Politik

Verfassungsrechtler: Bundeswehr-Einsatz im Irak durch Grundgesetz gedeckt

Deutschland wird Bundeswehr-Soldaten in das Kriegsgebiet im Irak schicken. Der Einsatz sei vom Grundgesetz gedeckt, weil es sich um keine Kampftruppen handle, sagt der Verfassungsrechtler Christoph Degenhart.
17.12.2014 11:46
Lesezeit: 2 min

Die Bundesregierung schickt Soldaten in das irakische Kriegsgebiet: „Wir werden etwa 100 Soldaten in den Nordirak senden“, kündigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Mittwoch nach der Kabinettssitzung in Berlin an. Neben der Grundausbildung würden die Kämpfer auch in den Bereichen Sanitätsdienst, Umgang mit Sprengfallen und Taktik unterrichtet. Die Bundeswehrsoldaten würden im Raum um die Kurdenhauptstadt Erbil stationiert. „Mit der Isis ist die offene Barbarei in den Mittleren Osten zurückgekehrt“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Der Bundestag wird erst 2015 abschließend über das Mandat entscheiden. Am Einsatz zur Ausbildung der kurdischen Kämpfer wird sich wohl auch Italien beteiligen. Deutschland hatte den Kurden im Nordirak in den vergangenen Monaten Waffen geliefert, um sie im Kampf gegen IS zu unterstützen. An diesen Waffen bildet eine Handvoll Bundeswehr-Soldaten die Peschmerga auch bereits aus. Mit dem Mandat soll das Training ausgeweitet werden. Die Islamisten des IS kontrollieren weite Teile Syriens und des Iraks.

Die Ausbildung der Peschmerga gilt nicht als Kampfeinsatz. Daher ist eine mögliche Entsendung deutsche Soldaten in den Irak mit dem Grundgesetz vereinbar. Selbst wenn die Soldaten bewaffnet sind, ist das als reine Selbstverteidigung zu bewerten. Auch diese ist durch das Grundgesetz gedeckt,“ so Christoph Degenhart, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, zu den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Die Soldaten sollen ausschließlich im Autonomiegebiet der irakischen Kurden stationiert werden. Ob und wie die einzelnen Soldaten für diesen Einsatz bewaffnet werden, hängt laut Verteidigungsministerium davon ab, „wie die Sicherheitslage am jeweiligen Ort aussieht“. Ein Sprecher sagte: „Eine Bewaffnung zum Selbstschutz ist im Rahmen des Möglichen.“

Denkbar sei auch, dass die Bundeswehr von Kräften anderer Nationen geschützt werde. Der Unions-Verteidigungspolitiker Andreas Schockenhoff forderte, die Bundeswehr selbst müsse für den Schutz der Soldaten sorgen.

An dem Text des Mandats wird laut Verteidigungsministerium noch gearbeitet. Er soll kommende Woche vom Kabinett verabschiedet werden.

Eine Beteiligung des Bundestages sei „politisch zweckmäßig und rechtlich vernünftig“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer. Auf die Frage, auf welcher Grundlage die Entsendung der Soldaten erfolgt, sagte Schäfer: Der Irak habe um „umfassende Hilfe“ im Kampf gegen die Terrormiliz IS gebeten. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes wird der Kampf gegen IS mehrere Jahre dauern.

Mit der Entsendung von 100 Soldaten würde die deutsche Beteiligung an der internationalen Anti-IS-Allianz deutlich ausgeweitet. Bisher hat sich die Bundeswehr mit Waffenlieferungen beteiligt und nur einzelne Ausbilder in den Irak geschickt, um den Kurden die Bedienung Panzerfäusten und Gewehren aus Deutschland zu zeigen.

Der geplante Einsatz soll sich auf den kurdischen Norden beschränken, der im Vergleich zu vielen anderen Landesteilen derzeit als relativ sicher gilt. Außer den kurdischen Kämpfern (Peschmerga) sollen auch Christen und Jesiden ausgebildet werden.

Das Parlament muss bei jedem bewaffneten Auslandseinsatz der Bundeswehr befragt werden. Bei einem Ausbildungseinsatz kommt es vor allem darauf an, ob die Bundeswehr die Trainingsstätte selbst bewacht oder ob sie von Soldaten anderen Nationen geschützt wird.

Auch die Grünen würden dem Mandat nach eigenen Angaben eventuell zustimmen. „Eine Ausbildungsmission im Irak ist in der momentanen Lage grundsätzlich sinnvoll“, sagte der außenpolitische Sprecher Omid Nouripour. Von der Bundesregierung erwarte er, dass sie die völkerrechtliche Grundlage des Einsatzes präzise erläutere.

Problematisch ist bei der Irak-Mission aus Sicht der Linken, dass sie weder unter dem Dach der Vereinten Nationen noch der Nato stattfinden soll. Nach einem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994 kann sich die Bundeswehr nur an Auslandseinsätzen eines „Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ beteiligen. Die Allianz gegen den IS ist nur ein loser Zusammenschluss von Staaten, die sich einem gemeinsamen Ziel verpflichtet haben.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Hans-Peter Bartels, sieht für den geplanten Ausbildungseinsatz der Bundeswehr im Nordirak keine rechtlichen Hindernisse. Bartels geht davon aus, dass das deutsche Engagement vom Grundgesetz gedeckt ist. „Für den Einsatz im Nordirak gibt es kein spezielles UN-Mandat, aber den Aufruf des UN-Sicherheitsrates an alle Mitgliedsstaaten, den Irak zu unterstützen“, sagte der SPD-Politiker der Oldenburger Nordwest-Zeitung. Er begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung, den Bundestag über die Entsendung abstimmen zu lassen. „Ein Einsatz der Bundeswehr ohne Beschluss des Bundestages wäre politisch nicht möglich gewesen. Es ist gut, dass dies Verteidigungsministerin und Außenminister gemeinsam so sehen.“

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