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Studie: Zuwenig Schlaf schädigt das Gehirn

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich das Gehirn im Schlaf selbst entgiftet. Diese Entgiftung ist offenkundig in einem viel höheren Maß notwendig als bisher bekannt. Wer nicht mindestens sieben bis neun Stunden schläft, riskiert schwere Schädigungen des Gehirns.
16.01.2014 00:29
Lesezeit: 3 min

Eine aktuelle Studie im Fachmagazin Science liefert neue Erkenntnisse über die Rolle des Schlafens. Demnach ist das Gehirn im Schlaf überaus aktiv und vorwiegend damit beschäftigt, giftige Nebenprodukte zu beseitigen, die sich im Laufe des Tages angesammelt haben. Dies fand eine Gruppe von Wissenschaftlern um Maiken Nedergaard, dänische Biologe und Leiterin für Schlaf-Forschung an der Rochester Universität, heraus.

Forscher hatte sich die Frage gestellt, warum der Mensch im Vergleich zu den Tieren so viel Schlaf braucht: Wie konnte es ein Lebewesen riskieren, im Schlaf von einem wilden Tier gefressen zu werden? Die lange Untätigkeit des Menschen müsse, so die Forscher eine existentiell wichtige Funktion erfüllen. Anders sei es nicht zu erklären, dass sieben  bis neun Stunden Schlaf das absolute Minimum seien, um gesund zu überleben.

Eine Studie habe ergeben, dass sich die Menschheit auf einem Abweg befindet, was den Schlaf anlangt: Die New York Times berichtet, dass es die Menschen heute durchschnittlich zwei Stunden weniger schlafen als noch vor 50 Jahren. Diese Entwicklung hat sich beschleunigt: Im Vergleich zu vor zehn Jahren schlafen wir 38 Minuten weniger. In den USA leiden bis zu 70 Millionen an chronischen Schlafstörungen.

Aus einer Studie im Fachmagazin Nature war bereits bekannt, dass Schlafen eine wichtig für das Formen und Festigen von Erinnerungen ist. Zudem ist aus Untersuchungen ersichtlich, dass Schlafen eine zentrale Rolle bei der Erstellung von neuen Verknüpfungen zwischen Gehirnzellen spielt.

Die Erkenntnisse von Nedergaards Team aus Wissenschaftlern gehen darüber hinaus. Sie zeigen auf, dass Schlafen auch eine physiologische Funktion hat. Während der Körper im Allgemeinen durch das Lymphsystem von giftigen Nebenprodukten befreit wird, ist das Gehirn außerhalb der Reichweite dieses Systems.

„Denken Sie an ein Aquarium“, sagt Dr. Nedergaard. „Wenn Sie ein Aquarium ohne Filter haben, werden die Fische irgendwann sterben. Wie werden die Gehirnzellen also ihren Müll los? Wo ist ihr Filter?“

Bis vor kurzem galt das Modell, dass das Gehirn seinen Müll auf Zellebene selbst recycelt. Wenn dieser Prozess irgendwann versagt, treten durch die Ansammlung von Giftstoffen altersbedingte Verfallserscheinungen und Erkrankungen wie Alzheimer auf. Für Nedergaard ergab das keinen Sinn, denn das Gehirn sei zu beschäftigt für diese Recycling-Aufgaben.

Stattdessen machte sie den Vorschlag eines Entgiftung-Systems im Gehirn ähnlich dem Lymphsystem. Sie nannte es Glymph-System und spielte damit auf die Glia-Zellen an, die darin eine entscheidende Rolle spielen. Mit Hilfe von fortgeschrittenen Mikroskopen und Einfärbungstechniken konnte die Gruppe von Wissenschaftlern die These bestätigen. Dazu spritzten sie Mäusen leuchtende Isotope und verfolgten ihren Weg durch das Gehirn. Dabei fanden sie heraus, dass Mäuse-Gehirne während des Schlafens damit beschäftigt sind, die Abfallprodukte des Vortags zu entsorgen.

Derzeit wartet Nedergaard auf die Erlaubnis, um ihre Forschung an Menschen zu wiederholen. Sie vermutet dort dieselben Prozesse wie bei den Mäusen. „Wenn überhaupt, braucht es mehr von diesen Prozessen in einem größeren Gehirn“, so Nedergaard.

Sollte sich die Hypothese auch bei Menschen bewahrheiten, würde das ein anderes Licht auf die steigenden Alzheimer-Raten werfen. Der Schlafmangel wäre dann mitverantwortlich für die Verbreitung von degenerativen Gehirnerkrankungen.

In unserer heutigen Gesellschaft leiden etwa 80 Prozent der arbeitenden Bevölkerung unter Schlafmangel, wie eine Erhebung feststellte. Demnach bekommen wir durchschnittlich etwa zwei Stunden Schlaf weniger als noch vor 50 Jahren. In den USA leiden etwa 50 bis 70 Millionen Menschen unter einer Form von Schlafstörung, wie die New York Times berichtet. Zugleich nimmt der Missbrauch von Schlafmitteln zu (Lesen Sie hier mehr zu den Gesundheitsrisiken durch Schlaftabletten).

Für Sigrid Veasy, Schlaf-Forscherin an der Universität Pennsylvania, haben die neuen Erkenntnisse weitreichende Auswirkungen.

„Wenn wir nicht gut schlafen, erlauben wir den Dingen, die neuronalen Verfall begünstigen, sich unkontrolliert aufzustapeln“, sagte Veasy. „Wenn wir Schlaf auslassen, könnten wir dem Gehirn irreparable Schäden zufügen, er vorzeitig altern lassen oder es verwundbarer machen“, so Veasy weiter.

Die Forschungs-Ergebnisse könnten dazu genutzt werden, neue Diagnose-Formen für Alzheimer zu erstellen. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit wäre die Entwicklung von Medikamenten, die den Entgiftungsprozess des Gehirns nachahmen. Der normalerweise nötige Schlaf könnte dann durch die Einnahme einer Pille reduziert werden. Das würde ein weiteres Geschäftsfeld für Pharmaunternehmen eröffnen (hier mehr zu ähnlichen Plänen).

Die Schlaf-Forscherin Dr. Veasy sagt: „Das könnte bedeuten, dass wir nie wieder schlafen müssen“, so Veasy.

Möglicherweise ist die Industrie von der Politik gebeten worden, Alternativen für chronische Nicht-Schläfer zu finden: Bei den meisten EU-Gipfeln fallen die wichtigen Entscheidungen am frühen Morgen, wenn sich die Politiker nur noch mit Mühe auf den Beinen halten können (wie den Euro-Rettern von Forschern attestiert wurde - hier).

Die politischen Folgen dieses widernatürlichen Handelns sind bekannt.

Es geht auch ohne wilde Tiere.

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