Politik

Frankreich: Erneute Verschlechterung der wirtschaftlichen Aussichten

Frankreichs Premier Valls hat eine Vertrauensabstimmung nur mit Mühe gewonnen. Sein Reformkurs wird abgelehnt. Frankreich schlittert immer weiter in die Krise. Die Zahlen sind verheerend.
17.09.2014 00:07
Lesezeit: 2 min

Frankreichs Premier Manuel Valls hat eine Vertrauensabstimmung über seine umgebildete Regierung gewonnen und eine Parteirevolte damit vorerst abgewehrt. 269 Abgeordnete sicherten am Dienstagabend in der Nationalversammlung dem neuen Kabinett ihre Unterstützung zu, 244 waren dagegen. Valls hatte die Vertrauensfrage gestellt, um wochenlange Spekulationen über die Stabilität der sozialistischen Regierung zu beenden. Diese waren aufgekommen, nachdem er eine Reihe von Ministern entlassen hatte, die seinen Reformkurs kritisierten. Der Regierungschef setzt im Kampf gegen die lahmende Konjunktur und die Rekordarbeitslosigkeit auf unternehmensfreundliche Maßnahmen.

32 Mitglieder der Sozialistischen Partei enthielten sich wie angekündigt bei der Abstimmung aus Protest gegen Valls' Pläne, die Staatsausgaben in den kommenden drei Jahren um 50 Milliarden Euro zu senken und gleichzeitig den Unternehmen Steuererleichterungen im Umfang von mehr als 40 Milliarden Euro zu verschaffen. Auch Einschnitte beim Gesundheits- und Sozialwesen werden befürchtet. Die Opposition sah in den Enthaltungen ein Signal, dass Valls bei anstehenden Abstimmungen im Parlament Probleme bekommen werde, notwendige Mehrheiten zu erhalten. „Das ist mehr als eine Warnung“, sagte der Vorsitzende der konservativen UMP im Parlament, Christian Jacob. „Seine Tage sind gezählt.“

Kurz vor der Vertrauensabstimmung warb Valls noch einmal eindringlich für seinen Reformkurs. „Reform bedeutet nicht, unser Sozialmodell zu zerstören“, sagte er in einer Rede vor der Nationalversammlung. „Wir müssen dieses Modell anpassen und neu erfinden. Aber es ist nicht tot, es ist nicht veraltet.“ Änderungen an der 35-Stunden-Woche schloss er ebenso wie Kürzungen beim Mindestlohn aus. Rentnern, die 1200 Euro oder weniger im Monat erhalten, versprach er Zuschüsse. „Wir verfolgen keinen Sparkurs.“

Doch die wirtschaftlichen Aussichten Frankreichs verschlechtern sich stetig. Finanzminister Sapin senkte die Wachstumsprognose für 2014 kürzlich von 0,5% auf 0,4%. Damit erfolgt bereits die dritte Absenkung der offiziellen Wachstumsprognose für dieses Jahr. 2013 hoffte man noch auf 1,2% Wachstum im Jahr 2014. Exakt vor einem Jahr erfolgte die erste Absenkung der 2014er-Prognose auf 0,9 Prozent.

Doch selbst, um das Miniwachstum von 0,4% zu erreichen, müsste es im zweiten Halbjahr einen veritablen Wirtschaftsaufschwung geben. Im ersten Halbjahr verbuchte Frankreich nämlich lediglich ein Nullwachstum.

So wie die Prognosen für das Wirtschaftswachstum nach unten angepasst werden, werden die für das staatliche Haushaltsdefizit 2014 nach oben angepasst. Zuerst wollte man 2014 nur ein Defizit von 2,9% des BIPs machen, also innerhalb der Maastricht-Kriterien bleiben. Dann korrigierte man sich auf 3,7%, dann auf 3,8%. Beinahe schon turnusmäßig erfolgt nun die dritte Berichtigung: Das Haushaltsdefizit 2014 soll nun 4,4% des BIPs betragen.

Sapin begründete die schlechten Aussichten mit einer „Ausnahmesituation“ in der Eurozone. Es gebe „ein sehr schwaches Wachstum, gepaart mit einer Verlangsamung der Inflation, die keiner vorhergesehen hatte“.

Allerdings passt weder der Begriff „Ausnahmesituation“, noch ist richtig, dass das schwache Wachstum der Eurozone keiner vorhergesehen hat. Selbst in einem Bericht der EU-Kommission von Ende 2013 werden der Eurozone schwache wirtschaftliche Aussichten bescheinigt – und das nicht als Ausnahme für das Jahr 2014, sondern dauerhaft für (mindestens) die nächsten zehn Jahre.

Die wirtschaftlichen Daten Frankreichs sind verheerend. Es ist gut möglich, dass selbst die abenteuerlichen Rettungsmaßnahmen zu spät kommen. Der französische Staat sei bankrott, sagt selbst Sapin. Die Regierung hat nicht die leiseste Ahnung, wie der Crash verhindert werden könne.

Falls jetzt noch Sapins Prognose für 2015 interessiert: 1,0% Wirtschaftswachstum und 4,3% Haushaltsdefizit.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wie wähle ich bei der Bundestagswahl? Deutschland verweigert wahlberechtigten Auslandsdeutschen ihre Stimme abzugeben
22.02.2025

Mehrere Auslandsdeutsche berichten, zu spät oder bislang noch gar keine Wahlunterlagen erhalten zu haben. Nun drohen die Stimmen dieser...

DWN
Politik
Politik Rente mit 63: Wer wirklich von der abschlagsfreien Rente profitiert
22.02.2025

Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren ist für Menschen gedacht, die beruflich sehr stark belastet sind. Doch aktuelle DIW-Zahlen...

DWN
Politik
Politik Alternativen zu Trumps Appeasement-Politik gegenüber Russland
22.02.2025

US-Präsident Donald Trump sagt, er wolle der Ukraine Frieden bringen. Aber sein Ansatz kann nicht funktionieren, weil er das Problem der...

DWN
Panorama
Panorama Deutschland "kaputt": Münchaus düstere Prognose für die Wirtschaft
22.02.2025

Deutschland steckt in der Krise – und es gibt kaum Hoffnung auf Besserung. Der deutsch-britische Autor Wolfgang Münchau sieht das Land...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kündigung rechtssicher zustellen: So vermeiden Sie teure Fehler
22.02.2025

Wie Sie eine Kündigung korrekt übermitteln – von der persönlichen Übergabe bis zum Gerichtsvollzieher. Welche Methoden wirklich...

DWN
Panorama
Panorama Kaffee bald Luxus? Wie durch ein EU-Gesetz, Abholzung und das Wetter die Preise explodieren
22.02.2025

Der Preis für Kaffee ist an den Börsen in den letzten fünf Jahren um das Vierfache gestiegen. Die Ursachen für die Rekordpreise, die...

DWN
Technologie
Technologie Mobilfunk Bahn: Empfang unterwegs verbessert sich endlich
22.02.2025

Wer im Zug telefoniert oder surft, stößt oft auf Funklöcher und langsames Internet. Jetzt verbessert eine neue Technik die Verbindung...

DWN
Politik
Politik 630 Sitze, 29 Parteien, 4.506 Kandidaten: Zahlen zur Wahl
22.02.2025

Die Bundestagswahl 2025 bringt große Veränderungen mit sich: weniger Kandidaten, ein neues Wahlrecht und eine alternde Wählerschaft. Wer...