Politik

Atom-Lobby öffnet die Schleusen: Fukushima bedroht den Pazifik

Der Skandalkonzern Tepco hat die Lage in der Atomruine von Fukushima nicht mehr unter Kontrolle. Nun öffnet der Konzen auf Betreiben der Atomlobby alle Schleusen: 400.000 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser sollen aus den Sicherheitsbehältern ins Meer abgeleitet werden. Dem Ökosystem des Pazifik drohen dramatische Folgen.
29.03.2014 00:16
Lesezeit: 2 min

Die Betreiberfirma Tokyo Electric Power & Co. (Tepco) wird etwa 400.000 Tonnen radioaktives Wasser ins Meer ableiten. Eine Organisation von Fischern in Fukushima hat ihren Widerstand dagegen aufgegeben.

Als Bedingung für ihre Zustimmung verlangte die Fischer-Organisation, dass Tepco das Wasser vorher filtert und von den schädlichsten radioaktiven Stoffen befreit. Zudem forderten die Fischer eine Einhaltung aller gesetzlichen Richtwerte, berichtet die Japan Times.

Durch die Maßnahme will sich die Betreiberfirma Entlastung verschaffen. Denn Tepco geht allmählich der Platz aus, um das kontaminierte Wasser zu lagern. Täglich muss das Unternehmen etwa 400 Tonnen Grundwasser aus den Reaktoren abpumpen (mehr hier). Das Grundwasser tritt durch diverse Lecks in der Reaktorhülle ein, gelangt mit den Brennelementen in Berührung und wird dabei schwer kontaminiert.

Hinzu kommen etwa 300 Tonnen Kühlwasser täglich, die eine Überhitzung der Brennstäbe verhindern sollen. Auf dem Gelände des Atomkraftwerks von Fukushima wird das radioaktive Wasser in 1000-Tonnen-Tanks aufbewahrt. Derzeit lagern dort etwa 430.000 Tonnen des verstrahlten Wassers.

Es wird befürchtet, dass die Maßnahme das Leben in den Meeren noch stärker schädigt als dies ohnehin schon der Fall ist. Amerikanische Forscher stellten bereits rätselhafte Erkrankungen bei Alaska-Robben fest, die sie auf eine Verstrahlung des Pazifiks zurückführen (hier). Zudem wurden Millionen toter Seesterne an den Küsten der USA angespült (hier).

Tepco versucht jegliche Bedenken zu zerstreuen und versichert, dass man das radioaktive Wasser filtern und Richtwerte genau einhalten werde. Doch das sicherte das Unternehmen schon einmal zu und wurde dann dabei ertappt, wie es Strahlenwerte manipulierte, um eine öffentliche Panik zu vermeiden (hier).

Angesichts der Pannenserie rund um das Filtersystem erscheint es zweifelhaft, ob Tepco überhaupt technisch in der Lage ist, das Wasser effektiv zu filtern. Erst am Montag musste Tepco eingestehen, dass das Filtersystem erneut fehlerhaft arbeitete. In 21 Wassertanks wurden bei Messungen erhöhte Strahlenwerte festgestellt.

Die Atom-Lobby hat in den vergangenen Monaten in Japan dafür PR gemacht, dass das Ablassen des hoch radioaktiven Wassers in den Pazifik die ungefährlichste Lösung sei.

Meeresforscher wie Jean-Michel Cousteau warnen dagegen vor den langfristigen Folgen. In einem Statement schrieb Cousteau neulich, dass es zwar keinen Anlass für kurzfristige Hysterie gäbe. Doch er sei sehr besorgt über die unbekannten Folgen, die die weitere radioaktive Verseuchung des Pazifik für das gesamte Ökosystem des Planeten Erde haben könnte.

Tepco kann dagegen aufatmen: Die Öffnung der Schleusen ist die mit Abstand billigste Entsorgung für den Skandal-Konzern. Für die möglichen Folgen für den Pazifik trägt die Atom-Firma selbstverständlich keine Verantwortung.

Der deutsche Physiker Sebastian Pflugbeil sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: "Nahrungsketten im Wasser sind viel komplexer als jene am Land. An Land gibt es vielleicht vier, fünf Etagen. Ein Beispiel: Radioaktivität aus einem KKW-Schornstein, Wind, Regen, Niederschlag im Gras auf einer Weide, Kühe, die das Gras fressen. In der Milch wird die Konzentration von radioaktivem Jod etwas höher sein als die in der Luft. Im Wasser sind diese Ketten viel länger, da kommen teilweise astronomische Werte der Anreicherung von Radionukliden zusammen. Auch Muscheln, die ständig Wasser durch ihren Körper pumpen, können 10.000-mal so viel radioaktive Substanzen im Körper ansammeln, wie im Wasser in der Umgebung."

Pflugbeil hat in Japan kürzlich alarmierende Beobachtungen gemacht. So habe er in der Hauptstadt Tokio Phänomene beobachtet, die er noch nie gesehen habe: Radioaktiver Staub, der von der Kernschmelze von Fukushima stammen dürfte, wurde auf den Straßen der Hauptstadt gefunden (hier).

Aktuelles Update (11.4.):

Die japanische Regierung zeigt weiter kein Interesse an dem Problem. Am 11.4. beschloss die Regierung trotz massiver Proteste der Bevölkerung die vorbehaltlose Rückkehr zur Atomkraft.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Alternativen zu Trumps Appeasement-Politik gegenüber Russland
22.02.2025

US-Präsident Donald Trump sagt, er wolle der Ukraine Frieden bringen. Aber sein Ansatz kann nicht funktionieren, weil er das Problem der...

DWN
Panorama
Panorama Deutschland "kaputt": Münchaus düstere Prognose für die Wirtschaft
22.02.2025

Deutschland steckt in der Krise – und es gibt kaum Hoffnung auf Besserung. Der deutsch-britische Autor Wolfgang Münchau sieht das Land...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kündigung rechtssicher zustellen: So vermeiden Sie teure Fehler
22.02.2025

Wie Sie eine Kündigung korrekt übermitteln – von der persönlichen Übergabe bis zum Gerichtsvollzieher. Welche Methoden wirklich...

DWN
Panorama
Panorama Kaffee bald Luxus? Wie durch ein EU-Gesetz, Abholzung und das Wetter die Preise explodieren
22.02.2025

Der Preis für Kaffee ist an den Börsen in den letzten fünf Jahren um das Vierfache gestiegen. Die Ursachen für die Rekordpreise, die...

DWN
Technologie
Technologie Mobilfunk Bahn: Empfang unterwegs verbessert sich endlich
22.02.2025

Wer im Zug telefoniert oder surft, stößt oft auf Funklöcher und langsames Internet. Jetzt verbessert eine neue Technik die Verbindung...

DWN
Politik
Politik 630 Sitze, 29 Parteien, 4.506 Kandidaten: Zahlen zur Wahl
22.02.2025

Die Bundestagswahl 2025 bringt große Veränderungen mit sich: weniger Kandidaten, ein neues Wahlrecht und eine alternde Wählerschaft. Wer...

DWN
Politik
Politik Bundestagswahl 2025: Mittelstand fordert Bürokratieabbau
22.02.2025

Der Mittelstand sieht sich von überbordender Bürokratie, hohen Steuern und steigenden Energiekosten ausgebremst. Vor der Bundestagswahl...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Feuer, Flamme und viel kaltes Wasser: Preussischer Whisky aus der Uckermark
21.02.2025

In der Uckermark brennt Cornelia Bohn ihren eigenen Whisky – als erste Frau weltweit mit eigener Destillerie. Die ehemalige DDR-Bürgerin...