Finanzen

Endspiel der Euro-Schuldenkrise: Deutschland muss sich auf Verluste einstellen

Die Schuldentragfähigkeit der Euro-Staaten stößt an ihre Grenzen. Doch sollten die Schulden-Staaten im Rahmen einer Umstrukturierung entlastet werden, wird Deutschland die Kosten tragen müssen.
25.12.2014 02:30
Lesezeit: 3 min

Nach Draghis Ankündigung, unbeschränkt Staatsanleihen aus der Eurozone zu kaufen und die EZB-Bilanz zusammen mit Käufen von ABS-Papieren und Covered Bonds (Pfandbriefe) um etwa eine Billion Euro auf insgesamt drei Billionen Euro aufzustocken und damit unkalkulierbare Risiken aufzunehmen, für die schlussendlich die europäischen Steuerzahler haften, werden in Finanzkreisen die Fragen lauter, wie es denn grundsätzlich mit der Schuldentragfähigkeit im Euroraum bestellt ist.

Barry Eichengreen, ein renommierter Wirtschaftswissenschaftlicher und Professor für Ökonomie an der Universität von Kalifornien, wirft hierzu grundsätzliche Fragen auf.

Die düsteren Wachstumsprognosen für die Eurozone im 3. Quartal 2014 unterstreicht erneut Zweifel über die Nachhaltigkeit der Staatsschulden, betont Eichengreen in der Financial Times.

Die europäische Strategie zum Schuldenabbau habe zum Ziel, Primärüberschüsse zu erreichen, um die Schuldenquote im Verhältnis zum Brutto-Inlandsprodukt auf tolerierbare 60 Prozent bis zum Jahr 2030 zu senken.

Solcherart implizierte Überschüsse der Volkswirtschaften in der Eurozone grenzen jedoch an Wunschdenken.

Unter realistischen Annahmen würde dies bedeuten, dass der Primärüberschuss (also ein Haushalts-Überschuss ohne Zinslast) bei Spanien vier Prozent, bei Irland, Italien und Portugal 5 Prozent und bei Griechenland 7 Prozent erreichen müssten – und dies Jahr für Jahr.

Darüber hinaus stellt Eichengreen Vergleiche an, welche Länder Primärüberschüsse von mehr als fünf Prozent in einem Zeitraum von zehn Jahren erwirtschafteten. Dies sind Norwegen, Singapur und Belgien. Doch alle drei Staaten hätten keinerlei Vergleichsbasis mit dem heutigen Euroraum.

Norwegen beispielsweise, das kein Mitglied der EU ist und auch die eigene Währung beibehalten hat, erwirtschaftet seit 1995 enorme Überschüsse wegen seiner extensiven Gas- und Erdölförderung. Im weltgrößten Staatsfonds liegen 890 Milliarden Dollar. Im Jahr 2013 erwirtschaftete der Fonds gar stolze 16 Prozent. In Belgien, so Eichengreen, verschwanden die Primärüberschüsse nicht lange nach Einführung des Euro.

Es ist also davon auszugehen, dass die offizielle Brüsseler Strategie, nämlich Primärüberschüsse in den genannten Größenordnungen zu erwirtschaften, zur Lösung der Euro-Schuldenkrise mitnichten funktionieren wird. Denn nach den beiden Rezessionsjahren 2012 und 2013 befindet sich die Eurozone in einer Stagnationsphase, mit Tendenz nach unten.

Wie sieht ein „Endspiel“ der Krise mittels deutlicher Schuldenschnitte, Insolvenzen oder Umschuldungen denn nun aus?

Die Alternative wäre nach Eichengreen eine Schulden-Umstrukturierung. Europäische Bürokraten versuchten es derzeit mit Gedankenspielen wie der Schuldenabschreibungen der öffentlichen Haushalte und Versprechungen an Griechenland, ihren Schuldenstand bei den Euro-Staaten mit immer niedrigeren Zinsen und längeren Laufzeiten bis zu 50 Jahren erträglicher zu gestalten.

Eine Art Schuldentragfähigkeit wurde in der Vergangenheit bereits thematisiert in Form eines „europäischen Schuldentilgungsfonds“ oder „Schuldentilgungspakt“. Kern des Vorschlags war, die öffentlichen Schulden der Euro-Mitgliedsländer oberhalb eines Referenzwertes von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in einen Tilgungsfonds mit gemeinschaftlicher Haftung auszulagern. Diese Schulden sollen dann von den jeweiligen Staaten verpflichtend in einem Zeitraum von 20 bis 25 Jahren abgebaut werden.

Die Bundesregierung lehnte diesen Vorschlag bislang wegen verfassungsrechtlicher Bedenken ab. Sollte jedoch ein verfassungsgemäßes Modell dazu vorgelegt werden, spreche nichts dagegen, es zu prüfen. Eine Umsetzung des Schuldentilgungsfonds in der Euro-Zone würde jedoch auch europäische Vertragsfragen aufwerfen.

Da der offizielle Schuldenstand in Deutschland knapp 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt, in Italien mit dem Spitzenwert in der Eurozone jedoch 132,6 Prozent (Stand 2013) kämen hier enorme Haftungsrisiken auf Deutschland zu, je nachdem wie ein Haftungsanteil ganz oder teilschuldnerisch ausgelegt wäre. Der über Jahrzehnte hinweg erarbeitete Wohlstand wäre nachhaltig gefährdet. Wäre Deutschland als Zahler für die Sünder in der Eurozone beteiligt, würde darunter die Wirtschaft leiden und gar schrumpfen. Auch die heutigen Sozialsysteme wären nicht mehr finanzierbar. Es wäre eine Art zeitlich und volumenmäßig begrenzten Variante von Euro-Bonds, die zweckgebunden und an harte Bedingungen gekoppelt sind.

Eine Umschuldung oder ein Schuldenschnitt der hohen Schuldenstände würde auf ähnliche Szenarien wie in Griechenland hinauslaufen. Laut wissenschaftlichen Studien vernichten Insolvenzen staatlicher Gläubiger im Schnitt rund 50 Prozent des Anlegerkapitals. Zudem sind solche Umschuldungen oder Schuldenschnitte mit einem heftigen Wirtschaftsabschwung verbunden.

Obwohl die Eurozone dringend ein Insolvenzverfahren für Staaten benötigte, ist die Einführung eines solchen Verfahrens mit erheblichen Risiken verbunden. Allein die öffentliche Diskussion darüber würde zu einer neuen Panik an den Märkten für Staatsanleihen führen. Denn es könnte als Hinweis für unmittelbar bevorstehende Schuldenschnitte für hochverschuldete Eurostaaten gedeutet werden.

Schuldenschnitte für sogenannte Programmländer, also Griechenland, Irland und Portugal hätten außerdem zur Folge, dass insbesondere Deutschland die Folgen tragen müsste, da es 27 Prozent der Kredite der „Rettungsschirme“ garantiert.

Möglich wäre, so Eichengreen, zumindest in der Theorie den Nenner des Verhältnisses von Schuldenstand zum Bruttoinlandsprodukt zu vergrößern. Oder, wie die IWF-Direktorin Christine Lagarde unlängst vorschlug, überhaupt die Schuldenobergrenze für die Eurozone aufzuheben oder noch mehr Geld zu drucken.

Die effektive Schuldenquote könne, so Eichengreen, durch Ausgabenbeschränkungen der Staaten und Wirtschaftswachstum abgebaut werden. Doch Wachstum könne nicht aus der dünnen Luft herbeigezaubert werden.

Die düsteren Wachstumsprognosen für die Eurozone im 3. Quartal 2014 machten jedenfalls deutlich, dass den Gedankenspielen der Eurokraten alsbald konkrete Vorschläge folgen müssen. Denn die stagnierende Wirtschaftsleistung bedroht die Schuldentragfähigkeit und die Malaise der Eurozone wird zum Dauerzustand.

In der öffentlichen Diskussion wird oftmals das Wort der Notwendigkeit von Strukturreformen als Allheilmittel das Wort geredet.

Portugal, Irland und Spanien, die seit Krisenbeginn erhebliche Reformschritte unternommen haben, weisen bei geringem Wachstum jedoch noch immer zweistellige Arbeitslosenquoten auf und leiden nach wie vor unter erheblichen Schuldenproblemen.

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