Deutschland

BDI-Chef: Euro ist beste Export-Förderung für Deutschland

Der Präsdident des BDI, Hans Peter Keitel, fordert in einem Brief an die Mitgliedsverbände des BDI eine politische Union in Europa. Dazu sollte die Haushaltspolitik auf europäischer Ebene konsolidiert werden. Ein möglichst niedriger Euro sei angesichts der Exporte nach Europa von existenieller Bedeutung für Deutschland.
25.06.2012 18:35
Lesezeit: 3 min

BDI-Chef Hans Peter Keitel hat in einem Brief (gesamtes Dokument im Original hier) an die Mitgliedsverbände des BDI die wichtigsten Eckpfeiler der europäischen Wirtschaftsunion umrissen: Es sprächen “politische und handfeste wirtschaftliche Gründe” für die Beibehaltung des Euro.

Aus Sicht der exportorientierten deutschen Industrie sei durch den Euro der Handel gestärkt worden, weil Hemmnisse wie Wechselkursrisiken weggefallen sind. Dies sei für Deutschland von großer Bedeutung. Keitels Fakten: “Allein im vorigen Jahr legten die Exporte in den Euroraum erneut um 8,6 Prozent zu. Insgesamt gingen 2011 rund 40 Prozent der deutschen Exporte in die Eurozone…Rund drei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland hängen an Exporten in den Euroraum.”

Keitel vertritt die Auffassung, dass die D-Mark den Südeuropäern die Möglichkeit gegeben hätte, durch Aufgwertungen deutsche Produkte zu verteuern. Dies falle nun weg. Auch im Vergleich zum Dollar liege der Euro besser als die D-Mark. Keitels These: “Der Euro wirkt asymmetrisch: Sinkt sein Wert über sein fundamental richtiges Niveau, ist dies gut für die deutsche Wirtschaft. Steigt er dagegen, werden mögliche negative Folgen durch die auch sonst starke Stellung der deutschen Industrie im internationalen Wettbewerb überlagert.”

Auch im Hinblick aug die Inflation habe der Euro Deutschland genutzt: “Tatsächlich lag die Inflation in Deutschland mit dem Euro von 1999 bis 2011 bei durchschnittlich gerade einmal 1,5 Prozent pro Jahr. Im Vergleich dazu erhöhten sich die Verbraucherpreise mit der D-Mark in den 1970er Jahren durchschnittlich um jährlich mehr als fünf Prozent, in den 1980er und 1990er Jahren um 2,6 Prozent per annum.”

Auch die niedrigen Zinsen wären gut für die Wirtschaft, schreibt Keitel; wenngleich der BDI-Chef an dieser Stelle einräumt, dass dies vor allem seitens des Staaten zu “Konsum auf Pump geführt”. Keitel zur aktuellen Lage auf dem Bond Markt: “Die Märkte hielten die No-Bailout-Klausel aufgrund der potenziell erheblichen Auswirkungen eines Staatsbankrotts für nicht durchsetzbar. Seit Beginn der Staatsschuldenkrise ist das Zinsniveau in den Peripherieländern im Vergleich zu Deutschland stark gestiegen. Es ist nicht ausgemacht, welche Auswirkungen das Zinsniveau künftig auf das Wachstum in der Eurozone haben wird. Jedenfalls sind die Chancen auf eine realistische und verantwortungsvolle Finanzpolitik durch die Krise gestiegen. Diese Chancen müssen aber auch konsequent genutzt werden.”

Interessanterweise sieht Keitel die Lage Deutschlands in einem entscheidenden Punkt dann doch nicht ganz so rosig: Zwar verschaffe der Euro Deutschland “das wirtschaftliche Gewicht, um internationale politische Rahmenbedingungen künftig mitzugestalten.” Das hat der Euro aber offenbar bis jetzt nicht geschafft. Denn: “Der Anteil Deutschlands am globalen Bruttoinlandsprodukt ist rückläufig. Während der Anteil Deutschlands 2011 nur noch rund vier Prozent ausmachte, lag der Anteil der Eurozone bei rund 14,5 Prozent. Auf unserem Kontinent ist nur die EU ein wirklicher Global Player: Mit fast einer halben Milliarde Menschen erzeugt sie ein Viertel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Jeder Einzelstaat für sich allein kann kein Global Player sein, selbst Deutschland nicht.”

Aus diesem Grund liege nun eine starke politische Union im Interesse der deutschen Industrie. Keitel: “Wir Europäer müssen die Währungsunion jetzt konsequent zu einer politischen Union ausbauen. Erst durch die Einbettung in einen institutionellen Rahmen können die kurzfristig notwendigen Stabilisierungsmaßnahmen ihre vertrauensstiftende Wirkung entfalten. Die Krise hat gezeigt, dass eine gemeinsame Währungspolitik eine Vergemeinschaftung wichtiger Elemente der Wirtschafts- und Finanzpolitik erfordert. Zentrales Ziel der Übertragung weiterer nationaler wirtschafts- und finanzpolitischer Kompetenzen auf die europäische Ebene ist die Förderung von Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen.” Dazu gehören nach Keitels Meinung auch Fiskalpakt, ESM und Schuldenbremse.

Keitel will, dass diese Maßnahmen jetzt schnell ergriffen werden. Der BDI-Chef ist sich zwar bewusst, dass “die Weiterentwicklung der Europäischen Integration durch eine stärkere demokratische Legitimation der europäischen Einigung begleitet werden” müsse. Er hält jedoch “nichts von populistischen Spekulationen und Mutmaßungen

über finanzielle Belastungen sowie angeblich undemokratische fiskalpolitische Mechanismen”.

Hier liegt ein gedanklicher Widerspruch vor: Jede demokratische Willensbildung ist per se “populistisch” – in dem Sinne, das Politiker aufs Volk hören und schauen müssen, wenn sie gewählt werden wollen. Eine echte demokratische Legitimation kann den Prozess der europäischen Einigung daher nicht bloß folkloristisch “begleiten”, sondern kann nur gelingen, wenn die Argumente rechtzeitig, offen und fair ausgetauscht werden. Davon ist in der Euro-Debatte wenig zu bemerken, im Gegenteil: Der luxemburgische Staatschef Jean Clauder Juncker hatte in einem TV-Interview gesagt, dass die Politik zu lügen beginnen müsse, wenn es ernst werde.

Den von Keitel beklagten Vertrauensverlust an den Märkten gibt es auch im profan-politischen Bereich: als Vertrauensverlust, den die politischen Entscheider bei den Bürgern erleiden. Ohne das grundlegende Vertrauen kann jedoch kein politische Struktur auf Dauer funktionieren – erst recht nicht ein so hehres Gebilde wie die politische Union in Europa.

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