Politik

Kämpfe im Irak: Islamisten stoßen auf Freiwilligen-Miliz

Regierungstreue Milizen liefern sich nördlich von Bagdad erste Gefechte mit Islamisten. Die USA entscheiden noch über einen Militäreinsatz, Iran und China bieten bereits Hilfe an. Die Länder sehen eine Möglichkeit, ihren Einfluß in der Region zu stärken.
13.06.2014 18:13
Lesezeit: 2 min

Die Islamisten im Irak stoßen bei ihrer Blitzoffensive erstmals auf energischen Widerstand. Aus zwei Orten nördlich von Bagdad wurden am Freitag Gefechte zwischen regierungstreuen Milizen und den sunnitischen Kämpfern gemeldet. Die US-Regierung kündigte eine baldige Entscheidung über einen Militäreinsatz an. Auch China erklärte sich bereit, der irakischen Regierung zur Seite zu stehen.

Die Islamisten, die einen Gottesstaat im Irak und Syrien errichten wollen, weiteten derweil ihre Kontrolle über die bereits eroberten Gebiete aus. Sie begannen damit, die Grenzwälle zwischen Syrien und dem Irak niederzureißen.

Von Bagdad aus wurden schiitische Freiwillige in Lastwagen zur Front in den Norden gebracht. Gekämpft wurde nach Behördenangaben in den Orten Udhaim und Mukdadija, die etwa 80 bis 90 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegen. Nach Mukdadija hat sich die irakische Armee zurückgezogen, als die Kämpfer der Gruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (Isil) in der Nacht zwei andere Orte eingenommen haben. Augenzeugen zufolge griff ein Militärhubschrauber eine Moschee in der Stadt Tikrit an, die auch von den Aufständischen kontrolliert wird. Berichte über Opfer lagen zunächst nicht vor. Nach UN-Angaben sind bei dem Vormarsch der Islamisten in den vergangenen Tagen vermutlich hunderte Menschen ums Leben gekommen, darunter viele Zivilisten.

Der führende schiitische Geistliche des Iraks, Ali al-Sistani, rief bei den Freitagsgebeten in Kerbala seine Glaubensbrüder auf, ebenfalls zu den Waffen zu greifen. Die Verteidigung des Landes sei ein "heiliges Ziel", hieß es in seiner Botschaft. Wer im Kampf gegen die Isil falle, werde zum Märtyrer.

Die irakische Armee wurde von den USA ausgebildet und mit 25 Milliarden Dollar unterstützt. Sie hat der Isil bislang aber kaum etwas entgegenzusetzen. Diese hat innerhalb von Tagen Mossul eingenommen, die zweitgrößte Stadt des Landes, und bedroht nun Bagdad. Die Streitkräfte sind durch Fahnenflucht geschwächt. Die Sunniten im Irak werfen der Armee wie auch der Regierung vor, vordringlich schiitische Interessen zu verfolgen. Die USA haben ihre Truppen 2011 abgezogen - nach dem Sturz des sunnitischen Machthabers Saddam Hussein.

US-Präsident Barack Obama zeigte sich entschlossen, den Vormarsch der Islamisten notfalls mit Gewalt zu stoppen. Er prüfe alle Optionen, sagte er. Regierungsvertreter stellten später klar, dass der Einsatz von Bodentruppen nicht geplant sei. Außenminister John Kerry sagte am Freitag in London, er erwarte, dass Obama angesichts der kritischen Lage bald eine Entscheidung treffen werde.

Der überrasche Erfolg der Isil hat auch Staaten auf den Plan gerufen, die eigentlich einer Zusammenarbeit mit den USA kritisch gegenüberstehen. China biete der irakischen Regierung "jede erdenkliche Hilfe an", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking. Die staatliche chinesische Öl-Gesellschaft CNPC ist an drei Projekten im Irak beteiligt. Von einem Insider erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters, dass auch der Iran eine Kooperation mit dem Erzfeind USA erwäge, um die Islamisten zu stoppen. Der Schritt werde innerhalb der iranischen Führung diskutiert, hieß es. Der Iran ist schiitisch geprägt.

Die Isil ist auch in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt, wo sie gegen die Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad kämpft, aber auch gegen andere Islamisten-Gruppen. Nach Angaben syrischer Oppositioneller schafft die Isil ihre im Irak erbeuteten Waffen über die Grenze nach Syrien. Bewohner in der Region berichteten, dass die Islamisten mit Planierraupen Breschen in die Erdwälle schlugen, die bislang beide Staaten trennen.

In den neu eroberten Gebieten im Irak veröffentlichte die Isil unterdessen Verhaltensregeln auf der Grundlage des islamischen Rechts. Diese beinhalten ein Verbot von Alkohol und Zigaretten. Frauen müssten sich komplett verhüllen und dürften nur weite Kleidung tragen. Die UN-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay ist ihrem Sprecher zufolge besorgt über Massenhinrichtungen und die Vertreibung von rund einer halben Million Menschen. Das Welternährungsprogramm WFP nahm die Notversorgung für rund 42.000 Menschen auf, die aus Mossul fliehen mussten.

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