In den frühen Morgenstunden des Sonntag beginnt in der Ukraine der Urnengang. Insgesamt 36,6 Millionen Wahlberechtigte werden ihre Stimme für die Oberste Rada, das ukrainische Parlament, abgeben. Aber sie entscheiden letztlich nicht nur über die Vergabe der 450 Parlaments-Mandate, sondern auch über die Zukunft des Landes in oder außerhalb der EU.
Während die aktuelle Regierung um Präsident Viktor Janukowitsch (Partei der Regionen) fest mit einem Sieg rechnet, stehen aber auch der Boxweltmeister im Schwergewicht, Vitali Klitschko (Partei Udar, Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen), und das Parteienbündnis um Julia Timoschenkos Partei Batkiwschtschyna (Vaterland), die sogenannte Vereinigte Opposition (Partei Vaterland), im Mittelpunkt. Insgesamt können die Ukrainer zwischen 22 Partei und etwa 2.600 Direktkandidaten wählen. Derzeit käme Viktor Janukowitsch Partei aktuellen Umfragen zufolge auf 20 bis 25 Prozent der Stimmen. Klischkos Udar und Timoschenkos Partei liegen jeweils zwischen 15 und 20 Prozent.
Etwa 4.000 ausländische Beobachter sind zur Überwachung der Wahl in der Ukraine geschickt worden, es wird mit Manipulationsversuchen gerechnet. So beschwerte sich etwa Vitali Klitschko über die Unverhältnismäßigkeiten bereits beim Wahlkampf: „Wir wurden psychischen und physischen Repressalien ausgesetzt, von Behörden, Polizei, Anwaltschaften und Gerichten“, sagte er der FAZ. „Dieser Wahlkampf ist der schmutzigste und gewalttätigste, den ich bisher erlebt habe."
Vor allem in der EU wird die ukrainische Wahl besondere Beachtung finden. Im Zusammenhang mit der „Orangenen Revolution“ begann die EU vor vier Jahren die Verhandlungen mit der Ukraine über ein umfassendes Freihandels- und Assoziierungsabkommen. Seit Viktor Janukowitschs Antritt als Präsident 2010 kamen die Verhandlungen jedoch zunehmend ins Stocken. Führende Köpfe der Opposition wurden verfolgt und verhaftet. Der Fall Julia Timoschenko sorgte zuletzt für heftige Kritik aus den Reihen der EU. Korruption, fehlende Unabhängigkeit der Gerichte, fehlende Pressefreiheit und Menschenrechtsverletzungen führten außerdem dazu, dass die EU das Assoziierungsabkommen vorläufig unterbrach.
Das auf Eis liegende Assoziierungsabkommen ist nicht ohne Bedeutung für die Ukraine. „Wenn wir das Assoziierungsabkommen mit der EU haben, sagen wir uns ein für alle Mal vom postsowjetischen Raum los", sagte der Leonid Koschara, stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Parlaments der Ukraine dem DLF. Wirtschaftlich droht das Land zunehmend in eine Isolation zu geraten und ist der Zugang zur EU versperrt, rückt ein Rutsch in Richtung Russland näher. Das wiederum würde das Land weiter von der EU entfernen.