Ähnlich wie die Pharmaindustrie sind die Chemiekonzerne, die die Pestizidherstellung vorantreiben, in einer sehr starken Position. In Österreich wehrte sich vergangenes Jahr der Agrarminister, Angaben über den Umfang der eingesetzten Pestizide in der Landwirtschaft zu machen (hier). Die Lobbyarbeit der Pestizidhersteller funktioniert in den USA genauso gut wie in der EU. Dies zeigt auch eine neuerliche Studie um den französischen Wissenschaftler Gilles-Eric Séralini. Zusammen mit Robin Mesnage, Nicolas Defarge und Joël Spiroux de Vendômois untersuchte er die Toxizität von neun Pestizid-Wirkstoffen und deren Wirkung auf menschliche Zellen. Die Ergebnisse wurden bei BioMed Research International veröffentlicht.
Gilles-Eric Séralini sorgte schon einmal mit einer Studie für Aufsehen. Im Herbst 2012 zeigte er in einer Studie, dass Stoffe in einer von Monsanto gentechnisch manipulierten Mais-Sorte im Langzeit-Test bei Ratten zu einer erheblich größeren Häufigkeit von aggressivem Krebs führten. Die EU hatte den Mais zugelassen. Die Zulassung beruhte auf einer anderen wissenschaftlichen Studie, die nur die Ergebnisse von 90 Tagen untersuchte. Die Studie, mit der die EU-Entscheidung wissenschaftlich belegt worden war, war im Auftrag von Monsanto erstellt worden. Nachdem die Séralini-Studie bekannt wurde, bestritt die EU-Kommission in einer Pressemitteilung, dass die Studie wissenschaftlich sei. Wenig später wurde die Studie nach dem obligaten Procedere in einem angesehen wissenschaftlichen Journal veröffentlicht (hier). Ein Jahr später zog das Journal aufgrund heftiger Kritik die Studie Séralinis zurück.
Schlupfloch für die Hersteller
In der aktuellen Studie heißt es, die Giftigkeit der Pflanzenschutzmittel sei „zwei bis tausend Mal giftiger“ als von den Herstellern angegeben. Grund hierfür sei die Unterscheidung zwischen dem Hauptwirkstoffe eines Pestizids und den Zusatzstoffen. Der Hauptwirkstoff wird der Studie zufolge mittel- und langfristigen Tests unterzogen und die Ergebnisse müssten vom Hersteller angegeben werden. Zu den Zusatzstoffen hingegen müssten die Unternehmen keine Angaben machen. Doch genau hier stellte die neue Studie eine erhebliche Toxizität fest. Würden die Hersteller diese Werte angeben, würde sich zeigen, dass die Pflanzenschutzmittel viel giftiger seien als derzeit ausgewiesen.
Auch das weit verbreitete Pestizid Roundup von Monsanto wurde den Untersuchungen unterzogen. Das Pestizid steht seit einiger Zeit bereits seit einiger Zeit in der Kritik. Einerseits sind in den USA Millionen Hektor Ackerfläche von einem Super-Unkraut befallen, das aufgrund des häufigen Einsatzes von Roundup mutierte. Andererseits gibt es Berichte aus Argentinien, denen zufolge von schweren Erkrankungen bei Arbeitern, die mit Roundup in Kontakt gekommen seien, die Rede ist (mehr hier).
Pestizide in Lebensmitteln
Jährlich werden zum Beispiel allein in Deutschland rund 30.000 Tonnen Pestizide verspritzt, so Greenpeace. Und nicht selten finden sich sowohl in Lebensmitteln aus Deutschland als auch aus dem Ausland Pestizidrückstände in den Lebensmitteln. In einer Auswertung von mehr als 22.000 Proben der deutschen Lebensmittelüberwachung aus den Jahren 2009 und 2010 zeigte sich vor zwei Jahren, dass fast 80 Prozent des konventionellen Obstes und 55 Prozent des Gemüses Pestizidrückstände enthielten. 35 Wirkstoffe wurden in den deutschen und importierten Waren gefunden. In den letzten zwei Jahren sind diese Rückstände etwas zurückgegangen. Allerdings habe dies auch damit zu tun, dass „im Zuge der EU-Harmonisierung die Rückstandshöchstmengen nach oben angepasst“ wurden, so Öko-Test 2013. „Und auch das dürfte den Handel mit Obst und Gemüse ‚entspannt‘ haben.“
2014 fand Öko-Test im Alete-Saft einen Wirkstoff, der auch in Desinfektionsmitteln zum Einsatz kommt. Desinfektionsmittelrückstände fand auch das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart im Speiseeis. Und in Ölen und Fetten werden nicht selten Wirkstoffe aus Pflanzenschutzmitteln gefunden. 2013 wurden auf einigen Salatblättern bis zu neun verschiedene Pestizide entdeckt. Eine Untersuchung der Organisation Women’s Voices for the Earth (WVE) ergab, dass etliche Intim-Pflegeprodukte für Frauen gefährliche Chemikalien enthalten. Dazu gehören etwa krebserregende Stoffe (Karzinogene), Allergene, Pestizide und Dioxine (mehr hier).