Finanzen

Zentralbanken hoffen auf deutlichen Anstieg der Inflation

Lesezeit: 2 min
30.09.2016 02:04
Die Zentralbanken hoffen, dass der OPEC-Deal die Inflation in die Höhe treibt. Sie müssten dann allerdings die Zinsen erhöhen - und damit einen Crash im Aktienmarkt riskieren.
Zentralbanken hoffen auf deutlichen Anstieg der Inflation
Die Inflation in Deutschland in der 3-Jahres-Sicht. (Grafik: ariva.de)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Zu den Profiteuren der OPEC-Entscheidung, Obergrenzen für die Ölförderung festlegen zu wollen, gehören die Zentralbanken und die entsprechenden Staaten. Voraussetzung allerdings ist, dass das Abkommen tatsächlich in die Tat umgesetzt wird und dass die Nicht-OPEC-Länder ihre Produktion nicht übermäßig steigern. Das Abkommen von Algiers würde dann tendenziell zu höheren Ölpreisen führen, was die Notenbanken wiederum in die Lage versetzt, ihre Inflationsziele von etwa 2 Prozent leichter zu erreichen. Auch die inzwischen immense Schuldenlast der meisten Staaten lässt sich leichter beherrschen, je stärker die Geldentwertung ausfällt, weil dann „alte“ Schulden mit „neuem“, entwertetem Geld zurückgezahlt werden können.

„Höhere Ölpreise sind gute Nachrichten für die Bank of Japan. Es würde zu einem Anstieg der Inflation beitragen“, wird ein Banker in Tokio von Bloomberg zitiert.

In besonderer Weise dürfte diese Einschätzung für die Europäische Zentralbank gelten. Denn die Inflationsberechnung der EZB räumt den Erdölpreisen einen überproportional großen Raum ein. Die Geldpolitik der EZB orientiert sich an einem Inflationsziel für den harmonisierten Konsumentenpreisindex (hicp). Als Preisstabilität wird seit der Gründung der EZB willkürlich, d.h. ohne weitere empirische Fundierung, eine Jahresveränderungsrate des hicp von knapp unter 2 Prozent definiert. Doch der hicp-Index ist von seiner Konstruktion und Methodologie ein schwacher, unpräziser Inflationsmaßstab. Empirisch sind rund 50 Prozent oder mehr der gesamten hicp Inflationsdynamik auf die Energiepreise zurückzuführen. Die Dynamik dieses Index über die letzten 20 Jahre ist von den Energiepreisen als einzelner Komponente dominiert. Alle anderen Komponenten mit Ausnahme noch der Nahrungsmittelpreise haben praktisch keine zyklische Varianz.

Hält also das Abkommen von Algiers und steigen in der Folge die Erdölpreise an, dürfte die EZB ihrem Inflationsziel von knapp unter 2 Prozent verglichen mit anderen Zentralbanken schneller näherkommen. Dies wiederum entzieht der Fortführung der expansiven Geldpolitik die Berechtigung, ohne die jedoch Kurseinbrüche an den Aktien- und Kapitalmärkten drohen.

Verlierer höherer Erdölpreise wären neben den Autofahrern auch die Fluggesellschaften, welch sich in den vergangenen Monaten über deutliche Einsparungen bei den Kerosinpreisen freuen durften.

Die Preise in Deutschland sind im September so stark gestiegen wie seit Mai 2015 nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 0,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag nach vorläufigen Berechnungen mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten damit gerechnet, dass die Teuerungsrate lediglich auf 0,6 Prozent steigt, nach 0,4 Prozent im August. Gedämpft wurde die Inflation noch immer von Energie, die sich zum Vorjahr um 3,6 Prozent verbilligte. Die Preise für Nahrungsmittel stiegen hingegen um 0,4 Prozent. Die Inflation bleibt trotz des Anstiegs weit unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), die Werte von knapp unter zwei Prozent als ideal für die Konjunkturentwicklung ansieht.

Ökonom Stefan Kipar von der BayernLB geht davon aus, dass die EZB im Dezember ihr bis März 2017 laufendes Wertpapierankaufprogramm zum Anheizen der Inflation ausweiten wird: "Und zwar wohl um sechs Monate und möglicherweise darüber hinaus. Denn für die EZB bleibt die Kernrate - also ohne Energie und Lebensmittel - noch deutlich unterhalb dessen, was sie sich vorstellt." Die Zentralbank hat dabei nicht nur Deutschland im Blick, sondern richtet ihre Geldpolitik an der gesamten Euro-Zone aus.

Auch die aktuellen Inflationsdaten aus Spanien dürfte die Sorgen der Währungshüter ein wenig gemildert haben: Die Preise stiegen im September um 0,3 Prozent und damit erstmals seit Juli 2015.

Die EZB kauft seit März 2015 in großem Stil Staatsanleihen der Euro-Länder, um für mehr Wachstum und Inflation zu sorgen. Sie will damit eine durch fallende Preise ausgelöste Deflation verhindern - also eine für die Konjunktur gefährliche Abwärtsspirale bei Löhnen, Preisen und Investitionen. Inzwischen wird das Inflationsziel der Währungshüter jedoch bereits seit Frühjahr 2013 verfehlt. Daher sind höhere Lebenshaltungskosten in Deutschland aus volkswirtschaftlicher Sicht durchaus ein Grund zum Jubeln: "Hurra, die Preise steigen!", erläuterte KfW-Chefökonom Jörg Zeuner: "Das klingt verrückt, trifft es aber. Denn die aktuelle Preisentwicklung unterstreicht, dass Deflationsgefahren erst einmal abgewendet sind."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Politik
Politik Steinmeier unter Feuer: Kontroverse um Ukraine-Hilfen und Taurus-Lieferungen
30.04.2024

Bundespräsident Steinmeier steht wegen seiner Aussagen zur Ukraine-Hilfe in der Kritik. Politiker werfen ihm vor, seine Rolle nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen SAP Stellenabbau: Abfindungsangebote stehen, 2600 Jobs sollen wegfallen
30.04.2024

Im Rahmen der weltweiten Umstrukturierung von SAP sollen 2600 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut werden. Nun wurden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ukraine-Krieg: So ist die Lage
30.04.2024

Ukraine ruft nach dringender Militärhilfe, während tägliche Raketenangriffe weiterhin zivile Opfer fordern. Selenskyj und Stoltenberg...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Massenprotest bei Thyssenkrupp: Beschäftigte fordern Arbeitsplatzerhalt
30.04.2024

Bei Deutschlands größtem Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel ist viel im Umbruch. Arbeitnehmervertreter fordern Standortgarantien und...

DWN
Immobilien
Immobilien Vonovia dreht das Blatt: Gewinn nach Milliardenverlust
30.04.2024

Nach einem harten Jahr meldet Deutschlands Immobiliengigant Vonovia einen beeindruckenden Gewinn – ein Wendepunkt. Seine Aktie springt...

DWN
Finanzen
Finanzen Einzelhandel erlebt Umsatzsprung: Hoffnung auf Konsumaufschwung wächst
30.04.2024

Deutschlands Einzelhandel verzeichnet den stärksten Umsatzanstieg seit über zwei Jahren, mit realen Zuwächsen und positiven Aussichten...

DWN
Technologie
Technologie Rakete eines deutschen Start-ups soll in den nächsten Tagen ins Weltall starten
30.04.2024

Elon Musk hat auch klein angefangen: Erstmals seit Jahrzehnten soll nun eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschlands Wirtschaft trotzt Erwartungen: Wachstum statt Rezession im ersten Quartal
30.04.2024

Deutschlands Wirtschaft wächst trotz düsterer Prognosen: 0,2 Prozent Wachstum im ersten Quartal. Auch der Einzelhandel gibt Anlass zur...