Politik

Flüchtlinge: Österreich fordert sofortigen Rückführungs-Gipfel der EU

Österreich und Tschechien verweigern Bundeskanzlerin Merkel die Gefolgschaft in der Flüchtlingspolitik. Österreich fordert einen Rückführungsgipfel. Tschechien lehnt die Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen aus kulturellen Gründen ab. Die Bundesregierung wirkt hilflos und flüchtet sich in bürokratischen Aktionismus.
26.08.2016 01:49
Lesezeit: 2 min

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Österreich kritisiert die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf, schreibt die dpa. «Die 'Wir schaffen das'-Politik ist unverantwortlich», sagte Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) der «Kronen Zeitung» (Freitag). Die anhaltende Willkommenskultur Merkels sei eine Ermunterung für Flüchtlinge nach Europa aufzubrechen - und ein fatales Signal. «Ein Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen.»

Europa könne die Situation nicht meistern: «Wenn mitten in Mailand Zelte für Flüchtlinge aufgestellt werden müssen, kann doch keiner wirklich behaupten, dass wir diesen Zustrom in vernünftiger Weise bewältigen.» Außerdem wiederholte der Minister, dass Österreich nicht das «Wartezimmer für Deutschland» sei.

Seit Jahresbeginn hat Österreich nach Angaben des Verteidigungsministeriums 100 000 Migranten registriert. Die größte Gruppe stamme dabei nicht aus Kriegsgebieten wie Syrien, sondern aus Nigeria und Eritrea.

Doskozil fordert daher die Einberufung eines «Rückführungs-Gipfels auf europäischer Ebene», um Wege zu finden, Migranten in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. «Es ist keine Politik, wenn Europa hier in Agonie verharrt und den Kopf in den Sand steckt», sagte Doskozil.

Auch aus Osteuropa kommt Widerstand: Tschechien lehnt eine verbindliche Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten weiter ab. Es gebe beim Thema Migration unterschiedliche Meinungen mit Deutschland, sagte Ministerpräsident Bohuslav Sobotka nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Prag. Dies betreffe etwa die geplante Reform des Asylsystems in der EU. "Da kann Tschechien nicht mit einem System einverstanden sein, das auf Pflichtquoten basieren sollte", sagte er mit Blick auf ein EU-Treffen in Bratislava Mitte September. Auch Merkel räumte Differenzen in der Flüchtlingspolitik ein. Beide Politiker betonten jedoch, dass man sich bei der Forderung nach einer Stärkung der EU-Außengrenzen und dem Festhalten am Migrationsabkommen mit der Türkei einig sei.

Als Grund für die größere Ablehnung der Osteuropäer gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gab Sobotka an, dass viele Menschen die Unterschiede zwischen den Kulturen registrierten. Zudem kämen die Menschen aus einer Region, in der es etwa durch die extremistische Miliz IS terroristische Aktivitäten gebe. Zudem hätten sich in Westeuropa Fehler bei der Integration gezeigt. So radikalisiere sich die zweite oder dritte Generation von Einwanderern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reist am Freitag nach Warschau. In der polnischen Hauptstadt trifft sie ihre Kollegin Beata Szydlo. Im Anschluss ist ein gemeinsames Mittagessen geplant, an dem auch die Regierungschefs aus Ungarn, Tschechien und der Slowakei teilnehmen. Die vier Ministerpräsidenten der sogenannten Viesegrad-Gruppe stehen Merkels Flüchtlingspolitik kritisch gegenüber. Die Länder lehnen auch verbindliche Quoten für die Verteilung der Flüchtlinge in Europa ab.

Die Bundesregierung will sich dem Problem auf eine seltsam bürokratische Weise nähern: Sie will mehr Informationen über die in Deutschland lebenden Ausländer und Migranten sammeln. Bei den regelmäßigen statistischen Befragungen im Rahmen des Mikrozensus sollen sie ab 2017 auch die "im Haushalt vorwiegend gesprochene Sprache angeben", berichtete die Bild-Zeitung unter Berufung auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Diese Information sei "fur die Einschätzung verschiedener Dimensionen der Integration von Bedeutung", begründete die Regierung die Aufnahme dieser neuen Frage. "Insbesondere die kulturelle Integration steht in enger Verbindung mit der im Haushalt gesprochenen Sprache", zitierte "Bild" aus dem Entwurf.

Gefragt wird demnach künftig nicht mehr nur nach Staatsbürgerschaften, sondern auch nach dem "Staat der Geburt" des Befragten und seiner Eltern. Das werde in der Migrationsforschung "als relevanter für die Entwicklung einer Person eingestuft als die Staatsangehörigkeit", heißt es laut "Bild" in der Gesetzesbegründung. Weitergehende Angaben zu den Eltern würden zudem jährlich abgefragt und nicht mehr nur alle vier Jahre erhoben.

Auch wie die Befragten die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, interessiere die Regierungs-Statistiker künftig. Angeben müssten die Befragten etwa, ob sie durch Geburt, Einbürgerung oder Adoption Deutsche geworden sind. Davon erhoffe sich Regierung, "Ruckschlusse auf die formale Integrationsbereitschaft von Migranten" ziehen zu können.

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