Politik

Bundesregierung: Bürger sollen Lebensmittel und Bargeld bunkern

Lesezeit: 3 min
21.08.2016 12:32
Die Bundesregierung fordert die Bürger auf, einen Lebensmittelvorrat für zehn Tage anzulegen. Dies soll für den Krisen-Fall dienen, von dem man nicht weiß, ob es sich um den Ausbruch eines Krieges oder einen Finanz-Crash handelt. Die Bundesregierung sorgt sich auch um die eigene Sicherheit.
Bundesregierung: Bürger sollen Lebensmittel und Bargeld bunkern

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

+++WERBUNG+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Nachrichtenagentur AFP meldet am Sonntag um 9:13 Uhr:

Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges will die Bundesregierung die Bevölkerung einem Bericht zufolge wieder zum Anlegen von Vorräten animieren, damit sie sich im Fall einer Katastrophe oder eines bewaffneten Angriffs vorübergehend selbst versorgen kann. "Die Bevölkerung wird angehalten, einen individuellen Vorrat an Lebensmitteln von zehn Tagen vorzuhalten", zitierte die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" aus einem Konzept für die zivile Verteidigung, das die Regierung am Mittwoch beschließen wolle.

Dem Bericht zufolge soll die Bevölkerung im Notfall zum Selbstschutz fähig sein, bevor staatliche Maßnahmen anlaufen, um eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser, Energie und Bargeld sicherzustellen. Daher solle die Bevölkerung auch angehalten werden, zur Erstversorgung für einen Zeitraum von fünf Tagen je zwei Liter Trinkwasser pro Person und Tag vorzuhalten, heiße es in dem vom Bundesinnenministerium erarbeiteten Text.

Laut "FAS" handelt es sich um die erste Strategie zur zivilen Verteidigung seit dem Ende des Kalten Krieges 1989. Sie war 2012 vom Haushaltsausschuss des Bundestages in Auftrag gegeben worden. In dem 69 Seiten langen Konzept heiße es, "dass ein Angriff auf das Territorium Deutschlands, der eine konventionelle Landesverteidigung erfordert, unwahrscheinlich" sei. Dennoch sei es nötig, "sich trotzdem auf eine solche, für die Zukunft nicht grundsätzlich auszuschließende existenzbedrohende Entwicklung angemessen vorzubereiten".

Interessant: Die FAZ berichtet in diesem Zusammenhang, dass sich die Bundesregierung auch Gedanken über ihre eigene Sicherheit macht. Die Zeitung schreibt, dass in dem Papier wörtlich stehe: „Für den Fall der Aufgabe des Dienstsitzes sind Vorkehrungen zu treffen, um die Aufgabenwahrnehmung einer Behörde an einen anderen, geschützteren Platz (Ausweichsitz) verlagern zu können.“

Es ist unklar, ob diese Vorbereitungen mit einem möglichen Kriegsfall zu tun haben. Die Bundesregierung hat erst kürzlich ihre Militär-Strategie verändert und betrachtet Russland als Feind. Die Nato hält einen Angriff Russlands auf das Nato-Territorium für möglich. Daher will die Nato die USA und die EU auch außerhalb des eigenen Territoriums verteidigen. Die Nachrichtenagentur Reuters schreibt, dass in dem Konzept "die Notwendigkeit eines verlässlichen Alarmsystems, eines besseren baulichen Schutzes von Gebäuden und ausreichender Kapazitäten im Gesundheitssystem erörtert" würde. Reuters weiter: "Die zivile Unterstützung der Streitkräfte solle wieder zu einer Priorität werden. Dazu gehörten Eingriffe in die Verkehrslenkung, wenn die Bundeswehr Kampfverbände verlegen muss."

Der Hinweis mit dem Bargeld könnte allerdings auch auf einen möglichen Banken-Krach schließen lassen. Nach dem jüngsten Stresstest der EZB scheint dies allerdings kein unmittelbar bevorstehendes Ereignis zu sein. Allerdings wurden im Stresstest wichtige Parameter wie die niedrigen Zinsen nicht berücksichtigt, weshalb der Test nach Einschätzung des ehemaligen EZB-Chefvolkswirts Jürgen Stark nur bedingt aussagekräftig ist.

Die Maßnahme könnte aber auch im Zusammenhang mit der Verschärfung der allgemeinen polizeistaatlichen Maßnahmen stehen, die die Bundesregierung in den kommenden Wochen auf den Weg bringen möchte. Der offizielle Grund für diese Maßnahme ist eine verschärfte Terror-Lage, die die Bundesregierung zu erkennen glaubt. Die SPD gibt einen entsprechenden Hinweis und sagt, die Deutschen seien "neuartigen Gefahren" ausgesetzt. 

Durch den Krieg in Syrien und die Destabilisierung des Irak und Libyens ist die Sicherheitslage in Europa angespannt. Die Allianz des Westens und der Golfstaaten ist durch das Eingreifen Russlands in die Defensive geraten. Am Wochenende haben sich die Spannungen verschärft. Die US-Luftwaffe ist in erhöhter Alarmbereitschaft. Die Töne gegen Russland wurden erneut verschärft, zuletzt von einem ehemaligen CIA-Direktor, der für Hillary Clinton im Wahlkampf agiert. 

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wollte sich laut AFP zu den Inhalten des Konzepts nicht äußern. Er verwies auf eine geplante Pressekonferenz von Ressortchef Thomas de Maizière und dem Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, am Mittwochnachmittag.

Grüne und Linke im Bundestag haben das geplante Konzept der Bundesregierung zur Zivilverteidigung als bewusste Angstmache kritisiert. "Man kann die Menschen mit immer neuen Vorschlägen, so auch zu Hamsterkäufen, völlig verunsichern", sagte der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, dem Kölner Stadt-Anzeiger Montagsausgabe. Die Bundesregierung dürfe "nicht täglich neue Hektik verbreiten".

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bezeichnete es in derselben Zeitung zwar als sinnvoll, die Notfallpläne und zivilen Schutzkonzepte zu aktualisieren. Angesichts der technischen Entwicklung der letzten Jahre sei es "fast schon fahrlässig", mit jahrzehntealten Konzepten zu hantieren. Problematisch sei allerdings die Vermischung von ziviler Vorsorge mit militärischen Szenarien und Hinweisen auf terroristische Gefahren. "Ich sehe kein Angriffsszenario, für das sich die Bevölkerung Vorräte anlegen sollte", sagte der Innenexperte.

Das neue Konzept soll am Mittwoch im Kabinett beraten werden.

*** Die DWN halten Sie über die aktuelle Entwicklungen auf dem laufenden: Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Politik
Politik Angriff auf SPD-Europapolitiker: Matthias Ecke in Dresden schwer verletzt
04.05.2024

Schockierende Gewalt: SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke wurde brutal angegriffen. Politiker verurteilen den Angriff als Attacke auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...