Nach der Abriegelung Ungarns hat Serbien Medienberichten zufolge damit begonnen, Flüchtlinge an die Grenze des benachbarten Kroatiens zu bringen. Busse, die Flüchtlinge im Grenzgebiet zu Mazedonien aufgenommen hätten, steuerten nicht mehr Ungarn an, berichteten am Dienstag der Radiosender B92 sowie die Zeitung „Blic“. Sie seien an die kroatische Grenze umgeleitet worden. Ungarn hatte zuvor seine Grenze zu Serbien komplett abgeriegelt und damit Tausenden Flüchtlingen den Weg nach Westeuropa abgeschnitten. Es wurde damit gerechnet, dass sich tausende Flüchtlinge auf der Balkan-Route einen Alternativ-Weg suchen würden.
Ein Reporter des Senders B92 berichtete aus dem südserbischen Ort Presevo, dort stünden mehrere Busse zur Abfahrt nach Sid an der Grenze zu Kroatien bereit. Ein Busfahrer wurde mit den Worten zitiert, er und seine Kollegen seien angewiesen worden, die Flüchtlinge aus Mazedonien direkt an die Grenze nach Kroatien zu bringen.
In Kroatien liefen bereits die Vorbereitungen für die Ankunft der Flüchtlinge. An der Grenze seien 6000 Polizisten im Einsatz, erklärte ein ranghoher Polizeivertreter. Alle Flüchtlinge würden zunächst registriert und mit dem Nötigsten versorgt. Es werde davon ausgegangen, dass Kroatien für die Migranten nur ein Transitland auf dem Weg nach Norden sei.
Im Internet kursieren bereits Karten, die die Route über Slowenien zeigen:
Im Internet werden schon neue Routen propagiert pic.twitter.com/E7cPlQPOuh
— Michael Jungwirth (@MichelJungwirth) 13. September 2015
Ungarn hat seine Grenze zu Serbien komplett abgeriegelt und damit Tausenden Flüchtlingen den Weg nach Westeuropa abgeschnitten. Verzweifelte Migranten schlugen am Dienstag bei Horgos von der serbischen Seite gegen das von der Polizei errichtete Metallgitter an der größten Autobahn ins Nachbarland und forderten die Öffnung der Grenzen. Auch Österreich kündigte wie bereits zuvor Deutschland schärfere Grenzkontrollen an. Sie sollten ab Mitternacht in Kraft treten. Die deutsche Regierung äußerte sich enttäuscht, dass es den EU-Innenministern erneut nicht gelang, eine verbindliche Verteilung der Flüchtlinge in Europa zu vereinbaren. Europa habe sich „ein weiteres Mal blamiert“, sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel.
EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte für Donnerstag eine Entscheidung über einen EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise an. Bei dem Treffen müsse darüber gesprochen werden, wie Transit- und Herkunftsländern besser geholfen und die Türkei stärker eingebunden werden könne, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit ihrem österreichischen Kollegen Werner Faymann in Berlin. Dringend notwendig sei der Aufbau von Aufnahmezentren in Griechenland und Italien. Zugleich wies sie Kritik am Umgang mit der Krise mit deutlichen Worten zurück: „Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“
An der ungarisch-serbischen Grenze saßen auch viele Flüchtlingsfamilien mit kleinen Kindern fest. „Streik - Keine Nahrung - Kein Wasser - Macht die Grenze auf!“, hatte eine Frau auf ein Mädchenkleid geschrieben, dass sie über ihrem Kopf hochhielt. Neben der Grenzschließung für Flüchtlinge gelten in Ungarn seit Dienstag verschärfte Asyl-Gesetze. Wer illegal ins Land kommt, kann in Haft genommen werden. Das EU-Land richtete an der serbischen Grenze zudem zwei Transitzonen ein. Dort soll binnen weniger Stunden über Asylanträge entschieden werden. Ungarn hat einen rund 180 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Serbien errichtet. Bereits Stunden nach Inkrafttreten verschärfter Gesetze wurden 16 Migranten aus Syrien und Afghanistan festgenommen, die versucht hatten, den Stacheldrahtzahn zu überwinden.
Die serbische Regierung forderte Ungarn auf, seine Grenze wieder für Migranten zu öffnen. „Wir reden mit den Ungarn. Sie werden die Grenze öffnen müssen“, sagte der zuständige serbische Minister Aleksandar Vulin. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) rechnet nach Angaben einer Sprecherin damit, dass sich die Flüchtlingsströme neue Routen über andere Länder suchen werden, wenn Ungarn bei seiner Haltung bleibe.
Schon jetzt versuchen immer mehr EU-Staaten, mit Grenzkontrollen die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen. Nach Angaben von Außenminister Peter Szijjarto ist Ungarn auch bereit, einen Zaun entlang der rumänischen Grenze zu bauen, falls die veränderten Routen dies erforderlich machen sollten.
Der Zustrom nach Österreich ebbte unterdessen nicht ab. Bis zum Mittag überquerten 6000 Flüchtlinge nach Angaben der Polizei die ungarisch-österreichische Grenze in Nickelsdorf. Am Montag waren im Burgenland fast 20.000 Menschen eingetroffen. Mit Einführung von Grenzkontrollen in Deutschland am Sonntag ebbte die Zahl der Einreisen nach Bayern etwas ab, wo am Montag nach jüngsten Angaben der Bundespolizei noch gut 3.800 Flüchtlinge eingetroffen waren. Bei den Bahnverbindungen zwischen Österreich und Deutschland kam es zu Verspätungen von mehreren Stunden.