Die französische Ministerin für Außenhandel, Nicole Bricq, musste zugeben, dass in Frankreich der Widerstand gegen das transatlantische Abkommen am stärksten ist. Eine Debatte im Senat vom 9. Januar offenbarte die Abneigung gegen das Abkommen. Die Ministerin war dabei komplett isoliert in ihrer Position für das Abkommen und sah sich Kritik aus allen politischen Lagern ausgesetzt, wie EurActiv berichtet.
Eine der sonstigen Befürworter des Abkommens, der Sozialist Daniel Raoul, warnte in der Debatte vor den Gefahren der Investment-Schutzklauseln. Die außergerichtlichen Einigungen würden es Konzernen ermöglichen, den Staat vor Schiedsgerichten statt vor nationalen Gerichten auf entgangene Profite zu verklagen. (Mehr über die Aushebelung der nationalen Gerichtsbarkeit durch das TTIP lesen Sie hier).
„Wir wollen, dass diese Option der Schlichtungsverfahren aus dem Abkommen gestrichen wird. Diese Regelung wird wahrscheinlich zu unakzeptablen Kosten für die Staaten führen und dadurch ihre gesetzgebenden Möglichkeiten untergraben“, sagte Raoul vor dem Senat.
Der ehemalige französische Innenminister, Jean-Pierre Chevènement, erinnerte daran, dass die Idee zum Abkommen aus den USA kam. Die Amerikaner wollten dadurch den Handelsüberschuss Europas ausgleichen und Arbeitsplätze zurück in die USA holen.
Der Grünen-Abgeordnete André Gattolin warnte vor Ungleichgewichten durch das Abkommen.
„Uns wird ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent versprochen, aber nur wenige Regionen werden davon profitieren, wie die Häfen von Rotterdam und Antwerpen. So wie es jetzt steht, ist das Projekt schlecht für uns und wir haben beim NSA-Skandal gesehen, dass die Würfel gezinkt sind“, so Gattolin.
Jean Bizet, von der Mitte-Rechts-Partei UMP, meldete Bedenken über die Lebensmittel- und Landwirtschaftsstandards an. Er verwies speziell auf die steigenden Importe von Milchprodukten, die die heimische Industrie bedrohten.
Der Kommunist Michel Gillout kritisierte, dass die Undurchsichtigkeit der Verhandlungen ein schlechtes Zeichen vor den Europa-Wahlen senden würde. Die Ministerin für Außenhandel spielte die demokratischen Defizite in den Verhandlungen zum TTIP herunter.
„Es ist nicht üblich, dass die EU-Kommission die nationalen Parlamente in die Debatte miteinbezieht, aber der Prozess schreitet voran“, sagte Bricq und ignorierte zugleich eine Reihe von Fragen.
Die schärfste Kritik kam jedoch aus dem Lager der sozialistischen Regierung.
„Ich bin dem Abkommen gegenüber sehr feindlich eingestellt. Wir müssen anerkennen, dass die glückliche Globalisierung nicht stattgefunden hat. Die multinationalen Konzerne befinden sich in einer Position, die wir nicht kontrollieren können“, sagte die Sozialistin Marie-Noelle Lienemann.
Die dritte Runde der Verhandlungen geriet durch starke Meinungsverschiedenheiten bei regulatorischen Fragen ins Stocken (Wie die Verhandlungspartner planen diese Hindernisse zu beseitigen, können Sie hier lesen). Ein weiterer Streitpunkt war dabei die Aufnahme von Finanzdienstleistungen in das Abkommen (Mehr zum Einfluss der Finanz-Lobby auf das Abkommen erfahren Sie hier). Die nächste Verhandlungsrunde findet Anfang Februar statt und wird sich um das Thema der Zollschranken drehen.
Die Initiatoren des Freihandelsabkommens bemühen sich, den Stand und den Inhalt der Verhandlungen geheim zu halten. Falls dennoch über das Abkommen berichtet wird, sind die Medien angewiesen, die positiven Aspekte hervorzuheben (Wie die EU für eine einheitliche Propaganda sorgen will, lesen Sie hier). Doch auch das derzeitige Abkommen könnte an einem Sturm öffentlicher Entrüstung scheitern, wie bereits das MAI-Abkommen im Jahr 1995. Michael R. Krätke schrieb in einem Artikel für die Blätter für deutsche und internationale Politik:
„Das Multilaterale Abkommen über Investionen, gestartet von OECD und Europäischer Union im Jahre 1995, scheiterte drei Jahre später – weil die Verhandlungen zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurden, aber nicht geheim blieben. Was durchsickerte, reichte aus, um einen Proteststurm zu entfachen. Am Ende weigerten sich einige europäische Länder, Frankreich voran, über das Abkommen zu verhandeln.“