Politik

Französische Abgeordnete attackieren Freihandelsabkommen

In Frankreich wächst der Widerstand gegen das geplante transatlantische Abkommen. Abgeordnete aller politischen Lager kritisieren die Geheimniskrämerei, zweifeln am Nutzen für die Wirtschaft und fürchten die Aushöhlung der Gerichtsbarkeit. Die Ministerin für Außenhandel ist als Unterstützerin des Abkommens völlig isoliert.
17.01.2014 00:05
Lesezeit: 2 min

Die französische Ministerin für Außenhandel, Nicole Bricq, musste zugeben, dass in Frankreich der Widerstand gegen das transatlantische Abkommen am stärksten ist. Eine Debatte im Senat vom 9. Januar offenbarte die Abneigung gegen das Abkommen. Die Ministerin war dabei komplett isoliert in ihrer Position für das Abkommen und sah sich Kritik aus allen politischen Lagern ausgesetzt, wie EurActiv berichtet.

Eine der sonstigen Befürworter des Abkommens, der Sozialist Daniel Raoul, warnte in der Debatte vor den Gefahren der Investment-Schutzklauseln. Die außergerichtlichen Einigungen würden es Konzernen ermöglichen, den Staat vor Schiedsgerichten statt vor nationalen Gerichten auf entgangene Profite zu verklagen. (Mehr über die Aushebelung der nationalen Gerichtsbarkeit durch das TTIP lesen Sie hier).

„Wir wollen, dass diese Option der Schlichtungsverfahren aus dem Abkommen gestrichen wird. Diese Regelung wird wahrscheinlich zu unakzeptablen Kosten für die Staaten führen und dadurch ihre gesetzgebenden Möglichkeiten untergraben“, sagte Raoul vor dem Senat.

Der ehemalige französische Innenminister, Jean-Pierre Chevènement, erinnerte daran, dass die Idee zum Abkommen aus den USA kam. Die Amerikaner wollten dadurch den Handelsüberschuss Europas ausgleichen und Arbeitsplätze zurück in die USA holen.

Der Grünen-Abgeordnete André Gattolin warnte vor Ungleichgewichten durch das Abkommen.

„Uns wird ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent versprochen, aber nur wenige Regionen werden davon profitieren, wie die Häfen von Rotterdam und Antwerpen. So wie es jetzt steht, ist das Projekt schlecht für uns und wir haben beim NSA-Skandal gesehen, dass die Würfel gezinkt sind“, so Gattolin.

Jean Bizet, von der Mitte-Rechts-Partei UMP, meldete Bedenken über die Lebensmittel- und Landwirtschaftsstandards an. Er verwies speziell auf die steigenden Importe von Milchprodukten, die die heimische Industrie bedrohten.

Der Kommunist Michel Gillout kritisierte, dass die Undurchsichtigkeit der Verhandlungen ein schlechtes Zeichen vor den Europa-Wahlen senden würde. Die Ministerin für Außenhandel spielte die demokratischen Defizite in den Verhandlungen zum TTIP herunter.

„Es ist nicht üblich, dass die EU-Kommission die nationalen Parlamente in die Debatte miteinbezieht, aber der Prozess schreitet voran“, sagte Bricq und ignorierte zugleich eine Reihe von Fragen.

Die schärfste Kritik kam jedoch aus dem Lager der sozialistischen Regierung.

„Ich bin dem Abkommen gegenüber sehr feindlich eingestellt. Wir müssen anerkennen, dass die glückliche Globalisierung nicht stattgefunden hat. Die multinationalen Konzerne befinden sich in einer Position, die wir nicht kontrollieren können“, sagte die Sozialistin Marie-Noelle Lienemann.

Die dritte Runde der Verhandlungen geriet durch starke Meinungsverschiedenheiten bei regulatorischen Fragen ins Stocken (Wie die Verhandlungspartner planen diese Hindernisse zu beseitigen, können Sie hier lesen). Ein weiterer Streitpunkt war dabei die Aufnahme von Finanzdienstleistungen in das Abkommen (Mehr zum Einfluss der Finanz-Lobby auf das Abkommen erfahren Sie hier). Die nächste Verhandlungsrunde findet Anfang Februar statt und wird sich um das Thema der Zollschranken drehen.

Die Initiatoren des Freihandelsabkommens bemühen sich, den Stand und den Inhalt der Verhandlungen geheim zu halten. Falls dennoch über das Abkommen berichtet wird, sind die Medien angewiesen, die positiven Aspekte hervorzuheben (Wie die EU für eine einheitliche Propaganda sorgen will, lesen Sie hier). Doch auch das derzeitige Abkommen könnte an einem Sturm öffentlicher Entrüstung scheitern, wie bereits das MAI-Abkommen im Jahr 1995. Michael R. Krätke schrieb in einem Artikel für die Blätter für deutsche und internationale Politik:

„Das Multilaterale Abkommen über Investionen, gestartet von OECD und Europäischer Union im Jahre 1995, scheiterte drei Jahre später – weil die Verhandlungen zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurden, aber nicht geheim blieben. Was durchsickerte, reichte aus, um einen Proteststurm zu entfachen. Am Ende weigerten sich einige europäische Länder, Frankreich voran, über das Abkommen zu verhandeln.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Generation Z lehnt Führungspositionen ab – Unternehmen müssen umdenken
25.04.2025

Die Generation Z zeigt sich zunehmend unbeeindruckt von traditionellen Karrierewegen und Führungspositionen im mittleren Management. Eine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
25.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Politik
Politik Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen
25.04.2025

Gerade bei der Rente hat die kommende Merz-Regierung ambitionierte Pläne. Doch gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen droht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gold im Höhenrausch: Wenn Trump das Gold sieht, wird es gefährlich
25.04.2025

Der Goldpreis steht kurz davor, einen historischen Rekord nicht nur zu brechen, sondern ihn regelrecht zu pulverisieren. Die Feinunze Gold...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoindustrie unter Druck: Zollkrieg sorgt für höhere Preise und verschärften Wettbewerb
25.04.2025

Der Zollkrieg zwischen den USA und Europa könnte die Auto-Preise in den USA steigen lassen und den Wettbewerb in Europa verschärfen....

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen der Deutschen auf Rekordhoch – aber die Ungleichheit wächst mit
25.04.2025

Private Haushalte in Deutschland verfügen so viel Geld wie nie zuvor – doch profitieren längst nicht alle gleichermaßen vom...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wirtschaftsmodell zerbricht, Polen rückt vor
25.04.2025

Deutschlands Wirtschaftsmaschinerie galt jahrzehntelang als unaufhaltsam. Doch wie Dr. Krzysztof Mazur im Gespräch mit Polityka...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China im Handelskrieg: Regierung bereitet sich auf das Schlimmste vor
25.04.2025

Chinas Führung bereitet sich inmitten des eskalierenden Handelskonflikts mit den USA auf mögliche Härtefälle vor. In einer Sitzung des...