Politik

Europa gibt Griechenland auf: Nun Poker um die Kosten des Austritts

Die Würfel sind gefallen: Die EU hat Griechenland aufgegeben. Krisenstäbe auf verschiedenen Ebenen bereiten sich auf den Euro-Austritt vor. Wie das genau ablaufen soll, weiß niemand. Im Hintergrund hat bereits der Poker um die Kosten begonnen. Denn die Griechen müssen mitspielen. Noch will sich daher keiner in die Karten blicken lassen.
23.05.2012 23:21
Lesezeit: 3 min

Der Griechenland-Austritt ist beschlossene Sache: Nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten aus Finanzmarktkreisen haben EU und EZB das Mutterland der Demokratie als Euro-Mitglied aufgegeben. Der Grund liegt interessanterweise nicht in den bevorstehenden Neuwahlen – diese sind im Grunde unerheblich geworden. Man ist bei der EU zu der sehr späten Erkenntnis gekommen, dass die Griechen die geschlossenen Vereinbarungen bisher nicht eingehalten haben und auch in Zukunft nicht einhalten werden. Ein Banker: „Wir haben mit der Toika geholfen. Die Hilfe der Troika war an Konditionen geknüpft. Griechenland hat keine der Bedingungen erfüllt, und das nun seit Monaten.“

Die lauten Töne des Linken-Politikers Tsipras waren nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. In der EU, bei der EZB und beim IWF hat man nun mit dem Thema abgeschlossen. Griechenland muss raus aus dem Euro, darüber herrscht Einigkeit über alle Bereiche hinweg. Die Informationen dazu hatte der Ex-Zentralbanker und technokratische Ministerpräsident Lucas Papademos geliefert. Er hatte genug Zeit, um sich einerseits vom ganzen Ausmaß der Misere und auch von der Unwilligkeit der Parteien zum Sparen zu überzeugen. Im Grunde war seine Amtszeit eine Fact-Finding-Mission im Auftrag der EU. Sein Fazit: Mission Impossible. Über die Konsequenzen gibt es unterschiedliche Ansichten: Die Zentralbanker wollen nicht mehr zahlen, weil sie sehen, dass das Ganze ein Fass ohne Boden ist. Die Politiker, allen voran Angela Merkel, zögern noch. Wie immer sind die Politiker Verfechter es Status Quo, weil sie nichts mehr fürchten als das Unbekannte. Und Unbekannte gibt es bei einem Euro-Austritt jede Mengen.

Es beginnt schon mit der Frage: Wie geht das eigentlich praktisch? Einen Austritt sehen die EU-Verträge ebenso wenig vor wie einen Rausschmiss. Sicherheitshalber haben sowohl die EZB als auch die Bundesbank Krisenstäbe gebildet, die sich nun wie die Feldherren auf verschiedene Eventualfälle vorbereiten. Einen kleinen Trost glaubt man zu haben, weil der Schuldenschnitt gemacht wurde, und daher eigentlich eine direkte Ansteckung über die Banken als eher unwahrscheinlich gilt. Auch wenn dies kein Banker offiziell bestätigen mag: Die inoffizielle Lesart ist, dass das Risiko einer Ansteckung durch den Schuldenschnitt „deutlich minimiert“ wurde.

Die meisten Schulden liegen nun beim öffentlichen Sektor – also bei der EZB und dem IWF. Im Fall einer Staatspleite Griechenlands würde über das Target 2-System die Deutsche Bundesbank unmittelbar getroffen. Insgesamt, so wird geschätzt, stehen die Griechen mit 200 Milliarden Euro bei der EZB und dem IWF in der Kreide. Daher sind alle im Moment besonders vorsichtig mit Szenarien: Man will sich nicht in die Karten blicken lassen. Und wie jeder noch so einvernehmlichen Scheidung wird am Ende immer um die Kosten gefeilscht. Denn auch die EZB und der IWF wollen ihr Geld wiedersehen. Dazu brauchen sie die Kooperation der Griechen. Ein Vertreter des öffentlichen Sektors: „Wenn es zum Austritt kommt, werden die Gläubiger mit dem Schuldner verhandeln. Auch die Gläubiger haben kein Interesse, dass der Schuldner nicht mehr auf die Beine kommt.“

Bis allerdings der Schuldner mit dem Gläubiger kooperiert, können noch einige Scharmützel ausgefochten werden. Die Griechen könnten sagen: Dann werft uns doch mal raus - wir gehen nicht, zahlen aber auch unsere Schulden nicht.

Dieses Spiel kann jedoch nicht lange dauern. Weil Griechenland kein Geld an den Kapitalmärkten aufnehmen kann, muss Griechenland mit der Troika kooperieren. Denn ohne Geld ist das Land ganz schnell am Ende: Es kann seine Staatsbediensteten nicht mehr bezahlen, sich keine Energie leisten, das öffentliche Leben droht außer Kontrolle zu geraten.

Genau hier will die Troika ansetzen: Die nächste Tranche, die im Juni fällig ist, wird es nur geben, wenn die Griechen mit einem einigermaßen vernünftigen Austrittsplan kommen. Bis dahin kann die EZB mit ihren Finanzierungsinstrumenten die griechischen Banken so weit über Wasser halten, dass nicht alles zusammenbricht.

Zugleich hofft man bei der Troika, dass der ESM rasch kommt, weil dann genug Geld zur Verfügung steht, um die Ansteckung anderer Staaten zu verhindern. Denn eine Frage kann niemand beantworten, wie ein involvierter Banker sagt: „Wir alle wissen nicht, ob es nach dem Austritt der Griechen zu einem Domino-Effekt kommt oder ob das dann wirklich der große Befreiungsschlag gewesen ist.“ Es wird in jedem Fall einige „diskretionäre Maßnahmen“ der EZB brauchen, um die Situation unter Kontrolle zu halten. Auf gut Deutsch: Da wird einiges an Geld gedruckt werden müssen, damit der Crash nicht doch gleich die ganze Euro-Zone in die Luft gehen lässt.

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