Politik

Türkei: Rüstungs-Deal bringt Erdoğan unter Druck

Lesezeit: 2 min
06.03.2014 00:05
In der Türkei ist ein Tonband aufgetaucht, bei dem Premier Erdoğan eine Rüstungsfirma berät, wie sie am besten an einen lukrativen Auftrag kommen könne. Das Unternehmen erhielt den Zuschlag - ohne öffentliche Ausschreibung.
Türkei: Rüstungs-Deal bringt Erdoğan unter Druck

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In der Türkei ist erneut ein Tonband mit Aufnahmen des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdoğan aufgetaucht. Sein Gesprächspartner ist der Industrielle Metin Kalkavan. Ihm soll er Ratschläge erteilt haben, wie er sich gegen einen 1,5 Milliarden Euro-Rüstungsdeal der Regierung mit der Koç-Holding wehren könne. Der türkische Premier hat die Echtheit der Gespräche bestätigt.

Dreh- und Angelpunkt der jüngsten auf YouTube aufgetauchten Tonbandaufnahmen in der Türkei ist ein Rahmenvertrag der türkischen Regierung mit der Koç-Holding-Werft über sechs Kriegsschiffe der Milgem-Klasse für die türkische Marine. Premier Erdoğan versucht jedoch, seinem Gegner den Auftrag doch noch zu entreißen.

Er berät in dem auf April 2013 datierten Gespräch den Koç-Holding-Konkurrenten Metin Kalkavan, wie er sich den Kuchen doch noch sichern könnte. Gefruchtet haben die Ratschläge offenbar: Der Auftrag an die Koç-Holding-Tochter RMK Marine wurde im vergangenen September storniert. Angeblicher Grund: Die Kosten seien dann doch zu hoch und die Vergabe somit nicht im öffentlichen Interesse.

Der Premier und die Koç-Holding sind sich bereits seit langem nicht grün. Für viele Türken ist das Unternehmen, das für rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Türkei zuständig ist und auf dessen Konto Joint Ventures mit Ford, Fiat und UniCredit gehen, der Inbegriff der alten säkularen Elite des Landes.

„In der alten Türkei herrschte eine Atmosphäre, aus der bestimmte Leute ihren Nutzen ziehen konnten. Doch es war eine Atmosphäre, die unserem Volk geschadet hat“, zitiert die Financial Times den Premier bei einer seiner Reden in diesem Jahr.

Koç fiel zuletzt in Erdoğans Missgunst, als das Unternehmen Demonstranten während der Gezi Park Proteste im Sommer 2013 Zuflucht Divan Hotel in Istanbul bot. Das Divan Hotel gehört Ali Koç. Kurz darauf führten Steuerfahnder begleitet von der Polizei Razzien bei den Koç-Töchtern Aygaz, Tüpraş und OPET durch. Der Vorwurf lautete auf illegalen Energieträgerhandel und Steuerhinterziehung. Energieminister Taner Yıldız betonte damals, dass reine Routine-Untersuchungen stattfänden und kein Zusammenhang zu den Gezi-Park Protesten bestehe. Regierungskritiker vermuteten jedoch einen Racheakt. Aufgrund der Razzia ging der Marktwert der Koç-Holding an der Börse um 2,3 Milliarden US-Dollar auf 44 Milliarden US-Dollar zurück.

Die Koç Holding ist eines der größten Konglomerate in der gesamten Türkei und hauptsächlich in den Bereichen Energie, Automobil, Gebrauchsgüter und Finanzen tätig. Mit 85.000 Mitarbeitern zählt sie zu den 50 weltgrößten Familienunternehmen außerhalb der USA. Neben der landesweit größte Industrieunternehmen Tüpraş, besitzt sie den Haushaltsgerätehersteller Arçelik sowie die Yapi Kredi Bankasi. In Deutschland bekannt wurde Koç vor allem durch den Kauf der Traditionsmarke Grundig. Nach der Insolvenz 2003 wurde nur ein Jahr später der Bereich Home Intermedia System (HIS) der Grundig AG vom türkischen Elektronikhersteller Beko Elektronik, einer Koç-Tochter, und dem britischen Unternehmen Alba Radio übernommen. Seit 2008 ist die türkische Gruppe alleiniger Eigentümer.

Im Rahmen öffentlicher Stellungnahmen hat die Gruppe in der Vergangenheit stets jegliche politische Verbindung in Zusammenhang mit den Problemen mit der türkischen Regierung bestritten. Doch erst am Wochenende deutete Vorsitzender Mustafa Koç in einem Interview mit der Hürriyet indirekt auf den Korruptionsskandal und den türkischen Premier: „Unser Land und unsere Leute haben eine saubere Politik verdient.“ Falls die nun öffentlich gewordenen Aufnahmen des Premiers tatsächlich echt seien, müsse derjenige, der dahinter stecke, auch die Konsequenzen dafür tragen.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

DWN
Finanzen
Finanzen Smallcap-Aktien: Lohnt sich ein Investment?
29.03.2024

Nebenwerte sind derzeit relativ gering bewertet und könnten von Zinssenkungen profitieren. Macht ein Einstieg Sinn für risikobereite...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Erholung der deutschen Wirtschaft verzögert sich
29.03.2024

Europas größte Volkswirtschaft kommt nicht richtig in Fahrt. Die Aussichten für die nächsten Monate sind nach Experteneinschätzung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Reiseziele: So manche Überraschung im Sommerflugplan
29.03.2024

Ab Ostern tritt an den deutschen Flughäfen der neue Sommerflugplan in Kraft. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten haben für Sie als Leser...

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betrachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...