Finanzen

Zins-Erhöhung der Fed: Anleger und Investoren müssen sich neu orientieren

Lesezeit: 6 min
20.03.2015 01:02
Es war ein spätes Eingeständnis der Fed, dass sich die Konjunktur in den USA deutlich abgekühlt hat. Die Wahrscheinlichkeit für eine baldige Zinsanhebung ist damit deutlich gesunken – aber vom Tisch ist sie damit noch lange nicht. Die Entwicklung hat weitreichende Folgen für Investoren und Anleger.

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Gleich der erste Satz des gestrigen Statements der amerikanischen Notenbank Fed war ein Paukenschlag:

„Information received since the Federal Open Market Committee met in January suggests that economic growth has moderated somewhat.“

Das war ein spätes Eingeständnis, dass die Konjunktur der USA sich in den letzten Wochen deutlich abgekühlt hat – zuvor hatte die amerikanische Notenbank die Wirtschaftslage noch in den rosigsten Bildern gemalt. Aber die Konjunkturdaten wurden zuletzt immer schlechter, mit Ausnahme des US-Arbeitsmarktberichts, dessen Glaubwürdigkeit jedoch durch die sogenannten „seasonal adjustments“ (also saisonale Anpassungen), die ein Einfallstor für Beschönigungen jeder Art sind, recht zweifelhaft ist.

Gleichzeitig senkte die Fed ihre Inflationserwartung und ihre Projektion der Zinsentwicklung jeweils deutlich. All das hat Investoren gestern auf dem falschen Fuß erwischt: der Dollar stürzte ab, kurz nach US-Börsenschluss kam es sogar zu einem Blitz-Crash des Dollars – so stieg Euro-Dollar innerhalb von wenigen Sekunden von knapp über 1,08 auf 1,1040 und verbuchte so den größten Tagesgewinn seit mehreren Jahren. Die US-Aktienmärkte hingegen haussierten, der Dow Jones stieg um 400 Punkte.

Die Wahrscheinlichkeit für eine baldige Zinsanhebung in den USA ist damit deutlich gesunken – aber vom Tisch ist sie damit noch lange nicht. So strich die Fed das entscheidende Signalwort „patient“ (geduldig), mit dem sie zuvor signalisiert hatte, dass sie geduldig sein werde mit ersten Zinsanhebungen. Das Ende der laxen Geldpolitik ist also erst einmal aufgeschoben, aber eben nicht aufgehoben: werden die Konjunkturdaten wieder besser, das hat Fed-Chefin Janet Yellen gestern in ihrer Pressekonferenz signalisiert, wird die Fed die Zinsen anheben. Was aber würde das bedeuten?

Die Konsequenzen für die Märkte

Die US-Börsen: Während der Dax in 2015 in der Spitze 25 Prozent zulegen konnte in der Euphorie über das Anleihekaufprogramm der EZB (QE), haben sich die US-Indizes in diesem Jahr kaum nach oben bewegt. So waren seit Mitte Januar, als klar wurde, dass die EZB ihr Programm beschließen würde, massive Kapitalabflüsse von den US-Aktienmärkten hin zu den Aktienmärkten Europas die Folge. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Bank of America unter Geld-Managern zeigt die Verschiebung klar: demnach ist der Anteil derjenigen Investoren, die die US-Aktienmärkte untergewichtet haben, derzeit so hoch wie seit 2008 nicht mehr, 35 Prozent der von der Bank of America Befragten sahen die USA sogar als den schlechtesten Ort für Investments – so viel wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Das zeigt: das Kapital geht in Aktienmärkten von Währungsräumen, deren Geldpolitik weiter ultralax ist, wie derzeit insbesondere in Europa – während mögliche oder erwartete Zinsanhebungen ein klares Verkaufsargument sind.

Der US-Dollar: Die Dollar-Stärke, die aus der Kombination zwischen erwarteter Zinsanhebung in den USA und dem Anleihekaufprogramm der EZB resultiert und seit Anfang des Jahres dramatische Ausmaße annimmt, hat die US-Aktienmärkte schwer belastet. Und das zurecht: etwa 40 Prozent der Gewinne der Unternehmen im wichtigsten Aktienindex der Welt, dem S&P500, stammen aus dem Ausland. Verdienen US-Unternehmen im Ausland Euros, brasilianische Real, mexikanische Peso etc., bekommen sie dafür weniger Dollar. Laut einer Studie der Firma FiREApps kostete die Dollar-Stärke US-Unternehmen im vierten Quartal 2014 18 Milliarden Dollar – aber im vierten Quartal 2014 hatte sich die Dollar-Stärke noch im Rahmen gehalten (Euro-Dollar in dem Zeitraum zwischen 1,20 und 1,30) – richtige Dollar-Aufwärtsdynamik entstand erst seit Beginn 2015.

Das bedeutet: die Gewinne der US-Unternehmen werden, wie die bald einsetzende US-Berichtssaison zeigen dürfte, im ersten Quartal 2015 massiv eingebrochen sein. US-Aktien aber sind immer noch deutlich teuer als ihre europäischen Pendants – würde die Fed die Zinsen anheben und den Dollar so weiter stärken, droht ein regelrechtes Desaster, vielleicht sogar ein Crash der US-Aktienmärkte.

Anleihen: Noch größer aber ist die Gefahr bei Staatsanleihen und Unternehmensanleihen. Während die Renditen für deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit bis sieben Jahre bereits negativ sind, bekommt man in den USA aufgrund der Erwartung, dass die Fed die Zinsen anheben wird, noch ordentliche Renditen (für die 10-jährige der USA ca. 2 Prozent, die 10-jährige Deutschlands rentiert unter 0,30 Prozent - der Abstand ist so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr). Hebt die Fed die Zinsen an, steigen die Renditen in den USA weiter – was amerikanische Staatsanleihen dann noch attraktiver macht. Und das würde bedeuten: Kapital, das im Zuge der ultralaxen Geldpolitik der Fed insbesondere in Schwellenländer geflossen war, kehrt wieder in die USA zurück. Dieser Prozess hat bereits eingesetzt, würde sich aber dann noch weiter intensivieren: die Währungen der Schwellenländer stehen bereits unter erheblichem Abwertungsdruck. Und das wiederum bedeutet: die Kreditvergabe in den Schwellenländern geht zurück, gleichzeitig werden die meist in US-Dollar aufgenommenen Schulden durch die Aufwertung des Greenback immer drückender. Es drohen also Staatspleiten in den Schwellenländern – und das könnte einen Tsunami an den Finanzmärkten auslösen.

Junk-Bonds: Ähnlich dramatisch ist die Lage am Markt für amerikanische Unternehmensanleihen, die als hoch spekulativ gelten, die sogenannten Junk-Bonds. Steigen in den USA die Zinsen, steigen auch die Zinslasten für die meist nur begrenzt bonitären Firmen. Insbesondere die US-Fracking-Industrie hat sich über Junk-Bonds Geld verschafft – die Branche steht durch den kollabierten Ölpreis ohnehin unter Druck, steigende Zinsen könnten einen Crash bei Junk-Bonds auslösen. Und wenn der Markt für Junk-Bonds crasht, das zeigt die Erfahrung, crashen auch die US-Aktienmärkte wenig später.

Auch für die USA entstünden dramatische Folgen: steigen die Zinsen in den USA, steigt auch die Zinslast exponentiell für die gigantische Verschuldung der USA (derzeit gut 18 Billionen Dollar). Faktisch könnte sich die USA also keine höheren Zinsen erlauben.

Der Euro: Der rapide Fall des Euro zum Dollar seit Beginn des Jahres 2015 entstand aus der Kombination der EZB-Politik mit der Erwartung, dass die USA die Zinsen anheben. Da die EZB monatlich über ihr QE-Programm 60 Milliarden Euro in die Märkte pumpt (und damit die Menge an aus dem Nichts geschaffenen Euros pro Monat um diese Summe erhöht), steht der Euro unter erhöhtem Abwertungsdruck. Dagegen hat die Erwartung von Zinsanhebungen in den USA den Dollar-Index auf den höchsten Stand seit Jahren steigen lassen. Tatsächliche Zinsanhebungen würden diese Tendenz fortsetzen, auch wenn ein Großteil davon möglicherweise bereits eingepreist ist. Dennoch: der Euro könnte in Richtung 0,85 zum US-Dollar fallen, wie einige Großbanken bereits für das Jahr 2017 prognostizieren.

Durch das QE der EZB zeichnet sich eine gigantische Kapitalverschiebung ab: Pensionskassen, Versicherungen etc. gehen aus Anleihen der Eurozone, die keine Rendite oder sogar Negativrenditen bringen, und schichten das Kapital in die Staats-Anleihemärkte der USA um, die attraktive Renditen im Gefolge der höheren Leitzinsen bringen. Dadurch würden die Investoren praktisch Euros verkaufen und Dollars kaufen – und so den ohnehin vorhandenen Trend noch verschärfen. Bereits jetzt ist vor allem das Tempo der Aufwertung des Dollar bei gleichzeitiger Abwertung der zweiten großen Weltwährung, dem Euro, ein großes Problem, das die Finanzmärkte instabiler macht.

Gold: In Erwartung steigender Leitzinsen in den USA ist der Goldpreis (in Dollar) in den letzten Monaten verstärkt unter Druck gekommen. Als die Fed gestern ihr Statement vorlegte, reagiert der Goldpreis jedoch euphorisch, weil sich die Aussicht auf Zinsanhebungen in den USA nach hinten verschoben hat. Gleichwohl hängt über dem Goldpreis das Damoklesschwert, dass die Fed dann irgendwann doch ernst macht und die Zinsen anhebt. Damit wird das (unverzinste) Gold tendenziell unattraktiver, zumal die übergeordneten Tendenzen derzeit klar deflationär wirken (die globalisierte Internet-Ökonomie braucht weniger Menschen, daher fallen die Löhne eher als dass sie steigen). Gleichwohl hat Gold nicht nur die Funktion des Inflation-Schutzes: es ist auch eine Art Rückversicherung für einen möglichen Crash des Finanzsystems. Daher dürfte der Goldpreis nicht ins Bodenlose fallen, auch wenn die Fed die Zinsen deutlich anheben würde.

Der Dax: Der Dax hat sich angesichts der Zinsängste und den vergleichsweise schwachen US-Märkte zuletzt relativ entspannt gezeigt. Wichtiger ist – zumindest derzeit – die Erwartung der Märkte, dass durch das QE der EZB sich wie einst in den USA durch das QE der Fed die Vermögenspreise (also Aktien- und Immobilienpreise) in der Eurozone deutlich erhöhen – was bisher der Fall ist. Die Angst vor Zinsanhebungen durch die Fed hat zu Kapitalumschichtungen von den US-Aktienmärkten in den Dax und andere europäische Indizes geführt (siehe oben). Aber dieser Effekt ist nicht unbegrenzt: sollten die US-Aktienmärkte aufgrund von Zinsanhebungen abstürzen, wird sich der Dax der dann einsetzenden Panik nicht entziehen können – trotz des QE der EZB. Der Dax dürfte sich jedoch etwas besser halten als die US-Indizes – zumindest solange der Glaube vorherrscht, dass die EZB die Dinge unter Kontrolle hat. Aber vielleicht kommt ja der Tag, an dem die Märkte erkennen, dass die EZB und andere Notenbanken die Dingen eben nicht mehr unter Kontrolle haben – vielleicht, weil die Fed die Zinsen zu schnell anhebt und dadurch eine unkontrollierbare Dynamik einsetzt.

Fazit: Faktisch können sich die USA Zinsanhebungen aus den oben beschriebenen Gründen nicht leisten. Die Frage ist, ob sich die Fed der möglichen Dynamiken bewusst ist (woran man berechtigterweise zweifeln kann). Zu vermuten ist, dass die Fed die Leitzinsen auf 0,25 Prozent anhebt – zunächst einmal, um nicht „ihr Gesicht zu verlieren“, nachdem sie die Märkte schon seit Jahren auf eine Abkehr von der ultra-lockeren Geldpolitik eingestimmt hat. Ob es dann aber mit den Zinsen weiter nach oben geht, ist zu bezweifeln – zumindest solange die Inflation in den USA weiter deutlich unter der Erwartung der Fed liegt. Die USA haben mit großer Wahrscheinlichkeit den Hochpunkt ihrer Konjunktur bereits überschritten – Dollar-Stärke, Ölpreis-Verfall (der in der Fracking-Industrie und ihren Zulieferern massenhaft Jobs und Investitionen kostet) und das Ende der derzeitigen Echo-Blase in den USA erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed auf alte Pfade zurückkehrt und früher oder später wieder Geld in die Märkte pumpt, um die kränkelnden Finanzmärkte nicht kollabieren zu lassen.

 


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