Polen steuert immer stärker auf Neuwahlen zu. Nach der Abhöraffäre um den Innenminister und den Notenbankchef durchsuchten die Behörden bei einer nächtlichen Razzia am Donnerstag Redaktionsräume des Nachrichtenmagazins, das die heimlichen Aufnahmen veröffentlicht hatte.
Kritiker sprachen von einem Angriff auf die Pressefreiheit, wie es ihn seit dem Ende des Kommunismus in Polen vor 25 Jahren nicht mehr gegeben habe. Neuwahlen könnten die einzige Lösung sein, wenn das Vertrauen so sehr erschüttert sei, räumte Ministerpräsident Donald Tusk daraufhin am Donnerstag vor der Presse ein.
Als Regierungschef fühle er sich verantwortlich, sagte Tusk. Die Regierung werde für die Vorgänge einen politischen Preis zahlen müssen und er schließe nicht aus, dass sie von den Wählern abgestraft werde.
Auch Polens Präsident Bronislaw Komorowski plädierte für Neuwahlen für den Fall, dass die Abhöraffäre von der Regierung mit den üblichen Mitteln nicht aufgeklärt werden könne. Nächster regulärer Wahltermin für das Parlament wäre im Herbst 2015.
Auslöser der Krise sind Mitschnitte eines Gesprächs zwischen Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und Notenbankchef Marek Belka, die das Magazin Wprost in Auszügen veröffentlicht hatte. Belka bot demnach im Juli vorigen Jahres in einem Warschauer Restaurant Konjunkturhilfen der Zentralbank an und verlangte im Gegenzug die Entlassung des damaligen Finanzministers Jacek Rostowski. Dieser verlor tatsächlich seinen Posten im November 2013 bei einer Kabinettsumbildung.
Nach Angaben der Zentralbank sind die Mitschnitte zwar aus dem Kontext gerissen. Doch seit der Veröffentlichung am vergangenen Samstag steigt der Druck auf die Beteiligten, vor allem seit der Durchsuchung der Wprost-Redaktionsräume. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter waren Fotos zu sehen, die zeigen, wie Behördenvertreter versuchen, Chefredakteur Sylwester Latkowski einen Laptop aus den Händen zu entreißen. Er erklärte später, dass es ihm gelungen sei, den Computer zu behalten sowie ein Speichermedium, auf dem sich weitere Aufzeichnungen befänden, die das Magazin am Montag veröffentlichen wolle.
„Ich weiß von keinem anderen demokratischen Staat, in dem der Inlandsgeheimdienst und die Staatsanwaltschaft irgendwo unter Anwendung von Gewalt eindringen würden“, sagte eine der bekanntesten Journalistinnen Polens, Monika Olejnik, auf Tusks Pressekonferenz. „Es ist so weit gekommen, dass die ganze Journalistenbranche gegen Sie ist, Herr Ministerpräsident. Es tut mir leid.“