Deutschland

Abhör-Affäre: Westerwelle bestellt US-Botschafter ein

Außenminister Guido Westerwelle hat den US-Botschafter John B. Emerson einbestellt, um ihn zur Handy-Affäre mit Angela Merkel zu befragen. Für Westerwelle eine späte Genugtung: Der ehemalige US-Botschafter Murphy hatte Westerwelle als außenpolitischen Dummkopf verhöhnt.
24.10.2013 12:07
Lesezeit: 2 min

Wegen der Überwachung des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel durch den US-Nachrichtendienst NSA hat Bundesaußenminister Westerwelle den US-Botschafter John B. Emerson einbestellt.

Westerwelle will erfahren, wie die Amerikaner an Informationen von Angela Merkel gekommen sind.

Für Westerwelle ist dies eine seiner letzten Aktionen als deutscher Außenminister.

Dem Eingreifen Westerwelles haftet der Geruch der Rache an: Der ehemalige US-Botschafter Philip Murphy hatte Westerwelle hatte sich in einer von Wikileaks veröffentlichten Depesche sehr abfällig über Westerwelle geäußert.

Die US-Botschafter spielen seit jeher eine zwielichtige Rolle in Deutschland: Sie kommen aus dem Investmentbanking, der Rüstungs- und der Automobil-Industrie und vertreten daher ganz andere Interessen, als der durchschnittliche deutsche Politiker glaubt (mehr dazu hier).

Der Spiegel zitiert aus der Depesche Murphys an Washington:

„Wie ein bekannter außenpolitischer Experte in Berlin unserem Mitarbeiter sagte, fehlt es ihm (Westerwelle, Anm.d.Red) an Persönlichkeit, und er wird als zu opportunistisch angesehen, um als Außenminister vertrauenswürdig zu sein. Mehrere Mitarbeiter des Außenministeriums sagten unserem Referenten nach der Rede bei der DGAP, sie seien noch nicht davon überzeugt, dass Westerwelle über die ,nötige Fachkompetenz in Außen- und Sicherheitspolitik' verfüge, um ein erfolgreicher Außenminister zu werden, obwohl sie keine Zweifel an seiner Fähigkeit hätten, schnell auf Hochtouren zu kommen. Es gab einen Konsens unter den Beamten - verursacht vielleicht durch politische Abneigungen -, dass Westerwelle arrogant und zu fixiert darauf sei, seinen ,Persönlichkeitskult' zu pflegen …

Es fiel Westerwelle schwer, seinen Unmut über Washington zu verbergen, der daraus resultierte, dass ihn weder die Führungskräfte noch die Botschaft in Berlin während seiner Oppositionszeit umworben haben … Aufschlussreich war ebenfalls Westerwelles etwas kantiger Sinn für Humor. Zunächst schmeichelte er uns mit einer Erkundigung nach Ministerin Clintons Gesundheitszustand nach ihrer Ellenbogenverletzung, um gleich darauf zu witzeln, er werde die Ministerin fragen, ob die Botschaft ihr seine besten Wünsche auch überbracht habe.“

An anderer Stelle wurde auch über Westerwelles Homosexualität gespottet.

Zwar hat Murphy versucht, den Schaden durch ausgesuchte Schleimerei Höflichkeit wieder gutzumachen und einige Jahre später behauptet, Westerwelle sei ein wahrer Freund Amerikas - doch diese Verteidigung des Goldman-Botschafters hat niemandem mehr interessiert: Westerwelles Ruf in der diplomatischen Welt, die ja größten Wert auf Äußerlichkeiten und Tratsch die Beurteilung durch Dritte legt, war ramponiert.

„Es trifft zu, dass der amerikanische Botschafter zu einem Gespräch mit Außenminister Westerwelle für heute Nachmittag einbestellt wurde“, zitiert das Handelsblatt eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Dem amerikanischen Botschafter werde die Position der Bundesregierung „deutlich dargelegt“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte das Abhören ihres Mobiltelefons durch die NSA „inakzeptabel“ und sprach von einem „Vertrauensbruch“. Am Mittwoch telefonierte Merkel mit US-Präsident Barack Obama. Dabei forderte sie, solche Überwachungspraktiken „unverzüglich“ zu unterbinden (hier).

Die US-Regierung sagte, die Kanzlerin werde nicht überwacht. Offen blieb jedoch, ob die NSA Merkel in der Vergangenheit abgehört hat.

Am Donnerstagnachmittag trifft sich das Parlamentarische Kontrollgremium kurzfristig zu einer Sondersitzung. „Wer die Kanzlerin abhört, der hört auch die Bürger ab“, sagte Gremiums-Chef Thomas Oppermann. Das geheim tagende Gremium ist für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig.

„Die NSA-Affäre ist nicht beendet. Die Aufklärung steht erst am Anfang“, so Oppermann (SPD). „Die Überwachungstätigkeit der NSA ist völlig aus dem Ruder gelaufen und befindet sich offenbar jenseits aller demokratischen Kontrolle.“

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