Politik

Anruf von Merkel: EU-Abgasnorm vorerst gekippt

Im Kampf gegen strengere Abgasnormen rief Kanzlerin Merkel den EU-Ratspräsidenten Kenny persönlich an. Er solle die Abstimmung von der Tagesordnung der Botschaftersitzung nehmen. In letzter Minute greift Merkel zum Mittel der Hinterzimmer-Politik, um die deutschen Autohersteller zu schützen. Erfolgreich: Die Abstimmung wurde verschoben.
27.06.2013 17:47
Lesezeit: 2 min

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich persönlich dafür eingesetzt, eine europäische Regelung über schärfere CO2-Grenzwerte für Autos in letzter Minute vorerst unter den Tisch fallen zu lassen. Vor allem die deutschen Premiumhersteller wären durch die strengeren CO2-Werte belastet worden.

Doch für Merkel wurde die Zeit, die Grenzwerte doch noch zu lockern, knapp. Schon diesen Donnerstag war die Abstimmung darüber als Tagesordungspunkt der EU-Botschaftersitzung festgesetzt.

Aus diesem Grund rief Merkel noch am Mittwochabend den irischen Premier Enda Kenny an, berichtet die FT mit Verweis auf ungenannte EU-Quellen. Kenny ist ist zugleich der noch amtierende EU-Ratspräsident. Merkel soll am Telefon von Kenny verlangt haben, das Thema Abgas-Normen von der Tagesordnung des Treffens am Donnerstag zu streichen. Es solle erst beim nächsten Treffen Ende Oktober darüber entschieden werden. Der mögliche Misserfolg für Merkel würde so zumindest auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben.

Merkel braucht mehr Zeit. Um Nachverhandlungen zu erzwingen, versucht die Bundesregierung, in der EU eine Blockade-Minderheit zusammenzubekommen, berichtet Reuters. Sie bemüht sich um eine gemeinsame Haltung mit anderen EU-Staaten, deren Autohersteller und Zulieferbetriebe ebenfalls betroffen wären.

Kanzlerin Angela Merkel kritisierte zuvor bereits, dass in der EU zu viele Dinge gemacht würden, die mit den eigentlichen Problemen nichts zu tun hätten. Man müsse sich Sorgen machen, ob Deutschland überhaupt noch ein automobil-produzierendes Land sein könne. Der europäische Automobilmarkt steckt schon jetzt in der stärksten Krise seit 20 Jahren (mehr hier).

Es war erwartet worden, dass die EU-Botschafter sich am Donnerstag auf den Kompromiss einigen, der von Vertretern des EU-Parlaments, der Kommission und den Mitgliedsstaaten am Montag ausgehandelt worden war.

Doch wie sich jetzt zeigte, war Merkels Anruf bei Kenny erfolgreich. Wie die Deutschen Wirtschafts Nachrichten von EU-Diplomaten erfahren haben, wurde die Abstimmung über die Abgas-Werte verschoben. Stattdessen wurden bei der Botschaftersitzung von dem irischen Diplomaten nur die Ergebnisse der Verhandlungen mit der Kommission dargelegt.

Den EU-Diplomaten zufolge hatten neben Deutschland auch einige andere Länder um einen Aufschub der Abstimmung gebeten. Als Grund für die Aufschiebung wird angegeben, dass der notwendige Text zur Abstimmung erst am Vorabend vorgelegt worden sei. Bis zum Anruf Merkels war eine Verschiebung jedoch noch nicht in Sicht.

Der Kompromiss vom Montag sieht vor, das Limit für den CO2-Ausstoß für Neuwagen von 2015 bis 2020 von 130 Gramm je Kilometer im Schnitt auf 95 Gramm zu senken. Die Hersteller könnten dabei Elektroautos und Hybridfahrzeuge von 2020 bis 2023 mehrfach anrechnen lassen, um ihre CO2-Ziele zu erreichen.

Die Bundesregierung befürchtet eine zu große Belastung für die deutschen Premiumhersteller wie BMW und Daimler. Die EU verhalte sich widersprüchlich. Einerseits versuche sie, Jobs zu schaffen. Andererseits belege sie wettbewerbsfähige Firmen mit zu harten Auflagen.

Für italienische oder französische Hersteller kleinerer Autos sind diese Vorgaben leichter zu erreichen als für die deutschen Produzenten schwerer Oberklassewagen. Deutschland hatte sich für eine noch stärkere Anrechnung von Elektroautos eingesetzt. Zudem kämpfte die Bundesregierung dafür, die vor 2020 produzierten Elektroautos für die Ziele ab 2020 anrechnen zu können.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen: Deutschlands Pleitewelle hält an – ein Blick auf Ursachen und Folgen
11.07.2025

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter – wenn auch etwas langsamer. Trotzdem deuten aktuelle Daten auf tiefgreifende...

DWN
Politik
Politik Trump kündigt Erklärung zu Russland an – neue Dynamik oder taktisches Manöver?
11.07.2025

Ein Treffen in Malaysia, neue russische Vorschläge und Trumps Ankündigung einer großen Russland-Erklärung: Zeichnet sich eine Wende im...