Politik

Der Abend vor dem Crash: Angela Merkel taucht ab und spricht mit Obama

Lesezeit: 3 min
28.06.2015 21:44
Angela Merkel ist wenige Stunden vor dem totalen Crash in Griechenland abgetaucht. Das einzige, was duchsickert: Sie habe mit US-Präsident Barack Obama telefoniert. Am Vorabend einer europäischen Katastrophe hören wir nichts von der deutschen Bundeskanzlerin. Es ist beschämend.
Der Abend vor dem Crash: Angela Merkel taucht ab und spricht mit Obama

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die dpa übersetzt das Statement des Weißen Hauses:

US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben wegen der Griechenland-Krise telefoniert und ihre Besorgnis ausgedrückt. Beide Seiten hielten es für äußerst wichtig, alles zu unternehmen, um einen Weg zu finden, der es Griechenland erlaube, innerhalb der Eurozone Reformen umzusetzen und Wachstum zu erzielen, teilte das Weiße Haus am Sonntagabend mit. Wirtschaftsexperten beider Länder beobachteten die Situation und stünden in engem Kontakt. Obama sprach nach dem Terroranschlag in Tunesien zugleich sein Beileid aus. Bei der blutigen Attacke war mindestens ein Deutscher getötet worden.

Zuvor war bekannt geworden, dass die Kanzlerin alle Parteichefs am Montag zu einer Krisensitzung bestellt hat.

Das ist alles, was von der Kanzlerin am Vorabend einer gewaltigen humanitären Katastrophe in Griechenland und der nun mit einiger Sicherheit anzunehmenden Vernichtung von 360 Milliarden Euro an Steuergeldern zu hören ist. Die EU steht vor der schwersten Krise ihrer Geschichte. Diese Krise wird unendlich viel Leid verursachen. Menschen werden ihre Existenzen verlieren. Die griechischen Sparguthaben sind in akuter Gefahr. Die EU, einst von den Bürgern als solidarische Gemeinschaft begrüßt, zeigt sich als Summe von Egoisten. Mit der EU geraten allen Regierungen unter Druck. Noch nie war die Lage so ernst.

Angela Merkel schweigt.

Merkel hat im Zug der Euro-Krise immer laviert. Sie hat, wie in ihrer ganzen Karriere, immer nur moderiert und sich von irgendwelchen Experten einreden lassen, was zu tun ist. Sie hat sich in blindem Vertrauen an IWF-Chefin Christine Lagarde gehängt, weil Merkel von Wirtschaft nichts versteht. Merkel hat den Fehler gemacht, Lagarde für eine Wirtschaftsexpertin zu halten. Lagarde ist die Chefin einer supranationalen Kredit-Organisation, die sich in der Griechenland-Krise über Jahre schwere Fehler geleistet hat. Vor Wirtschaft versteht Lagarde genauso wenig wie Wolfgang Schäuble, der im ZDF-Interview bereits einen schwer angeschlagenen Eindruck hinterlassen hat.

Merkel ist eine Einzelgängerin. Sie kann diktieren, aber nicht im Team spielen. Andere Meinungen lässt sie nur gelten, wenn  sie ihr nutzen. Merkel kommt sie aus der mit Ideologie überfrachteten Kader-Welt der DDR-Intelligenzia, die mit technokratischer Machtausübung zu reüssieren hoffte und genau damit gescheitert ist.

Diese Konstitution erklärt Merkels Unfähigkeit, in Europa politische "leadership" zu übernehmen, wie die Amerikaner das von ihr erwartet haben. Man kann nur führen, wenn einem etwas eine Herzens-Angelegenheit ist. Merkel hat keinen Zugang zu den komplexen Verflechtungen von Kredit, Privatwirtschaft und staatlicher Steuerung. Sie vertraut ihren Experten. Das geht so lange gut, so lange diese ihren Job ordentlich machen. Es geht schief, wenn sich die Berater, wie der IWF in Griechenland, total verrechnen.

Es ist erstaunlich, dass nun sogar die Merkel ansonsten sehr pfleglich behandelnde dpa plötzlich kritische Worte über den Äther sendet. Wir lesen in einer Analyse:

Aber wo ist die Kanzlerin? Seit Tsipras Freitagnacht vorerst das Tischtuch mit den Geldgebern zerschnitten hat, ist Angela Merkel öffentlich auf Tauchstation. Wie ernst die Situation ernst, beweist am Sonntagabend ein Telefonat Merkels mit US-Präsident Barack Obama. Das Weiße Haus teilt danach mit, beide seien sich einig, dass Athen unbedingt im Euro gehalten werden müsse. Bereits beim G7-Gipfel in Elmau hatte Obama intern gewarnt, ein Scheitern des Nato-Mitglieds Griechenland wäre auch geostrategisch wegen des Ukraine-Konflikts mit Russland riskant.

Für Merkel steht sehr viel auf dem Spiel. Die Bundestagswahl 2013 gewann sie auch deshalb so furios, weil die Bürger ihr vertrauten, Europa und deutsches Steuergeld zusammenzuhalten. Die Bundesrepublik hat alles in allem bei Griechenland etwa 80 bis 90 Milliarden Euro im Feuer.

Scheitert Griechenland, geht nicht gleich der Euro mit unter. Aber Merkels Ruf als Europas strenge, aber erfolgreiche Krisenmanagerin wäre dahin. «Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg», gab sie zuletzt als Losung im Hellas-Drama aus. Hat sie noch eine Antwort parat - oder wird der 27. Juni 2015 als Wendepunkt in die Geschichte der langen Kanzlerschaft der Angela Merkel eingehen?

Die Erklärung für das gespenstische Schweigen ist einfach: Technokraten der Macht fehlt der Instinkt für das Momentum der Geschichte. Sie handeln nicht, weil sie nicht versagen wollen. Sie wollen keine Fehler machen. Sie können nicht antizipieren. So wetten nur, wenn sie das Ergebnis kennen. Sie bleiben untätig, um nachher sagen zu können: Ich bin es nicht gewesen.

Wem dieser Instinkt jedoch fehlt, den straft die Geschichte.

Als 1989 in Berlin die Mauer fällt, hört Angela Merkel um 18.57 Uhr die Pressekonferenz mit Schabowski, in der dieser sagt: Die Mauer ist offen, meines Wissens, hier steht: unverzüglich! Merkel verlässt ihre Wohnung in Berlin, Schönhauser Allee 104, und macht sich auf den Weg. Doch nicht zur Mauer, sondern in die Sauna im Thälmann-Bad. Später, viel später am Abend, als wirklich sicher ist, dass die Mauer wirklich offen ist, soll Angela Merkel den tausenden anderen Ost-Berlinern gefolgt sein, die seit Stunden an der Bornholmer Brücke den Beginn einer neuen Ära feiern.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Finanzen
Finanzen USDT-Kurs aktuell: Stabiler Coin im turbulenten Kryptomarkt - so sieht die Tether-Kurs-Prognose 2025 aus
16.01.2025

Der Tether-Coin ist eine der bekanntesten Kryptowährungen auf dem Markt. USDT, wie der Tether-Coin auch abgekürzt wird, spielt eine...

DWN
Technologie
Technologie Radhaubitze RCH 155: Ukraine wäre ohne deutsche Verteidigungswaffen chancenlos
16.01.2025

Deutschland liefert der Ukraine das modernste Artilleriesystem der Welt. Bei Übergabe der Radhaubitze RCH 155 spricht der ukrainische...

DWN
Politik
Politik Frieden im Ukraine-Krieg? Selenskyj plädiert für Nato-Truppen als Sicherheitsgarantie
15.01.2025

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj möchte die Stationierung von Nato-Truppen in der Ukraine - und zwar als Sicherheitsgarantie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-XRP-Prognose 2025: Die aktuelle XRP-Kursentwicklung und was Anleger jetzt wissen sollten
15.01.2025

Der XRP-Kurs, der lange Zeit von Unsicherheiten geprägt war, zeigt sich auch zu Beginn des Jahres 2025 relativ stabil - und legt aktuell...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Wie die Goldpreis-Entwicklung aussieht und was für Anleger jetzt wichtig ist
15.01.2025

Der Goldpreis hat in den vergangenen Wochen beeindruckende Bewegungen gezeigt. Trotz eines schwierigen Marktumfelds klettert der Goldpreis...

DWN
Politik
Politik Pete Hegseth: Trumps Verteidigungsminister blamiert sich im US-Kongress
15.01.2025

Pete Hegseth wird vermutlich bald das US-Verteidigungsministerium übernehmen. Eine Personalie, die in den USA kontrovers diskutiert wird....

DWN
Politik
Politik Klimageld Auszahlung 300 Euro - kommt es jetzt?
15.01.2025

Klimageld Auszahlung 300 Euro - ist es 2025 soweit? Das Klimageld war fest im Koalitionsvertrag der zerbrochenen Ampel-Regierung verankert....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Sorgen über steigende Anleiherenditen und Kritik an den Magnificent Seven
15.01.2025

Die Welt der Finanzmärkte ist besorgt über die steigenden Anleiherenditen, die eine Bedrohung für Aktien darstellen könnten. Ebenso...