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Atomsteuer vor EuGH: AKW-Betreibern droht Niederlage

Lesezeit: 2 min
03.02.2015 14:44
Die deutschen AKW-Betreiber sind gemeinsam vor den EuGH gezogen, um die Atomsteuer zu kippen. Der Generalbundesanwalt hält die Steuer in Deutschland allerdings für rechtmäßig. Der Streit gehört zu einer Reihe von Klagen, die die Energieriesen gegen die Bundesregierung führen.
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Die angeschlagenen AKW-Betreiber haben bei ihren milliardenschweren Klagen gegen die Bundesregierung einen Rückschlag kassiert. Die vom Bund seit 2011 erhobene Brennelementesteuer verstoße nicht gegen das EU-Recht, erklärte Generalanwalt Maciej Szpunar am Dienstag vor dem EuGH in Luxemburg (Az: C-5/14). Seine Einschätzung ist für das Gericht zwar nicht bindend. E.ON, RWE und EnBW droht nun aber eine Niederlage, während Finanzminister Wolfgang Schäuble bis 2016 mit weiteren Einnahmen für den Bundeshaushalt rechnen kann. Die Energieriesen führen derzeit mehrere Atom-Verfahren gegen dem Bund. Dabei geht es insgesamt um mehr als 20 Milliarden Euro.

Die Einschätzung des Generalanwalts war mit Spannung erwartet worden. Das Gericht folgt ihm oft, aber keineswegs immer. Für die Versorger wäre eine Rückzahlung der Steuer erfreulich. E.ON hat nach eigenen Angaben bisher 2,3 Milliarden Euro Brennelementesteuer gezahlt, RWE 1,23 Milliarden und EnBW 1,1 Milliarden. Die Konzerne sehen in der Steuer einen Verstoß gegen das europäische Recht. „Wir werden nun zunächst das endgültige Urteil des EuGH abwarten, das wir im Laufe des Jahres 2015 erwarten, denn wir halten nach wie vor an unserer Rechtsauffassung fest“, erklärte RWE. Die Einschätzung des Generalanwalts nehme das Urteil nicht vorweg, betonte auch E.ON.

Den Konzernen macht die Energiewende schwer zu schaffen. Wegen des Preisverfalls bei den Strom-Großhandelspreisen brechen ihnen die Gewinne weg. So fuhr RWE 2013 einen Nettoverlust von fast drei Milliarden Euro ein. Der Konkurrent E.ON zerlegt sich mit der für 2016 geplanten Aufspaltung selbst. In einem Teil soll das Ökostromgeschäft bleiben, die schwächelnden Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke sollen ausgelagert werden. Die Kernkraftwerke waren jahrzehntelang die Gewinnbringer der Firmen. Sie argumentieren nun, der Betrieb der Kernkraftwerke lohne sich kaum noch, wenn die Brennelementesteuer gezahlt werden müsse. Die Steuer wird fällig, wenn ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in einen Kernreaktor erstmals eingesetzt werden und so eine nukleare Kettenreaktion ausgelöst wird. Die Steuer soll noch bis 2016 gezahlt werden - sechs Jahre später wird das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet.

Die Kurse der Aktien von E.ON und RWE brachen am Dienstag zeitweise um mehr als fünf beziehungsweise fast sieben Prozent ein. LBBW-Analyst Erkan Aycicek geht davon aus, dass Analysten bei ihren Ergebnis-Schätzungen für die Versorger die Zahlung der Brennelemente-Steuer berücksichtigt haben. Aus Sicht von Ingo Becker, Analyst bei Kepler Chevreux, dürfte die Zahlung der Steuer dagegen bislang meist nicht berücksichtigt worden sein. Sie könne das operative Ergebnis von RWE um 300 bis 400 und von E.ON um etwa 700 Millionen Euro für 2015/2016 drücken.

Die Konzerne argumentieren vor Gericht, dem Bund fehle im Fall der Brennelementesteuer die Gesetzgebungskompetenz. Das Bundesfinanzministerium hat dies zurückgewiesen, wollte sich nach dem Votum des Generalanwalts aber nicht weiter äußern. Die Einnahmen aus der Steuer hatten Bundesfinanzminister Schäuble im Bundeshaushalt 2014 die „Schwarze Null“ gesichert - ein Jahr früher als geplant. Der Fall liegt außer beim EuGH auch beim Bundesverfassungsgericht. Wann es dort zu einer Entscheidung kommt, ist offen. Über die Schadenersatzforderungen der Versorger für den beschleunigten Atomausstieg will das oberste deutsche Gericht noch in diesem Jahr entscheiden.

Der Streit um die Brennelementesteuer gehört zu einer Reihe von Klagen, die die AKW-Betreiber gegen die Bundesregierung führen. E.ON, RWE und der schwedische Vattenfall -Konzern fordern für den beschleunigten Atomausstieg Schadenersatz in insgesamt zweistelliger Milliardenhöhe. Um fast eine Milliarde Euro geht es in den Klagen von E.ON, RWE und EnBW gegen das nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 gegen acht Meiler verhängte dreimonatige Betriebsverbot (AKW Moratorium), das schließlich in den Ausstiegsbeschluss mündete.

Es wird spekuliert, die Versorger könnten auf ihre Klagen verzichten, wenn es eine Neuregelung für den Abriss der Meiler und die Entsorgung des Atommülls geben sollte. Denkbar ist ein staatlicher Fonds, in den die gut 36 Milliarden Euro schweren Rückstellungen der Firmen fließen. Ob diese Summe reicht, ist umstritten. Kritiker der AKW-Betreiber halten sie für zu niedrig.


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