dass es zu einem Bank-Run all jener kommen könnte, die bei der entsprechenden Bank Geld angelegt oder es ihr geliehen haben. Nicht zuletzt hat Renzi selbst schon schlechte Erfahrungen mit dem Bail-In-Prinzip gemacht: Ende des vergangenen Jahres kam es in Italien aufgrund der Beschneidung von Sparern und Kleininvestoren bei zwei Regionalbanken zu öffentlichen Protesten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...