Höhere Gewinne bedeuten gleichzeitig höhere Risiken – eine simple finanzmathematische Gleichung. Jedoch sind Anleger, die in der Eurozone investieren, offenbar zunehmend bereit, sie zu ignorieren.
Insbesondere US-amerikanische Firmen verschulden sich neuerdings nicht mehr hauptsächlich im Heimatland, denn dort sind die Zinsen für Unternehmensanleihen wesentlich höher als in der Eurozone. Der Grund ist das QE-Programm der EZB. So müssen US-amerikanische Unternehmen etwa zwei Prozent weniger für neue Schulden aufwenden, wenn sie sich in Euro verschulden anstatt in US-Dollar.
Hintergrund sind die Refinanzierungs-Manöver der US-Firmen. Unternehmensanleihen mit „Investment-Grade“ (also Schuldpapiere von mindestens guter Kreditwürdigkeit) werden in Europa mit circa einem Prozent gehandelt, während die Zinsen in den USA bei etwa 2,9 Prozent liegen. Daher versuchen die US-Unternehmen, sich auf dem Anleihemarkt in der Eurozone zu refinanzieren.
Laut Experten stammen rund zwei Drittel der von der EZB im März gekauften Anleihen mit „Investment-Grade“ von Firmen außerhalb der Eurozone, überwiegend aus den USA.
Doch auch der Markt für Junk-Bonds (Schrott-Anleihen) nimmt beständig zu. In den USA müssen für solche Anleihen etwa 6,5 Prozent Zinsen hingeblättert werden, in der Eurozone lediglich 4,3 Prozent – womit sich deutlich Zinsen einsparen lassen.
Sollte die Fed alsbald die Zinsen anheben, desto mehr US-Unternehmen werden in die Anleihemärkte der Eurozone gehen.
Die Entwicklung zeigt jedoch noch einen anderen Aspekt auf. Die Bewertungen von „High-Yield-Bonds“ (hochverzinsliche Anleihen) ebenso wie „Junk-Bonds“ (Schrottanleihen) sind aufgrund der interventionistischen Maßnahmen des QE-Programms der EZB stark verfälscht.
Während Junk-Bonds in der Regel als höchst spekulativ angesehen wurden, sind Investoren nunmehr bereit, hohe Risiken in Kauf zu nehmen, wie die Financial Times berichtet.
„Da baut sich ein ungeheurer Moral-Hazard auf, und das ist auf die EZB zurückzuführen“, erklärt Christopher Iggo von Axa Investment Managers. „Die Leute gehen auf die Dauer mehr Risiken ein, als es sonst der Fall war“.
Der Run nach den Junk-Papieren hat die Preise nach oben getrieben, aber auch die Wahrnehmung der Risiken und den Blick auf die ertragsstarken Papiere (high-yield) verändert und somit neu definiert.
Wurden bisher etwa die Hälfte der Euro-Staatsanleihen mit BB bewertet und von Rating-Agenturen als hohes Risiko eingestuft, sind es jetzt weniger als zwei Prozent – so bringt es die UBS zur Veranschaulichung der Jagd nach Renditen auf den Punkt.
„Durch das QE-Programm der EZB ist diese Marktverzerrung ein Geschenk des Himmels. Es ist kompliziert, den Kunden zu sagen, dass sie dieses Geschenk nicht annehmen sollten“, erklärt Didier Saint-Georges von Carmignac.
Was weiter nicht verwunderlich ist, schließlich werden grundsätzlich auch Staatsanleihen der Krisenländer von der EZB „garantiert“, selbst wenn sie vornehmlich erklärte, nur Anleihen mit „Investmentgrade“ in ihre Bilanz aufzunehmen. Spätestens ab dem Sommer wird es interessant, denn beim EZB-QE können erst ab Juli griechische Bonds gekauft werden, wenn Athen Anleihen an die EZB zurückzahlt und diese nicht mehr als ein Drittel der ausstehenden Anleihen Griechenlands hält. Griechische Staatsanleihen weisen derzeit ein Ranking von „CCC“ auf, mithin Ramschniveau.
Doch einige Fondsmanager warnen, dass Investoren übersehen können, dass Schrott-Papiere mit sehr realen Risiken behaftet sind.
Der unersättliche Appetit auf Schrott-Papiere hat aktuell den Euro-Markt auf rund 365 Milliarden US-Dollar getrieben, mit einem Durchschnittsertrag von 4,35 Prozent, wie die FT berichtet.
Sabur Moini, Portfoliomanager bei Payden & Rygel, sagte: „Die Liquidität in diesem Markt ist einfach nicht dasselbe, wie sie vor der Finanzkrise war. Es ist einfach nicht die gleiche Welt – die Asset-Klassen sind größer, die Banken sind kleiner und können nicht mehr Risiko tragen“.
„Es ist vergleichbar mit einem dunklen, großen Zug, der auf uns zukommt. Aber niemand weiß, wann und wie schnell er kommt“, orakelt Christopher Iggo von Axa Investment Managers.