Der schwedische Versorger Vattenfall fordert wegen des Atomausstiegs mehrere Milliarden Euro Schadenersatz von Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel habe im Wirtschaftsausschuss des Bundestages den von Vattenfall geforderten Betrag auf rund 4,7 Milliarden Euro beziffert, so der Linken-Abgeordnete Michael Schlecht. Auch in Regierungskreisen wurde der Streitwert des Vattenfall-Schiedsverfahrens auf diese Summe beziffert. Vattenfall wollte sich dazu nicht äußern.
Die Bundesregierung hatte nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 acht der 17 deutschen Atomkraftwerke umgehend stillgelegt. Die übrigen sollen bis Ende 2022 vom Netz gehen. Die Energieriesen E.ON, RWE und Vattenfall sehen in dem beschleunigten Atomausstieg einen unzulässigen Eingriff in ihre Eigentumsrechte und klagen vor dem Bundesverfassungsgericht auf Schadenersatz.
Vattenfall jedoch hat die Bundesregierung zudem vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington verklagt. Vattenfall konnte sich anders als E.ON und RWE an ein Schiedsgericht wenden, weil der Konzern im Ausland ansässig ist. Damit kann er seine Investitionen durch das Schiedsgericht schützen lassen. Die Erfolgschancen des Unternehmens gelten als gut, auch wenn die genannten 4,7 Milliarden Euro an Schadenersatzforderungen weit höher sind als bisher vermutet.
Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst sieht dadurch seine Kritik am geplanten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) bestätigt. „Die Vattenfall-Klage zeigt erneut, dass Freihandelsabkommen mit weitreichendem Investorenschutz nicht zu akzeptieren sind.“ Die atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sylvia Kotting-Uhl nennt die Forderung von Vattenfall „unverschämt“. Die Konzernspitze habe jahrelang mit Atom und Kohle auf ein falsches Geschäftsmodell gesetzt und verlange nun von den deutschen Steuerzahlern, für das Managementversagen zu zahlen.
Auch die Kosten für die Entsorgung des Atommülls sollen auf die Steuerzahler übertragen werden. E.ON, RWE und EnBW prüfen dazu die Auslagerung ihrer Atomkraftwerke in eine Stiftung. Auf diese Weise könnten sie die Abriss-Risiken loswerden. Dem Steuerzahler hingegen drohen massive finanzielle Belastungen. Denn niemand weiß, was Stilllegung, Rückbau und Endlagerung tatsächlich kosten.
E.ON fordert für die entgangenen Gewinne und die notwendige Zwischenlagerung rund acht Milliarden Euro. RWE verlangt nach Reuters-Angaben allein für die beiden stillgelegten Meiler im hessischen Biblis rund zwei Milliarden Euro.