Die EU-Kommission verweist bei ihrer Kommunikation für TTIP auf Prognosen, die zahlreiche positive Effekte für die EU-Mitgliedsstaaten im Zuge von TTIP prognostizieren. Doch diese Untersuchungen und Prognosen sind mit Vorsicht zu genießen, wie eine neue Studie der Deutschen Wirtschafts Nachrichten zeigt. Die ähnlich positiven Ergebnisse der meisten bisher vorliegenden Untersuchungen lassen sich nämlich unter anderem auf deren umstrittene Methodik zurückführen.
So verwenden beispielsweise drei der vier offiziellen Studien das gleiche „ökonomische Berechnungsmodell, das Computable General Equilibrium (CGE) Modell sowie gänzlich oder teilweise dieselben Datensätze für die Quantifizierung der nicht-tarifären Maßnahmen und sehr ähnliche Datensätze für die Wirtschaftsdaten der einzelnen Länder“, heißt es in der DWN-Studie. Das CGE-Modell sei aber aufgrund seiner Eigenheiten (Prinzip des Gleichgewichtszustands) nicht in der Lage, zulässige Aussagen über die Auswirkungen von TTIP auf die Arbeitsmärkte zu treffen.
Wie entscheidend die Berechnungsmodelle für den Trend der Prognosen sind, zeigt die neue DWN-Studie. Unter Anwendung des „United Nations Global Policy Models“ etwa, winkt mit TTIP in Europa ein Rückgang des BIPs, der persönlichen Einkommen und der Beschäftigung. „Zu erwarten sind zunehmende Instabilität im Finanzsektor und ein kontinuierlichen Abwärtstrend beim Anteil der Einkommen aus unselbständiger Arbeit (Lohnquote)“, so die Studienautorin Stefanie Schneider. „Die Evaluierung mit dem UN Modell lässt für Europa eine wirtschaftliche Desintegration weitaus wahrscheinlicher erscheinen als eine weitere Integration.“ Tatsächlich würden die Vorteile von TTIP nur auf Kosten des bilateralen Handels zwischen den EU-Mitgliedsstaaten zu erreichen sein.
Darüber hinaus basieren die Ergebnisse der positiven Prognosen auf Zahlen, die selbst nicht als sichere Annahmen gelten können. Die Geheimhaltung der TTIP-Verhandlungen bedingt, dass es keine konkreten Datensätze gibt. Selbst die TTIP-Leaks von Greenpeace ermöglichten es letztlich nur, zu sehen, mit welchen unterschiedlichen Standpunkten die EU und die USA in die Verhandlungen gehen. Wie sich mit welchen Deals geeinigt werden wird, ist weiterhin unklar. Aber genau das wird entscheidend dafür sein, wie sich das Freihandelsabkommen auf den Wohlstand, das Leben und die Arbeit der EU-Bürger auswirken wird.
In den offiziellen Gutachten so gut wie gar nicht berücksichtigt sind die Untersuchungen der unabhängigen Tufts-University, die zu einem sehr deutlichen Ergebnis kommt: Das TTIP werde im Norden Europas - also in Deutschland, dern Niederlanden und in Skandinavien - zu einem Boom im Niedriglohnsegment führen. Insgesamt geht diese Untersuchung davon aus, dass knapp 600.000 klassische Arbeitsplätze durch das TTIP wegfallen könnten. Damit würde der in den USA herrschende Trend nach Europa importiert: Die scheinbar guten Job-Zahlen sind seit einigen Jahren auf das Wachstum im Niedriglohnbereich zurückzuführen, während die Zahl der klassischen Industriearbeitsplätze schrumpft. Diesen Zustand hatte zuletzt US-Präsident Barack Obama bei seiner Rede vor den UN ausdrücklich beklagt und festgestellt, dass diese Entwicklung auch auf den Bedeutungsverlust der Gewerkschaften zurückzuführen sei. Diese Entwicklung ist einer der maßgeblichen Faktoren für den Erfolg von Donald Trump.
„Um eine informierte Entscheidung zu treffen, sollte man sowohl die Chancen als auch die Risiken abwägen“, so Schneider. Daher erscheine es etwas besorgniserregend, wenn von Seiten der Europäischen Union nur über die Vorteile und Wohlfahrtseffekte gesprochen werde und negative Auswirkungen per se ausgeschlossen würden. Und daher „besteht eine realistische Gefahr, dass eine Fehleinschätzung der Wirkungen des TTIP zu erheblichen sozialen Problemen in der EU führen wird“, warnt die Studie.
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