Politik

Türkei: Finanz-Analysten fordern Ende der Niedrigzins-Politik

Lesezeit: 2 min
18.01.2014 12:24
Die türkischen Lira befindet sich im freien Fall. Die Erhöhung des Leitzins-Satzes könnte den Trend aufhalten. Doch die türkische Zentralbank will nicht abweichen von ihrer Niedrigzins-Politik. Premierminister Erdoğan wird ihr keine Erhöhung der Zinsen erlauben.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Nur eine Erhöhung des Leitzinses durch die türkische Zentralbank (TCMB) könnte die gegenwärtig unzuverlässigste Währung der Welt nach ihrem Rekordtief vom vergangenen Donnerstag wieder stabilisieren. Das Tief ist auf das absehbare Ende der unterstützenden Geldpolitik von Seiten der Federal Reserve Bank (Fed) zurückzuführen. Diese bewirkt eine tendenziell geringere Risikobereitschaft der Investoren und somit geringere Investitionen in Schwellenmärkte wie die Türkei.

Den Zusammenhang zwischen der Fiskalpolitik der Fed und der türkischen Währung bestätigt Nicholas Spiro, Direktor von Spiro Sovereign Strategy in London. „Das Ende des fiskalischen Stimulus wiegt neben der politischen Instabilität durch die Korruptionsskandale schwer auf der türkischen Währung,“ so Spiro. „Die Glaubwürdigkeit der türkischen Zentralbank, die dickköpfig jede angemessene Erhöhung des Zinses verweigert, schwindet von Tag zu Tag“, zitiert Bloomberg Spiro.

Die türkische Zentralbank wird kurzfristig keine Zinserhöhung vornehmen, berichtet Bloomberg weiter mit Verweis auf eigene Befragungen von Analysten. Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan wird demnach keine Erhöhungen der Zinsen der Zentralbank erlauben.

Erdoğan hat geschworen, eine Erhöhung der Zinsen nicht zuzulassen. Nach seiner Auffassung entspräche dies der Absicht derer, die er als Hintermänner hinter den Korruptionsermittlungen vermutet. Unter diesen befänden sich nach ausländische Investoren, die mithilfe höherer Zinsen möglichst viel Profit am türkischen Kapitalmarkt erzielen wollen.

Türkeis Finanzminister Mehmet Şimşek betonte in einer Stellungnahme vom 15. Januar, die Türkei sei nicht verpflichtet, ihre Geldpolitik orthodoxer zu gestalten, nur weil andere dies gerne so hätten. Eine orthodoxe Geldpolitik ist normalerweise eine an Geldwertstabilität orientierte Fiskal- und Finanzpolitik.

„Eine offizielle, brachial-saloppe Steigerung der Zinsen steht nicht an“, so Tim Ash, Ökonom der Standard Bank Group in London (nicht zu verwechseln mit dem britischen Historiker Timothy Ash). „Wir erwarten einige Drehungen an kleinen Stellschrauben, mit denen die Währung angehoben werden soll, aber ich glaube nicht, dass sie effektiv sein werden ohne eine offizielle und überzeugende Steigerung der Zinsen. Der Druck, die Lira abzusetzen, ist gegenwärtig einfach übermächtig.“

Seit den Ermittlungen wegen Korruption gegen Vertreter staatsnaher Betriebe und Angehörige von Ministern im vergangenen Monat hat die Lira um mehr als acht Prozent nachgegeben (mehr hier). Im Vergleich zum Vorjahr fiel sie sogar um 20 Prozent.

„Entscheidend ist nicht die Korruption, sondern die türkische Wirtschaft, die Leitzinsen und unsere Außenpolitik“, so Erdoğan vergangene Weihnachten. „Diejenigen, die hinter den Ermittlungen stünden, „versuchen, unserer Wirtschaft einen schweren Schlag zu versetzen. Sie arbeiten daran, die Zinsen zu erhöhen und sonst alles zu tun, um internationale Investoren nervös zu machen.“

Der gegenwärtige TCMB-Chef Erdem Başçı verkündete auf der Hauptversammlung der Zentralbank, dass die festgelegten Korridore für die Leitzinsen nicht verändert werden. Dies entspricht seiner Haltung vom vergangenen Sommer.

Dem widerspricht Erkin Işıks, Analyst der Ekonomi Bankasi. Selbst eine Erhöhung von 50 Prozent genüge nicht, um die Entwertung der Lira aufzuhalten. Der Anreiz der Bank, die Inflation hoch zu halten, sei vor dem Hintergrund des schwindenden Konsumenten-Vertrauens zu groß (mehr hier).

„Der Markt wartet darauf, dass endlich gehandelt wird“, so İnanç Sözer, Ökonom der Odea Bank in Istanbul. Nach seiner Meinung müsste die Liquidität eingeschränkt werden, anders als die Zentralbank es gegenwärtig tut.

Bis dahin werde nach Ansicht Henrik Gullbergs, Währungsanalyst der Deutschen Bank, die Lira abermalig um 3,9 Prozent auf 2,3 Lire per Dollar fallen. Seiner Meinung nach müsste die Lira um mindestens 200 Prozent angehoben werden.

Dies bestätigt auch Fatih Keresteci, Ökonom des HSBC-Holdings. Innerhalb eines Jahres wird die Lira auf 2,5 Einheiten pro Dollar fallen, selbst wenn die Zentralbank die Zinsen erhöht. Dies bezeichnet Keresteci als „absolut unausweichlich“.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kommunikation im Wandel – Was es für Unternehmen in Zukunft bedeutet
25.04.2024

In einer Ära schneller Veränderungen wird die Analyse von Trends in der Unternehmenskommunikation immer entscheidender. Die Akademische...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - es fällt schwer, in deutschen Großstädten beim Angebot der Essenskuriere den Überblick zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Familienunternehmer in Sorge: Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit
25.04.2024

In einer Umfrage kritisieren zahlreiche Familienunternehmer die Politik aufgrund von übermäßiger Bürokratie und Regulierung. Besonders...

DWN
Finanzen
Finanzen So wählt Warren Buffett seine Investments aus
25.04.2024

Warren Buffett, auch als „Orakel von Omaha“ bekannt, ist eine Ikone der Investment-Welt. Doch worauf basiert seine Investmentstrategie,...

DWN
Technologie
Technologie KI-Chips trotz Exportbeschränkungen: China sichert sich US-Technologie durch die Hintertür
25.04.2024

Trotz der US-Exportbeschränkungen für Hochleistungsprozessoren scheint China einen Weg gefunden zu haben, sich dennoch mit den neuesten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands Kriegswirtschaft: Putin geht das Geld nicht aus
25.04.2024

Russlands Wirtschaft wächst weiterhin, ist aber stark von der der Kriegsproduktion abhängig. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...