Politik

Merkel in der Defensive: Frankreich will Euro-Raum neu gründen

Frankreich erhöht den Druck auf Deutschland: Die Regierung fordert, der Euro-Raum neu zu gründen - inklusive Transfers über alle nationalen Grenzen hinweg. Angela Merkel reagiert kühl. Doch sie hat keinen überzeugenden Gegenentwurf.
01.09.2015 00:50
Lesezeit: 1 min

Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron plädiert für eine völlige „Neugründung Europas“. Die Währungsunion, wie sie momentan gestaltet ist, sei gescheitert, das beweise die griechische Schuldenkrise. „Der Status quo führt in die Selbstzerstörung“ sagte Macron im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Damit setzt Frankreichs Regierung ihr Bestreben für eine Vertiefung des Euro-Raums um. Nach dem Griechenland-Desaster hatte Francois Hollande bereits gefordert, dass der Euro-Raum einen Umverteilungs-Mechanismus brauche. Premier Manuel Valls hatte angekündigt, schon bald konkrete Vorschläge vorlegen zu wollen.  

„Falls die Mitgliedstaaten wie bisher zu keiner Form von Finanztransfer in der Währungsunion bereit sind, können wir den Euro und die Eurozone vergessen.“

Weiter erklärte er: „Eine Währungsunion ohne Finanzausgleich – das gibt es nicht! Die Starken müssen helfen.“ Er wisse, dass er mit dem Vorschlag der Transfer-Union ein deutsches Tabu breche.

Frankreich selbst meldete erst im Juli eine Rekord-Arbeitslosigkeit. Präsident François Hollande muss dieser Entwicklung entgegenwirken. Es ist zu erwarten, dass er das Defizit daher erneut deutlich überschreiten will. Zudem werden durch den bevorstehenden Wahlkampf bereits die ersten Wahlgeschenke in Form von Steuersenkungen verteilt.

Macron konkretisiert zudem jüngste Vorschläge von Hollande, in der Euro-Zone eine „Wirtschaftsregierung“ zu etablieren. Dazu will Macron einen neuen „Euro-Kommissar“ in Brüssel installieren, der die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der Euro-Länder koordinieren soll: „Die Euro-Regierung würde geführt von einem Kommissar mit weitreichenden Befugnissen“, sagte Macron. „Das wäre nicht nur ein Euro-Finanzminister, sondern jemand, der auch Investitionsmittel vergibt oder in der Arbeitsmarktpolitik mitredet.“ Je höher das Budget sei, „desto glaubwürdiger wäre Europa“.

Angela Merkel äußerte sich bereits zu den Vorschlägen Macrons: Sie bewertet seine Initiative für ein Zusammenrücken der Währungsunion als grundsätzlich gut. „Ich habe ja schon vor Jahr und Tag darüber gesprochen, dass die Euro-Zone eine vertiefte Ausprägung braucht“, so Merkel. Auch von einem gemeinsamen Budget habe sie bereits früher gesprochen, allerdings von einem „kleinen gemeinsamen Euro-Budget“, um Ländern bei der Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu helfen. Das ist allerdings so ziemlich das Gegenteil dessen, was die Franzosen wollen.

Den von Macron angeregten Finanzausgleich sieht Merkel daher skeptisch. „Wir haben innerhalb der Europäischen Union ja einen gewissen Finanzausgleich durch Nettozahler und Empfängerländer“, hielt sie ihm entgegen. Einig waren sich beide aber, dass die Zusammenarbeit in der Währungsunion bei weitem nicht eng genug sei.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrpflicht in Deutschland: Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
22.06.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stellenabbau: Deutsche Industrie verliert in nur einem Jahr 100.000 Arbeitsplätze
22.06.2025

Die desaströse Wirtschaftspolitik der letzten Jahre führt in der Konsequenz zu immer mehr Stellenabbau in der deutschen Industrie. Vor...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardenschwere Anleger schwenken um: Keine Rezession in Sicht
22.06.2025

Milliardenschwere Fondsmanager halten eine globale Rezession inzwischen für höchst unwahrscheinlich. Dennoch dominieren Unsicherheit und...

DWN
Immobilien
Immobilien Hamburger Westfield-Überseequartier: Ist das die Renaissance der Shopping-Malls?
22.06.2025

In Hamburg hat ein gigantisches Einkaufszentrum auf 419.000 Quadratmetern eröffnet. Ein Tor, wer dabei nur an Shopping denkt. Der...

DWN
Finanzen
Finanzen Home Bias: Warum Anleger oft falsch investieren
22.06.2025

Home Bias ist die Neigung von Anlegern, im eigenen Land oder Währungsraum zu investieren. Immer wieder wird gesagt, dass deutschen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mein Job, dein Job: Jobsharing als Arbeitsmodell der Zukunft?
22.06.2025

Aufgrund gesteigerter Ansprüche von Arbeitnehmern und zunehmendem Fachkräftemangel müssen Unternehmen kreativ werden, was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mahnlauf statt Innovation: Wie Zahlungsausfälle die Wirtschaft bremsen
22.06.2025

Zahlungsverzögerungen belasten Europas Unternehmen massiv. Jeder zweite Betrieb rechnet mit Kundeninsolvenzen – Investitionen und...

DWN
Finanzen
Finanzen Berkshire Hathaway-Aktie: Warren Buffetts Abgang belastet – wie viel Substanz bleibt?
22.06.2025

Berkshire Hathaway verliert nach Buffetts Rückzug an Kurswert. Die Aktie steht unter Druck – und der Markt stellt die Zukunft des...