Finanzen

Citi-Prognose: Griechenland droht mit Euro Inflation von 22,5 Prozent

Die USA glauben zu erkennen, dass sich Deutschland beim Thema Schuldenschnitt für Griechenland bewegt. Allerdings könnten alle Planspiele bald obsolet sein: Die Citi erwartet für Griechenland einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 29 Prozent - und eine Inflation von 22,5 Prozent, wenn das Land im Euro bleibt. Ökonomen sind daher überzeugt: Spätestens im nächsten Jahr kommt der Grexit.
22.07.2015 01:39
Lesezeit: 2 min

Die USA sehen deutliche Fortschritte für Griechenland im Bemühen um Schuldenerleichterungen durch die Gläubiger. Vor zwei Wochen habe sich die Debatte noch darum gedreht, ob eine Umstrukturierung der Schulden überhaupt auf dem Tisch sei, sagte ein Vertreter des US-Finanzministeriums am Dienstag vor Journalisten. Mittlerweile gehe es bereits darum, in welcher Form und in welchem Umfang ein solcher Schritt kommen werde.

Diese Aussage dürfte Bundeskanzlerin Angela Merkel in eine gewisse Erklärungsnot bringen: Noch am Sonntag sagte sie, ein Schuldenschnitt komme nicht in Frage. Vermutlich wird das Problem semantisch gelöst werden: Denn auch eine langfristige Verschiebung ist ein Schuldenschnitt, weil an eine Rückzahlung nicht gedacht werden kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Griechenland zuletzt Schuldenverhandlungen in Aussicht gestellt. Über längere Kreditlaufzeiten und geringere Zinsen könne zu einem späteren Zeitpunkt gesprochen werden, sagte sie. Einen klassischen Schuldenschnitt lehnt Merkel jedoch ab.

Die Forderung nach einem Schuldenschnitt ist die Bedingung des IWF für eine Beteiligung an neuen Krediten. Ohne den IWF will die EU keine neuen Kredite an Griechenland vergeben. Der neue IWF-Chefökonom, Maurice Obstfeld, tritt seit langem für einen solchen ein. Er ist in Washington bestens vernetzt, denn er gehörte dem Beraterteam von Barack Obama an.

Die Amerikaner scheinen hier mit den Franzosen und mit der EU-Kommission eng zu kooperieren: Auch der französische EU-Kommissar Pierre Moscovici sieht ein Einlenken Deutschlands in der Schulden-Frage. 

Der IWF hatte zuletzt festgestellt, dass die griechischen Staatsschulden nicht tragfähig sind. Sie werden nach IWF-Berechnungen auf 200 Prozent des BIP steigen.

Zerohedge veröffentlicht eine Analyse der Citi, wonach die Entwicklung noch wesentlich unerfreulicher wird: Die Schulden würden im Jahr 2017 auf 235 Prozent steigen. Die Arbeitslosigkeit könnte wieder auf 29 Prozent steigen. In diesem Fall erwartet die Citi soziale Unruhen, die verstärkt werden könnten, wenn die Kapitalverkehrskontrollen nicht bald aufgehoben werden. Dies dürfte jedoch schwierig werden: Die Banken können mit dem ESM erst frühestens im Januar 2016 rekapitalisiert werden. Bis dahin müsste die EZB mit ELA-Notkrediten für die Liquidität sorgen, was der Wirtschaft erhebliche Probleme bringen würde.

Außerdem erwartet die Citi eine Inflationsrate von 22,5 Prozent im Jahr 2017. Das ist ein Rekordwert und würde alle Bemühungen konterkarieren, Griechenland im Euro zu halten. Der Umstieg auf eine eigene Währung sollte ja genau deshalb vermeiden werden, um nicht eine massive Inflation auszulösen.

Diese Zahlen sind eher Indiz dafür, dass Griechenland nicht im Euro gehalten werden kann. Von Bloomberg befragte Ökonomen erwarten denn auch mehrheitlich den Euro-Austritt Griechenlands spätestens im Jahr 2016 (71 Prozent). Außerdem gluaben die Ökonomen, dass die 86 Milliarden Euro für eine Rettung Griechenlands nicht reichen werden.

Dann aber gibt es 100-prozentigen Schuldenschnitt: Mindestens 240 Milliarden Euro aus den Taschen der europäischen Steuerzahler sind dann weg. Deutschland allein müsste mindestens 80 Milliarden abschreiben - vermutlich wird es allerdings wesentlich mehr sein.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Russisches Schatten-Schiff vor Polens Küste: Polen interveniert - ein verdächtiges Manöver?
22.05.2025

Ein russisches Schiff der „Schattenflotte“ hat verdächtige Manöver in der Nähe des Verbindungskabels zwischen Polen und Schweden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI statt Ruhestand: Google-Mitgründer Brin kehrt zurück – jetzt wird’s ernst
22.05.2025

Sergey Brin ist zurück – getrieben von der KI-Revolution. Google greift mit neuer Macht an, doch die Fehler der Vergangenheit sitzen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliardär Arnault warnt: EU treibt Industrie in den Abgrund
22.05.2025

Bernard Arnault, der reichste Mann Europas, schlägt Alarm: Die EU spiele mit dem Feuer, während Zölle explodieren und ganze Branchen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Brüssel bremst Billig-Boom: EU erklärt Temu und Shein den Zoll-Krieg
22.05.2025

Die EU greift zur Zollkeule: Mit einer neuen Pauschalabgabe sollen Temu und Shein ausgebremst werden – doch am Ende zahlen Europas...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien: Banken vergeben deutlich mehr Kredite für Wohnimmobilien
22.05.2025

Die Immobilienpreise waren zeitweise spürbar gefallen, nun kommt der Markt wieder in Fahrt. Verbraucher und Investoren schließen deutlich...

DWN
Finanzen
Finanzen WHO verabschiedet Pandemie-Abkommen inmitten der Finanzkrise: Deutschland sagt weitere Millionen zu
22.05.2025

Der Weltgesundheitsorganisation fehlen in den kommenden zwei Jahren 1,7 Milliarden Dollar (rund 1,5 Mrd Euro), unter anderem, weil die USA...

DWN
Panorama
Panorama Einwanderungsland Deutschland: Jeder vierte Mensch hat einen Migrationshintergrund
22.05.2025

Rund 21,2 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben im vergangenen Jahr in Deutschland gelebt. Das sind vier Prozent mehr als im...

DWN
Politik
Politik AfD Ausschussvorsitz: Schwarz-Rot verhindert AfD-Politiker - Alle sechs AfD-Kandidatin scheitern
22.05.2025

In sechs Ausschüssen des Bundestags hat die Partei „Alternative für Deutschland“ ein Vorschlagsrecht. Wie die SPD haben CDU und CSU...