Politik

Portugal: Troika-Auflagen befolgt, Arbeitslosigkeit steigt

Die EU-Institutionen verlangen von Griechenland einschneidende Arbeitsmarktreformen. Allerdings zeigt das Beispiel Portugal, wo in letzter Zeit Arbeitnehmerrechte abgebaut und neo-liberale Reformen durchgeführt wurden, das dies nichts bringt: Die Umsetzung der geforderten Sparmaßnahmen hat dort weder zu hinreichendem Wirtschaftswachstum noch zum Abbau der Arbeitslosigkeit geführt.
28.05.2015 01:08
Lesezeit: 1 min

Um eine vorläufig letzte Tranche von den Institutionen, vormals „Troika“, zu erhalten, soll Griechenland den Vorgaben zufolge etliche Reformen durchführen, darunter abermals Renten- und Pensionskürzungen oberhalb einer Grenze von monatlich 700 Euro als auch Lohnkürzungen sowie Arbeitsmarktreformen.

Wie das Beispiel Portugal zeigt, das als Musterschüler bei den von der Troika auferlegten „Reformen“ gilt, ist nach all den Anstrengungen zur Erfüllung der Auflagen keineswegs eine Besserung der Arbeitsmarktsituation in Sicht. Die Wirtschaft wuchs in 2014 um magere 0,9 Prozent. Jährlich ziehen mehr als 100.000 Menschen weg – die größte Auswanderungswelle, die Portugal je erlebt hat.

Die offizielle Statistik verzeichnet 13,7 Prozent Arbeitslosigkeit. Und unter den Jugendlichen beträgt sie (saisonbereinigt) sogar 34,5 Prozent.

Die neuesten Empfehlungen der OECD zum Abbau der gravierenden Missstände bestehen darin, den Kündigungsschutz abzubauen oder Mindestlöhne zu überprüfen. Dies könne dazu führen, dass Arbeitgeber junge Menschen mit nur wenig Berufserfahrung einstellen.

Portugal beispielsweise hat jedoch bereits die geforderten Arbeitsmarktreformen verabschiedet, und das Heuern und Feuern von Arbeitskräften ist bereits legalisiert. Es hat darüber hinaus Löhne und Renten gekürzt, die Abfindungen bei Kündigungen reduziert und die höchsten Steuererhöhungen seit Generationen im Parlament verabschiedet, wie Reuters berichtet.

Dennoch ist der IWF der Ansicht, es seien noch weitere Anstrengungen nötig, um die externe Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die exorbitanten Unternehmensschulden abzubauen.

Was würde also in Griechenland geschehen, wenn sich das Land dem Druck der „Institutionen“ beugt? Rentenkürzungen schmälern zwar das Haushaltsdefizit, schmälern jedoch auch den Inlandskonsum. Lohnkürzungen schmälern ebenso den Inlandskonsum, sollen jedoch die „Wettbewerbsfähigkeit“ für den Export steigern. Ein signifikanter Abbau der Arbeitslosigkeit – vor allem der Jugendarbeitslosigkeit – ist dadurch nicht zu erreichen, wie am Beispiel Portugals abzulesen ist.

Zwar stand die auf die gesamte Bevölkerung gerechnete Arbeitslosigkeit Anfang 2013 noch auf einem Rekord von 17,5 Prozent und ist demnach um knapp 4 Prozent gefallen. Auf Griechenland bezogen mit einer offiziellen Arbeitslosenrate von derzeit 25,7 Prozent würde es mit Blick auf die Massenarbeitslosigkeit jedoch nur wenig ändern.

Im Gegenteil: Die „Reformen“ in Griechenland haben bisher erreicht, dass die Wirtschaftsleistung um etwa 25 Prozent eingebrochen ist. Im Übrigen befinden sich alle europäischen Krisenstaaten in ihrer Wirtschaftsleistung unter dem Niveau vor der Bankenkrise 2008/2009.

Um einen Vergleich zwischen Portugal und Griechenland aufzuzeigen: Die Gesamtverschuldung Portugals, also die Schulden von Staat, privaten Haushalten und Unternehmen zusammengenommen, liegt bei 381 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – die Gesamtverschuldung Griechenlands bei 286 Prozent des BIP.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...

DWN
Politik
Politik Europa vor dem Zerfall? Ex-Premier Letta warnt vor fatalem Fehler der EU
02.07.2025

Europa droht, zum Museum zu verkommen – oder zum Spielball von Trump und China. Italiens Ex-Premier Letta rechnet ab und warnt vor dem...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...