Führende europäische Politiker wollen der Ukraine keine zusätzlichen Kredite ohne weitere Auflagen überweisen. Erst kürzlich hatte der IWF eine weitere Finanzierungslücke im ukrainischen Haushalt entdeckt. Diese beläuft sich auf die Höhe von 15 Milliarden Dollar. Kiew bittet daher die EU und weitere Regierungen um finanzielle Hilfe.
Der stellvertretende Leiter der Präsidialverwaltung der Ukraine, Valeriy Chaly sagte am Montag zu Journalisten: „Ohne zusätzliche Ressourcen ist es fast unmöglich, die finanziellen Lücken zu schließen ... und so Reformen durchzuführen und einen Zahlungsverzug zu verhindern“.
Die Ukraine muss das Loch bis zum Ende des nächsten Monats schließen. Sonst droht das mit dem IWF bereits beschlossene Hilfsprogramm in Höhe von 17 Milliarden Dollar zu scheitern.
Doch der Widerstand der politischen Vertreter in Berlin, Brüssel und sogar in Warschau wächst. Sie warnen, dass die Ukraine bei den Fortschritten bei den Wirtschaftsreformen versagt, was eine weitere Unterstützung politisch unmöglich mache, zitiert die FT.
Das Thema soll bei gerade stattfindenden EU-Gipfel in Brüssel besprochen werden. Leitende Beamte, die in die Agenda-Planung involviert sind, sprechen davon, dass die Bereitschaft für weitere EU-Finanzhilfen – neben den zwei bereits bestehenden – abnehme, so die FT. Vor allem unter dem Aspekt, dass es keine konkreten Hinweise dafür gibt, dass die Regierung in Kiew an den Reformen arbeitet, die mit dem IWF vereinbart waren. Die Diplomaten vermuten, dass es keine Entscheidung zu dem Hilfsprogramm auf dem EU-Gipfel geben werde.
Ukrainische Verantwortliche haben die EU-Staaten bereits gebeten, ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Land zu erhöhen.
Der IWF sieht die Wirtschaft der Ukraine akut gefährdet: Der Anteil der Schattenwirtschaft beträgt zwischen 30 und 100 Prozent des ausgewiesenen Bruttoinlandsprodukts. Durch den Krieg im Osten des Landes wird sich die Wirtschaftskrise noch verschärfen. Ohne weitere Kredite aus Europa kann die Ukraine nicht bestehen.
Die Währungsreserven der Ukraine sind im November zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt unter die Marke von 10 Milliarden US-Dollar gefallen. Große Zahlungen für Erdgas, Importe und der Schuldendienst lassen die Reserven schmelzen. Wie die Nationalbank berichtete, fielen die Devisen- und Goldreserven um 21 Prozent gegenüber dem Vormonat auf 9,97 Milliarden Dollar.
Doch die Zentralbank verbrennt Fremdwährungsreserven in Höhe von fast drei Milliarden Dollar im Monat. So müsste das Land sein Budget entweder drastisch senken oder die Staatsschulden umstrukturieren, um die IWF-Forderungen zu erhalten.
Polen, einer der treuesten Alliierten Kiews, teilte am Mittwoch mit, Lebensmittel und Kleidung für den Winter in Höhe von fünf Millionen Euro in die Ukraine zu schicken. Doch unter vier Augen sprechen polnische Diplomaten und Politiker skeptisch über die Ausstellung neuer Schecks.
„Ohne sichtbare Fortschritte bei den Reformen können wir nicht einmal anfangen, über mehr Mittel zu nachzudenken. Es macht einfach keinen Sinn“, zitiert die FT einen hohen polnischen Regierungsbeamten. Die EU hat Kiew erst Anfang Dezember 500 Millionen Euro als „Mikrofinanzhilfe“ überwiesen. An detaillierte Auflagen ist der Kredit nicht gebunden. Im Bericht der EU steht lediglich, so die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform, dass „die EU im Gegenzug erwartet, dass die Ukraine Reformen zum Wohle ihrer Bürger durchführt“. Eine Überwachung der Verwendung der Gelder wie etwa in Griechenland durch die Troika ist nicht vorgesehen. Am Montag erst erhielt Kiew eine Überweisung in Höhe von 150 Millionen Euro von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).
Die Außenminister von Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei sagten Petro Poroschenko bei einem Treffen in Kiew diese Woche, dass die vier Länder keine weiteren Finanzhilfen oder europaweite Bemühungen um einen Bail-out unterstützen, ohne Zusagen über Reformen.
Daraufhin sicherte Poroschenko einen „konkreten Zeitplan“ zu. Premier Arseni Jazenjuk versprach, härter gegen Korruption vorzugehen. Zudem sollen Steuerschlupflöcher nach Zypern oder andere Offshore-Finanzplätze durch eine Steuerreform verhindert werden. Doch die ersten Entscheidungen treffen vor allem die Bürger der Ukraine: Der erste Haushalt der neuen Regierung sieht dramatische Einschnitte im Sozialsystem vor. Zudem erhöhte die Regierung die Gaspreise für die ukrainische Bevölkerung, um das Defizit von 5,6 Milliarden Euro bei Naftogaz zu finanzieren. Für die Einwohner ein harter Schritt: Denn der Mangel an Gas und der Verlust der Kohle-Abbaugebiete im Osten des Landes führen in der Ukraine zu Strom-Ausfällen. Die Bewohner von Kiew und weitere Städte sitzen stundenlang im Dunkeln.
Die Staatsverschuldung muss Kiew zudem dringend runterschrauben, denn Russland hält ukrainische Staatsanleihen, die einen besonderen Zusatz haben: Russland kann auf sofortige Auszahlung bestehen, wenn die ukrainischen Staatsschulden im Verhältnis zum BIP über 60 Prozent steigen. Doch obwohl der Staats-Bankrott droht, verdoppelt die Ukraine die Militärausgaben.
„Es gibt so viele Möglichkeiten, die Rechnung zu teilen“, so Mujtaba Rahman, Leiter der Analysten der Consultingfirma Eurasia Group. „Kredite an die Ukraine zu vergeben, ist eine geopolitische Notwendigkeit. Der IWF wird deshalb so eine Geste tätigen. Aber er kann nicht die ganze Rechnung übernehmen, um die angegebenen Minimalreformen der Regierung zu bezahlen. Der private Sektor muss ebenso einen Beitrag leisten“.
Der IWF verlangt, dass eine Regierung einen Finanzierungsplan über zwölf Monate vorlegen kann, um Finanzhilfen auszuzahlen. Ohne die zusätzlichen 15 Milliarden Dollar, die Ende Januar bei der Sitzung vorliegen müssten, würde der IWF nach seinen Statuten nicht in der Lage sein, das Rettungspaket von 17 Milliarden Dollar auszuzahlen. „Es ist wichtig, dass die Gebergemeinschaft vortritt und die Finanzierung der Ukraine absichert, so IWF-Sprecher William Murray.
„Für die Ukraine zu zahlen ist vergleichbar mit der Bundesrepublik Deutschland, die für Ostdeutschland zahlt. Nur dass die Ukraine größer als Ostdeutschland ist, so ein europäischer Diplomat zur FT. „Wer zahlen wird, wird eine interessante Diskussion werden.