Finanzen

EU zahlt Polen 100 Millionen Euro für drei Geister-Flughäfen

Kein anderes EU-Land hat so viel Geld für seine Flughäfen erhalten wie Polen. Doch Zeitdruck und falsche Prognosen führten zu einem Überangebot. Nun muss wieder Geld ausgegeben werden, um die Fehlplanungen zu korrigieren oder zumindest die Flughäfen ordnungsgemäß abzuwickeln.
16.12.2014 00:10
Lesezeit: 2 min

Rund 245 Millionen Euro wurden in die polnischen Flughäfen Lodz, Lublin und Rzeszow investiert, 105 Millionen Euro davon kamen von der EU. Der Rest wurde von der Zentralregierung in Warschau, den lokalen Regierungen vor Ort und den Flughäfen selbst getragen. Die drei Flughäfen sind allerdings alles andere als ausgelastet: Die Passagiere bleiben aus, die Gelder sind aufgebraucht. Aber „es gab keine Korruption, nur falsche Prioritäten“, zitiert Reuters Jacek Krawczyk, den ehemaligen Vorsitzende des Vorstands der staatlichen Fluggesellschaft LOT. Nach dem Beitritt Polens habe man drei Monate Zeit gehabt, um einen strategischen Plan für die zivile Luftfahrt auszuarbeiten. „Ich schlief auf meiner Isomatte unter meinem Schreibtisch“, so Andrzej Korzeniowski mit Blick auf seine Arbeit beim polnischen Verkehrsministerium.

Ein zentrales Problem war, dass die lokalen Regierungen selbst entscheiden konnten, wo und in welchem Umfang neue Flughäfen gebaut würden, so Korzeniowski. Die EU selbst konnte diesbezüglich auch nicht viel Einfluss nehmen. Nur Investitionen von mehr als 50 Millionen Euro benötigen die vorherige Genehmigung durch die EU-Kommission, wenn es um die Verwendung der EU-Gelder geht. Die meisten der polnischen Flughäfen lagen mit ihrem Bau- bzw. Umbaubudget aber noch unter dieser Grenze. Zwischen 2007 und 2013 hat die Polen von der EU Gelder in Höhe von 615.700.000 Euro für den Neubau und Umbau seiner Flughäfen erhalten, berichtet Reuters mit Verweis auf Daten der EU-Kommission. Fast doppelt so viel wie das, was der zweitgrößte Empfänger, Spanien, von der EU erhielt. Zu Zeiten, als der neue EU-Ratspräsident Donald Tusk noch Premier von Polen war.

Der Blick auf die jährlichen Passagierzahlen stellt allerdings die Sinnhaftigkeit der Investition infrage. Die polnischen Behörden hatten für alle drei Flughäfen (Lodz, Lublin und Rzeszow) mit jährlich mehr als drei Millionen Passagieren gerechnet. Tatsächlich aber waren es im vergangenen Jahr nur insgesamt 1,1 Millionen Fluggäste, wie Zahlen der EU-Kommission zeigen. Für Lodz beispielsweise gab es 2009 eine Machbarkeitsstudie von Ernst & Young. Darin rechnete das Unternehmen mit mindestens 1,042 Millionen Passagieren für 2013. Tatsächlich waren es in Lodz aber nur 353.633 Fluggäste. Fehlkalkulationen und ein Rückgang aufgrund der Finanzkrise sind der Grund für die niedrigen Passagierzahlen. Die große Überholung der zivilen, polnischen Luftfahrt hat sich zudem intern ausgehebelt. So leidet der Flughafen in Lodz auch darunter, dass der Flughafen in Warschau dank der EU-Gelder ebenfalls renoviert wurde. Und eine neue Autobahn macht es möglich, Lodz von Warschau aus in nur 50 Minuten zu erreichen.

Die Problematik mit den polnischen Flughäfen ist allerdings noch nicht zu Ende. Denn auch die weitere Unterhaltung der Flughäfen kostet Geld. So kostet die Betreibung eines kleinen Regionalflughafens etwa drei Millionen Euro, so Reuters. Das reißt ein immer größeres Loch in die polnischen Staatskassen, denn die lokalen Regierungen sind häufig die größten Aktionäre und stützen die Flughäfen mit entsprechenden Finanzhilfen. Darüber hinaus ködern die lokalen Regierungen bzw. der Staat auch die Fluglinien mit besonders günstigen Konditionen und Werbekampagnen. 5,7 Millionen Euro etwa wurden zwischen 2011 und 2014 von der lokalen Regierung ausgegeben, damit Ryanair auf seiner Webseite und in seinem Bordmagazin für die Region um den Flughafen Rzeszow wirbt.

Und Polen ist nicht das einzige Land, das um potentielle Fluggäste kämpft. Rund 80 europäische Flughäfen vermelden weniger als eine Million Passagiere im Jahr. Drei Viertel dieser Flughäfen machen Minus, so der Airports Council International. Um Kosten zu reduzieren, drohte 2013 in Spanien 30 der insgesamt 47 staatlichen Flughäfen die Schließung. Rund 20 Flughäfen verzeichnen hier sogar weniger als 100.000 Passagiere pro Jahr. 500.000 Fluggäste müssten es sein, um die Flughäfen profitabel zu machen. Und in Portugal wurde für 33 Millionen eine ehemalige Militärbasis in einen Flughafen umgebaut. Das Geld kommt von der EU und der nationalen Regierung. Nur etwas mehr als 5.000 Passagiere haben von 2011 bis Mitte 2014 den Flughafen genutzt, so die Portugal News.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Birkenstock: Von der Orthopädie-Sandale zur globalen Luxusmarke
18.07.2025

Birkenstock hat sich vom Hersteller orthopädischer Sandalen zum weltweit gefragten Lifestyle-Unternehmen gewandelt. Basis dieses Wandels...

DWN
Politik
Politik 18. Sanktionspaket verabschiedet: EU verschärft Sanktionsdruck mit neuen Preisobergrenzen für russisches Öl
18.07.2025

Die EU verschärft ihren wirtschaftlichen Druck auf Russland: Mit einem neuen Sanktionspaket und einer Preisobergrenze für Öl trifft...

DWN
Politik
Politik China investiert Milliarden – Trump isoliert die USA
18.07.2025

China bricht alle Investitionsrekorde – und gewinnt Freunde in aller Welt. Trump setzt derweil auf Isolation durch Zölle. Wer dominiert...

DWN
Finanzen
Finanzen Energie wird unbezahlbar: Hohe Strom- und Gaskosten überfordern deutsche Haushalte
18.07.2025

Trotz sinkender Großhandelspreise für Energie bleiben die Kosten für Menschen in Deutschland hoch: Strom, Gas und Benzin reißen tiefe...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzen: Deutsche haben Angst um finanzielle Zukunft - Leben in Deutschland immer teurer
18.07.2025

Die Sorgen um die eigenen Finanzen sind einer Umfrage zufolge im europäischen Vergleich in Deutschland besonders hoch: Acht von zehn...