Auf der Krim hat am Sonntagmorgen die Volksabstimmung über einen Anschluss der ukrainischen Halbinsel an Russland begonnen. Rund 1,5 Millionen Menschen sind aufgerufen, ihr Votum abzugeben. Zur Wahl stehen zwei Optionen, die aber beide zumindest auf eine russische Kontrolle der Krim hinauslaufen. Für einen Verbleib der autonomen Halbinsel in der Ukraine kann nicht votiert werden.
Ein "Njet" an die Adresse Russlands ist nicht vorgesehen: Auf dem Stimmzettel fehlt die Möglichkeit, für den Verbleib der autonomen Region Krim in der Ukraine zu votieren. Stattdessen können die Bürger ihr Kreuz lediglich hinter einer von zwei Fragen machen: "Sind Sie für die Wiedervereinigung der Krim mit Russland?", oder "Sind Sie für die Wiederherstellung der Verfassung von 1992 und den Status der Krim als Teil der Ukraine?" Wer letzteres ankreuzt, scheint für den Verbleib der Krim in der Ukraine zu stimmen. Experten sehen dies jedoch anders.
Denn die rasch wieder abgeschaffte Verfassung von 1992 verlieh der Krim zwar alle Eigenschaften einer unabhängigen Gebietskörperschaft in der Ukraine. Doch sie legitimierte die Halbinsel zugleich, ihr Schicksal selbst zu bestimmen und Beziehungen zu unterhalten, mit wem sie wollte - Russland eingeschlossen. Da die pro-russische Regionalversammlung angekündigt hat, Russland beitreten zu wollen, bedeutet ein Kreuz hinter der zweiten Frage nach Einschätzung von Experten nur eines: Dass es ein wenig länger dauern dürfte, bis Russland die volle Kontrolle über die Krim übernimmt.
Allgemein wird erwartet, dass eine deutliche Mehrheit der Bürger für den sofortigen Anschluss stimmen wird. Von den rund zwei Millionen Krim-Bewohnern sind fast 60 Prozent Russen. Die Wahllokale schließen um 19.00 Uhr (MEZ). Erste Ergebnisse werden für den Abend erwartet.
Vor dem Wahllokal in einer Oberschule der Krim-Regionalhauptstadt Simferopol standen Dutzende von Menschen an. "Ich bin hierher gekommen an diesem Festtag und habe für die Krim und die Krimbewohner gestimmt", sagte der Endvierziger Wladimir. "Und jetzt gehe ich in die Stadt zum Feiern."
Der Westen lehnt die Abstimmung als völkerrechtswidrig ab und hat Sanktionen gegen Russland angekündigt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte die Führung in Moskau in scharfen Worten zum Einlenken auf. "Russland verweigert bisher jede Exit-Option, jeden Schritt der Deeskalation und will offenbar Fakten schaffen, die wir so nicht hinnehmen können", sagte Steinmeier der Zeitung "Welt am Sonntag". "Wenn Russland nicht in letzter Minute einlenkt, werden wir am Montag im Kreis der EU-Außenminister eine entsprechende erste Antwort geben."
Der amtierende ukrainische Präsident Alexander Turtschinow warf der russischen Regierung am Samstag massive Provokationen vor und warnte vor einer Invasion. Die Gewalt im Osten der Ukraine, bei der zuletzt drei Menschen getötet wurden, sei das Werk von "Kreml-Agenten", sagte Turtschinow vor dem Parlament in Kiew. Ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin erklärte, er sei sicher, dass es keinen "Kalten Krieg" geben werde. Schließlich seien in den Zeiten der Globalisierung alle Seiten auch wirtschaftlich voneinander abhängig. In Moskau demonstrierten am Samstag Tausende Menschen sowohl für als auch gegen die Politik Putins.
Unterdessen legte kurz vor dem Krim-Referendum ein Hackerangriff mehrere Internetseiten der Nato lahm. Zu der Attacke bekannte sich eine anonyme Gruppe mit dem Namen "Cyber Berkut". Die Erklärung wurde auf Russisch abgegeben. Cyber Berkut hat Sicherheitsexperten zufolge in den vergangenen Wochen bereits etliche ukrainische Webseiten blockiert.